Buntes Künstlerhaus für Flüchtlingskinder

Seit Anfang Jahr treffen sich am Mittwochnachmittag im reformierten Kirchgemeindehaus Flüchtlingskinder zum Malen.

Nouraldin, Axad und Naaema (v.l.) mit Alice Tassinari in den Räumlichkeiten der Reformierten Kirchgemeinde. bär
Nouraldin, Axad und Naaema (v.l.) mit Alice Tassinari in den Räumlichkeiten der Reformierten Kirchgemeinde. bär

«Buntes Künstlerhaus», steht in grüner Schrift auf einem weissen Blatt Papier geschrieben. Es hängt beim Eingang des Neuenhofer Kirchgemeindehauses und weist den Weg in einen rund 20 Quadratmeter grossen Raum. Dort werden jeden Mittwochnachmittag fünf Kinder aus der Asylunterkunft von Alice Tassinari empfangen. Die diplomierte Mal- und Kunsttherapeutin hat das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Leiter der Asylunterkunft, Heinz Suter, ins Leben gerufen. Finanziert wird es durch Spendengelder, die Tassinari fürs Projekt gesammelt hat.

«Ich ermutige die Kinder dazu, schöne Erinnerungen aus ihrer Heimat zu malen», sagt die Pädagogin und fügt an: «Ich therapiere sie nicht. Das passiert durchs Malen von alleine.» Die 59-Jährige weiss, dass die Flüchtlingskinder ihre momentane Lebensumstände kaum selber beeinflussen können. «Durchs Malen haben sie die Möglichkeit, selber etwas zu erschaffen und ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren.» Tassinari ist überzeugt, dass das Selbstbewusstsein der Kinder dadurch gestärkt wird. «Es geht mir darum, dass die Kinder einen vertrauensvollen Raum finden, Sicherheit, Geborgenheit und Ermutigung erleben.»

An diesem Mittwochnachmittag Anfang April erscheinen nur drei der fünf angemeldeten Kinder. Die zwei Jungs der Gruppe laufen nochmals in die Asylunterkunft, um die Nachzügler zu holen. Doch niemand öffnet die Türen. «Es kommt vor, dass die Kinder spontan ihre Eltern zum Übersetzen an einen Termin begleiten müssen – vielleicht ist das der Grund für ihr Fehlen», sagt Tassinari. Während die Kinder die neue Sprache spielend und schnell lernen, brauchen die Erwachsenen oft länger dafür – oder lernen sie gar nicht.

Auch sonst bekommt Tassinari die Umstände, in denen die Kinder aufgewachsen sind, hautnah mit. Etwa, als im Februar der Sirenenalarm getestet wurde, während die Kinder auf dem Weg zur Malstunde waren. «Sie kamen ganz aufgelöst bei mir an, weinten und hatten Angst.» Niemand hatte sie vorher aufgeklärt, dass es sich beim Alarm nur um einen Test handelt. Die Kinder kennen solche Alarme aus ihren Herkunftsländern nur aus dem Ernstfall. Entsprechend gross war die Angst, die er bei den Kindern auslöste.

Noch bis im Herbst wird das Projekt definitiv laufen – so lange hat die Reformierte Kirchgemeinde den Raum kostenlos zur Verfügung gestellt. Es sei üblich, Räume befristet zu vergeben, begründet der reformierte Pfarrer Lutz Fischer-Lamprecht. «Als Kirchgemeinde und soziale Institution unterstützen wir die Flüchtlingsarbeit. Hier können wir unseren Beitrag leisten, indem wir Räume kostenlos zur Verfügung stellen.» Während die Reformierte Kirchgemeinde in Neuenhof den Raum fürs begleitete Malen öffnet, tut sie es in Wettingen für einen Deutschkurs für Flüchtlinge vom Verein «treff.punkt».

Nicht nur für die Kinder, sondern auch für Alice Tassinari ist das Projekt Neuland. Beruflich begleitet sie erwachsene Menschen beim Malen. Ihr Ziel ist es, den Kindern eine Stunde Abwechslung zu schenken, in der sie in etwas Neues eintauchen können. Das mache ihnen enorm Freude. Auf schlimme Erlebnisse in ihren Heimatländern spricht sie die Kinder hingegen nicht an. «Wenn sie darüber reden wollen, können sie auf mich zukommen. Die Kinder schauen aber meistens nicht zurück, sondern in die Zukunft», sagt sie und wendet sich wieder den Kindern zu, die im «bunten Künstlerhaus» hoch konzentriert an ihren Bildern arbeiten.

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