Einzige Bezugsperson zur Aussenwelt

Als 26-Jähriger wurde Nico Kunz Präsident der Spitex Würenlos. «Als jüngster Präsident einer Spitex in der Schweiz», sagt er bei der Übergabe an seine Nachfolgerin Ruth Niggli.

Präsidiumwechsel in der Spitex: Nico Kunz übergibt an Ruth Niggli. (Bild: Melanie Bär)
Präsidiumwechsel in der Spitex: Nico Kunz übergibt an Ruth Niggli. (Bild: Melanie Bär)

Nico Kunz hat gerade seine zweijährige Tochter zur Krippe gebracht, als er zum Interview ins Gemeindehaus kommt. Gerne hätte er sich an der Vereinsversammlung der Spitex Ende Mai persönlich von den Mitgliedern verabschiedet. Doch wie schon im Jahr zuvor findet diese aufgrund der Pandemie schriftlich statt. Er zieht deshalb im Interview mit der Limmatwelle Bilanz über seine zehnjährige Tätigkeit, die eigentlich nicht so lange geplant war. Wie schon seine Vorgänger hatte nämlich auch Kunz geplant, sein Amt nach sechs Jahren weiterzugeben. Doch erst Anfang Jahr fand der Vorstand mit Ruth Niggli eine geeignete Nachfolgerin, begründet er, dass er vier Jahre länger als geplant im Amt war. «Meine Wunschkandidatin», wie er sagt.

Der 36-Jährige ist überzeugt, dass Nigglis beruflicher Hintergrund als Ökonomin und Dozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz ihr bei diesem Amt helfen wird. «Ich jedenfalls war froh, dass ich bei Amtsantritt noch mitten im Verbandsmanagementstudium war, das Wissen hat mir in der Praxis sehr geholfen», sagt er. Denn die Spitex ist kein «normaler» Verein, sondern ein Kleinunternehmen mit 25 Angestellten, das vom Vorstand strategisch geführt wird. Die Non-Profit-Organisation stellt im Auftrag der Gemeinde die Betreuung und Pflege zu Hause sicher, um so Spitalaufenthalte und Heimplatzierungen zu verhindern, hinauszuzögern oder zu verkürzen.

Keine Spitex-Fusion erwünscht

In seiner Zeit als Präsident musste er wegweisende strategische Entscheide treffen. Im 2015 beispielsweise wollten sich die Spitex Spreitenbach, Killwangen, Neuenhof und Wettingen zu einer regional tätigen gemeinnützigen Spitex AG zusammentun. Würenlos hingegen hatte kein Interesse am Zusammenschluss – der schlussendlich sowieso am Nein der Killwangener und Spreitenbacher Bevölkerung gescheitert ist. Kunz war der einzige Präsident, der die Fusion von Anfang an abgelehnt hat. «Wir wären nur bereit gewesen mitzuziehen, wenn dadurch die Leistungen günstiger geworden wären», sagt Kunz. Auch fünf Jahre später hat Kunz seine Meinung nicht geändert und findet den Alleingang den richtigen Weg: «Anders wäre es gewesen, wenn wir keine gute operative Führung gehabt hätten.»

Auch wenn das Thema Zusammenschluss vorerst vom Tisch ist, wird sich wohl auch seine Nachfolgerin Ruth Niggli früher oder später mit solchen möglichen Veränderungen auseinandersetzen. Einerseits wenn es darum geht, herauszufinden, ob die Vereinsform noch zeitgemäss ist und sich genügend passende Vorstandsmitglieder finden, die bereit sind, für dieses Ehrenamt viel Zeit zu investieren und Verantwortung zu tragen. Anderseits aufgrund der Personalknappheit im Gesundheitswesen. «Genügend gutes Personal zu finden, sehe ich als die grösste Herausforderung», sagt Niggli.

«Es ist wichtig, den Mitarbeitenden Sorge zu tragen und sie beispielsweise mit Weiterbildungsmöglichkeiten zu fördern. Das ist wahrscheinlich einer der Erfolgsfaktoren, die dazu geführt haben, dass wir diesbezüglich nie in die Bredouille kamen», so Kunz.

