Wie gewonnen, so zerronnen
Die Coronakrise relativiert den positiven Rechnungsabschluss der Gemeinde Wettingen. Trotzdem ist Vizeammann Markus Maibach zufrieden.

Die Gemeinde Wettingen präsentiert einen überraschend positiven Rechnungsabschluss 2019, der die strategischen Vorgaben und politischen Erwartungen dank ausserordentlichen Erträgen beim Finanzertrag deutlich übertrifft. Dieser muss aber relativiert werden: Der Buchgewinn bei den Finanzanlagen ist durch den rapiden Abfall der Börsenindizes ab dem 19. Februar bereits wieder zerronnen. Trotzdem ist Vizeammann Markus Maibach zufrieden: «Das ist dennoch ein solides Ergebnis, das den Kurswechsel bestätigt. Auch ohne die Sondereffekte kann die Gemeinde ein positives operatives Ergebnis präsentieren.»
Budgetiert wird beim operativen Ergebnis, das die Gemeinde zu den wichtigsten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zählt, jeweils eine Null. Denn fällt dieses negativ aus, wie das in Wettingen etwa in den Jahren 2016 und 2017 der Fall war, so heisst das, dass die Gemeinde für die Aufgabenerfüllung nicht genügend eigene Mittel bereitstellen kann. Diese Tatsache bleibt auch bestehen, wenn das Gesamtergebnis zum Beispiel durch den Verkauf von Immobilien verschönert wird, wie das in Wettingen in den Jahren 2016 und 2017 geschah. Ist das operative Ergebnis weit im Plus, wie in den Rechnungsabschlüssen 2018 und 2019, so muss auch das begründet werden. «Das grosse Plus im Jahre 2018 geschah durch ausserordentliche Steuererträge und im nun präsentierten Rechnungsabschluss 2019 schlugen ausserordentliche Erträge beim Finanzertrag zu Buche», sagt Maibach auf Anfrage und relativiert: «Das sind nicht reale Erträge, sondern börsenbedingte Buchgewinne, die am Stichtag, dem 31.12.2019, galten.» Diesen Buchgewinn muss die Gemeinde im Rechnungsabschluss ausweisen, auch wenn er aktuell nicht mehr gilt. «Durch den Coronaeffekt ist der Gewinn von 1,6 Millionen Franken aktuell um fast 90 Prozent geschrumpft», sagt Maibach. Viel wichtiger als ein solch ausserordentlicher Buchgewinn ist aber für den Vizeammann, dass die Trendwende, die 2018 mit dem positiven operativen Ergebnis eingeläutet wurde, nun 2019 bestätigt wird.
Einige Details aus dem Rechnungsabschluss bestätigen diesen Trend: Bezüglich Personalaufwand liegt die Gemeinde unter dem Budget. «Wir haben gut gehaushaltet», sagt Maibach dazu, das bedeute aber nichts für die Zukunft, «denn die Einsparungen beim Personalaufwand von rund 0,25 Millionen Franken sind auf Stellenvakanzen bei der Regionalpolizei und der Bauverwaltung zurückzuführen».
Nettoverschuldung liegt bei 5457 Franken pro Kopf
Beim Sachaufwand kann das Budget eine Punktlandung verzeichnen. Im Bereich Verwaltung konnten zwar diverse Einsparungen erzielt werden, die baulichen und betrieblichen Unterhaltskosten liegen mit rund 0,1 Millionen Franken aber über dem Budget. «Beim Erhalt der baulichen Substanz wurde nicht gespart», sagt Maibach. «Wenn man heute zu viel spart am Unterhalt, dann werden zukünftige Generationen damit belastet. Das ist dann kein Sparen, sondern ein Aufsparen», sagt Maibach.
Er erinnert sich gut an die 90er- und 00er-Jahre, in denen die Gemeinde Wettingen sehr wenig investierte, dafür aber einen sehr tiefen Steuerfuss hatte. «Weil damals sehr wenig für den Unterhalt getan wurde, müssen wir heute so viel investieren», sagt er. Die Investitionen schlagen auch zu Buche: Wettingen hat eine sehr hohe Schuldenlast. Der Kanton Aargau gibt einen Richtwert von 2500 Franken Nettoschuld pro Einwohner vor, Wettingen beziffert diese Nettoschuld pro Einwohner aktuell mit 5457 Franken. Zwar konnten aus den Negativzinsen bei den kurzfristigen Finanzierungen Zinserträge von über 180000 Franken erwirtschaftet werden. Dennoch ist die Gemeinde bemüht, die Schuldenlast mittelfristig abzubauen. «Weil die Kosten für den Kapitaldienst und das Fremdkapital künftig eine Herausforderung und ein Risiko darstellen», so Maibach.
Baldiger Entscheid des Regierungsrats über Budget erwartet
Mit dem vom Volk klar abgelehnten Budget 2020 und der damit verbundenen Steuerfusserhöhung wollte der Gemeinderat diesen Abbau einläuten. Nun muss der Kanton entscheiden. «Das wird demnächst der Fall sein», sagt Maibach, der betont, dass die Steuerfusserhöhung nach wie vor nötig sei. «Nicht nur zum Abbau der Schulden, sondern vor allem, damit wir auch in Zukunft ein ausgeglichenes operatives Ergebnis erzielen.» Die Gemeinde Wettingen hat im Vergleich zu anderen ähnlich grossen Gemeinden – also Städten – einen deutlich weniger grossen Verwaltungsaufwand pro Kopf, bis zu 25 Prozent weniger. Da, wo sie Spielraum hat, ist die Gemeinde also sehr sparsam. Bei den gebundenen Ausgaben, die etwa 85 Prozent des Aufwandes ausmachen, ist die Tendenz jedoch steigend. So werden wohl auch in Zukunft die Ausgaben für Pflege, Spitex, Tagesstrukturen steigen. «Dank der erfreulichen Verbesserung des Sozialhilfeergebnisses konnten die Mehrausgaben in diesen Bereichen im Rechnungsjahr 2019 aber kompensiert werden», heisst es im Rechnungsabschluss. Bedeutet das, dass es im Jahr 2019 in Wettingen weniger Sozialhilfeempfänger gab? «Ja, zum einen hatte es weniger Bezüger. Das ist ein positives Signal für Wettingen, aber diese Ersparnis ist für mich keine Errungenschaft, weil wir nur beschränkt Einfluss darauf nehmen können», sagt Maibach. Und zum anderen? «Weil wir vor eineinhalb Jahren fünf Personen eingestellt haben, können wir bei den Fällen nun auch à jour bleiben. Das heisst, es ist den Mitarbeitenden möglich, die Fälle besser zu managen, und es können auch Rückforderungen eingeholt werden».
Die Fälle dürften aufgrund der Coronakrise wohl in diesem Jahr wieder zunehmen. Dass die Coronakrise auf viele Bereiche der Budgetplanung einen Einfluss haben wird, ist Maibach klar. «Es wird auch wichtig sein, dass wir mit den öffentlichen Investitionen einen Beitrag für das regionale Gewerbe leisten», prognostiziert er. Berechnungen für ein Corona-bereinigtes Budget stellt er aber noch nicht an. Dafür sei es noch zu früh, sagt er.