«Wünsche mir starkes Wir-Gefühl»
Markus Haas (FDP) ist langjähriger Gemeinderat und möchte nun als Ammann mehr Verantwortung übernehmen.

Was reizt Sie am Ammannamt? Ich möchte nach zwei Legislaturen (acht Jahren) im Gemeinderat mehr Verantwortung für die Gemeinde übernehmen – mehr Engagement für die Wettingerinnen und Wettinger. Wir sind gerade mitten in einer spannenden Zeit für Wettingen und ich möchte die Zukunft Wettingens noch aktiver mitgestalten, positive Veränderungen vorantreiben und die Anliegen der Einwohnerinnen und Einwohner ernst nehmen. Mit meiner Erfahrung kann ich einen wertvollen Beitrag leisten. Ich kann das und ich will das! Und ich stehe für weitere zwei Legislaturen zur Verfügung.
Bis jetzt sind Sie «einfacher» Gemeinderat. Was würde sich für Sie ändern als Gemeindeammann? Natürlich als Erstes der Arbeitsplatz, das Pensum und die Arbeit als solche. Als «einfacher» Gemeinderat trage ich bereits jetzt Verantwortung für mein Ressort Soziales und Gesundheit. Als Gemeindeammann erweitern sich Aufgaben und Verantwortung massiv. Der Gemeindeammann ist die zentrale Ansprechperson, das Aushängeschild der Gemeinde für die Bevölkerung, aber auch für die Verwaltung. Er ist das «Gesicht» der Gemeinde.
Das Stimmvolk hat zum dritten Mal Nein gesagt zu einer Steuererhöhung. Ist das Vertrauen in die Wettinger Politik, den Gemeinderat erschüttert? Viele sagen es, doch ich finde nicht, dass das Vertrauen in die Politik nicht mehr da ist. Es sind unterschiedliche Gewichtungen von Projekten. Wir dürfen das Hochwasserschutzprojekt für 30 Millionen Franken umsetzen, jeder Schulhausbau, jede Turnhalle wurde bewilligt, auch Strassenkredite wurden angenommen. Das sind Millionenbeträge. Die letzte Abstimmung hat der Gemeinderat extrem gut kommuniziert, sie wurde ganz knapp abgelehnt. Wir müssen auch schauen, in welcher Zeit wir leben. Seit zwei Jahren steigen alle Kosten wie Krankenkassenprämien, Energie-, Miet- und Hypothekarkosten. Da muss man in den sauren Apfel beissen und zahlen. Wenn dann mal die Möglichkeit kommt, wo man ehrlich sagen kann «Ich will nicht mehr zahlen», da kommt die Steuererhöhungsvorlage genau richtig.
Wie könnte das Vertrauen verbessert werden? Je offener und transparenter der Gemeinderat kommuniziert, desto eher hat er Erfolg. Und wenn man eine moderate Steuererhöhung braucht, dann werden wir dies auch in Wettingen irgendwann durchbringen. Der Gemeinderat ist dran, hat seine Finanzstrategie gemacht. Auf relativ weite Zeit hinaus haben wir hohe Kosten, sind auch dran für Zuzüge, versuchen aktiv, Firmen nach Wettingen zu holen. Das Bahnhofareal ist ein Paradebeispiel, wo wir Gewerbe und Wohnen an einer perfekten Lage zusammenbringen. Ich glaube schon, dass dies uns helfen wird.
Wie kriegt man die Schulden in den Griff? Das Margeläcker-Schulzentrum muss trotzdem gebaut werden. Tatsache ist, dass wir die Schulden mittelfristig reduzieren müssen. Kurzfristig gibt es keine Chance. Bis 2031/2032 wird sich die Schuldenlast gemäss Finanzplan massiv erhöhen. Das geplante Oberstufenschulzentrum ist aus Eigenmitteln nicht finanzierbar. Anschliessend schauen wir, wie gut der Steuerertrag ist, dann sind die grossen Investitionen durch und wir müssen uns ohne grosse Qualitätseinbussen an den Schuldenabbau machen. Wenn jemand behauptet, dass wäre schnell machbar, stimmt das schlicht nicht. Das geht nur bei massiven Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen. Zum Beispiel Schliessung der Gemeindebibliothek, die ganzen Beiträge an Vereine einstellen, die öffentlichen Beiträge an die Tagesstrukturen massiv kürzen. Und genau solches möchte ich unbedingt vermeiden.
Wenn Gemeindeammann Roland Kuster Ende Jahr den Posten abgibt, hatte er das Amt während neun Jahren inne. Sein Führungsstil scheint, von aussen betrachtet, geradlinig. Welchen Führungsstil haben Sie? Auch ich war als Offizier in der Schweizer Armee in einer hierarchisch organisierten Organisation. Trotzdem unterscheidet sich der Führungsstil, meiner ist klar teamorientiert. Die letzten acht Jahre habe ich bei den Sozialen Diensten sehr viel lernen dürfen. Da kann man nicht wie im Militär Befehle geben und dann rennen alle. Da braucht es Einfühlungsvermögen, aber auch den Handwerker, der ehrlich sagt, was er meint. Gemeinderatskollegen werden in Zukunft noch mehr in Entscheidungen einbezogen, ihnen wird mit der Stellvertreterregelung mehr Verantwortung übertragen. Als Gemeindeammann koordiniere und überwache ich ihre Tätigkeiten, dazu führe ich mein Ressort, doch die Gesamtplanung ist Chefsache. Das ist aber nicht als Kritik an Roland Kuster zu verstehen. Er machte und macht einen hervorragenden Job für Wettingen.
Mit Vizeammann Markus Maibach und Gemeinderat Sandro Sozzi treten nebst Roland Kuster zwei weitere Mitglieder nicht mehr an. Ist die neue Zusammensetzung auch eine Chance? Der Abgang von Gemeindeammann, Vizeammann sowie einem Gemeinderat ist ein «gewichtiger Aderlass». Da geht viel Know-how und Erfahrung weg. Auf der anderen Seite bieten personelle Veränderungen auch Chancen für frischen Wind in der politischen Arbeit. Neue Perspektiven könnten zu innovativen Ideen und Ansätzen führen, die bisherige Strukturen aufbrechen und neue Impulse setzen.
Mit Adrian Knaup (SP) und Orun Palit (GLP) haben sich weitere Kandidaten für das Ammannamt gemeldet. Wie sehen Sie Ihre Konkurrenten? Ich finde es gut, dass es andere Kandidaten gibt. Das ist gut für Wettingen und nicht selbstverständlich. Zu Qualifikationen oder Nichtqualifikationen von Mitkandidaten möchte ich mich jedoch nicht äussern.
Ganz allgemein: Was wünschen Sie sich für Wettingen? Wir haben ja erst die Bevölkerungsumfrage ausgewertet. 94 Prozent empfehlen ihren Freunden und Bekannten, nach Wettingen zu ziehen. Die Gesamtzufriedenheit ist top. Das zeigt, dass der Gemeinderat bisher einiges richtig gemacht hat – trotz Budgetablehnung. Ich wünsche mir, dass wir uns mit guten Werten weiterentwickeln, aber auch dass die Wettingerinnen und Wettinger wieder ein stärkeres Wir-Gefühl entwickeln. Leider leben wir schon seit längerem in einer stark Ich-bezogenen Gesellschaft. Ich möchte, dass die Lokalpolitik für die Bevölkerung transparenter und greifbarer wird und dass dadurch das Wir-Gefühl verstärkt wird.