Via Facebook Schutzkleidung für die Mitarbeitenden gesucht

In eine Zwangslage ist er während seiner Amtszeit eigentlich nur einmal gekommen. Es war im März 2020, als die Spitex am Anfang der Pandemie massiv zu wenig Schutzausrüstung hatte, um die Patienten, aber auch das Personal vor der Ansteckung von Covid-19 zu schützen. Der Mangel gipfelte in einem Hilferuf von Nico Kunz in den sozialen Medien. Private und Firmen, darunter sogar ein Malereibetrieb aus dem Glarnerland, schickten daraufhin Überschürzen nach Würenlos.

Sein letztes Amtsjahr als Präsident hatte er sich eigentlich ganz anders vorgestellt: «Ich dachte, das wird ein schönes Jahr, in dem ich mich persönlich von den Mitgliedern verabschieden kann. Stattdessen kam Corona und das Jahr wurde zu einer echten Herausforderung», sagt Kunz. Es sei die einzige Zeit gewesen, wo er ins operative Geschäft eingegriffen habe und mit der Geschäftsführerin täglich eine Lagebeurteilung machte. Und das während der Pandemie, die auch sein eigenes Unternehmen, ihn als Vizeammann und frischgebackenen Vater herausforderte. «Damals fiel gleichzeitig noch die Betreuung der Tochter durch die Eltern und Schwiegereltern aus, die ja nicht mehr hüten sollten.» Er sei glücklicherweise nicht der Typ, bei dem Probleme eine Depression auslösen. «Ich funktioniere dann einfach und mache es wie eh und je: Es gibt eine Problemstellung und die muss ich lösen.»

Kein persönliches Verabschieden

Spricht Nico Kunz von der Amtsübergabe, ist allerdings Bedauern in seiner Stimme zu hören. Bedauern, dass sich er, der Vorstand und die Mitglieder an der Generalversammlung nicht persönlich sehen. Die Begegnungen mit den Klientinnen und Klienten an der Weihnachtsfeier seien für ihn der Höhepunkt des Vereinsjahrs gewesen, der Lohn seiner Arbeit sozusagen. «Als Vorstand sieht man an solchen Anlässen, für wen man arbeitet, und erlebt den Nutzen der Spitex hautnah.»

Für ihn ist die Organisation ein Erfolgsmodell, nicht nur, was den Pflege-, sondern auch den hauswirtschaftlichen und menschlichen Bereich betrifft. «Während der Pandemiehöhepunkte waren die Spitexmitarbeitenden für unsere Klienten manchmal die einzigen Bezugspersonen zur Aussenwelt. Es ist tragisch, wie viele Leute einsam gestorben sind. Nicht nur alte Menschen sind von Einsamkeit betroffen, sondern auch junge», resümiert er. Ganz anders er selbst: Durch seine eigene Firma, die politischen Ämter und seine Familie ist er viel mit Menschen in Kontakt und auch mehr als ausgelastet. Darum will er die frei gewordene Zeit nun auch nicht mit einem neuen Amt füllen, sondern freut sich auf mehr Zeit mit der Familie. An Silvester ist er zum zweiten Mal Vater geworden.

Ruth Niggli übernimmt Präsidium

An einem ganz anderen Ort steht seine Nachfolgerin familiär. Ihr Sohn schliesst im Sommer die obligatorische Schulzeit ab und beginnt danach eine Lehre. Sie freut sich, die frei werdende Zeit in die Spitex zu investieren. «Insbesondere auf die strategische Arbeit freue ich mich», sagt sie. Ihr Amt als Revisorin bei der Würenloser Spitex gibt sie hingegen mit dem Wechsel in fünf Tagen ab. «Und ich muss noch eine Mitgliedschaft ausfüllen, damit ich zumindest Vereinsmitglied bleibe und an den künftigen Generalversammlungen dabei sein kann», sagt Nico Kunz lachend, ehe er sich kurz darauf verabschiedet, um an der nächsten Sitzung teilzunehmen.

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