Über die Forschung zum Glauben

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«Ich wollte verstehen, was die Menschen zu ihrem Handeln bewegt und was die Welt sprichwörtlich im Innersten zusammenhält», berichtet die 56-Jährige von ihrem Werdegang. Nach der Erwachsenen-Matur habe sie – fasziniert von der Weite an Wissen – Geschichte, Deutsch und Ethnologie studiert. «Aber ich wollte die Ursprünge verstehen», berichtet sie vom Übergang zur Religionswissenschaft. «Theologie studieren oder Pfarrerin werden war in meinem Leben nie ein Thema», sagt Bolliger weiter. Doch mit dem Studium wuchs auch die Faszination und, so sagt sie: «Am ehesten habe ich in der Theologie Antworten gefunden.» Rückblickend sei das die beste Wahl gewesen – auch wenn ihre Familie und ihr Umfeld, und nicht zuletzt sie selbst, eher überrascht waren, als vor 18 Jahren die Wahl, Pfarrerin zu werden, feststand. Der Zugang erfolgte für Bolliger nicht über eine Art «Bekehrung», wie sie selber sagt. «Über die Forschung bin ich zum Glauben gekommen», berichtet sie nachdenklich und fügt an: «Die Theologie gehört zu den Studienfächern, die einen mit der Zeit auch als Person ergreifen.» Und egal, wie viel man forsche und überlege – das inners- te Geheimnis umkreise man dabei stets nur. Dieses letzte, inners- te Wissen könne man nicht erklären, hier beginne der Glaube.
Diesen Glauben lebt Renate Bolliger in ihrer Funktion als Pfarrerin, in der sie unter anderem Sonntagsgottesdienste gestaltet und sich mit vier weiteren Pfarrpersonen die Amtswochen des ganzen Jahres in der Kirchgemeinde teilt. In ihren Tätigkeitsbereich fallen Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen. Aktuell steht die Weihnachtszeit auf dem Programm. Dieses Jahr gehe es für sie allerdings nicht so hektisch zu wie letztes Jahr, als die Anlässe Schlag auf Schlag folgten. «Dieses Jahr habe ich mehr Zeit für die Besinnung darauf, dass Gott zu uns Menschen in die Welt kommt», sagt Bolliger. Die pfarramtlichen Weihnachtsanlässe empfinde sie als sehr feierlich und festlich. Sie schätze die Adventszeit mit ihren Bräuchen, Texten und Liedern. Privat sehe sie die Herausforderung eher darin, nebst all den Einladungen, Essen und Geschenken nicht zu vergessen, warum man feiere.
In diesem Zusammenhang zieht Renate Bolliger auch Parallelen zwischen der Weihnachtsgeschichte und der momentanen Flüchtlingssituation. «Wenn man die Lage dieser Menschen mitbekommt, macht einem das die Härte der Weihnachtsgeschichte umso mehr bewusst», sinniert Bolliger. Die Weihnachtsgeschichte drifte manchmal etwas ins Süssliche ab: «Durch die Nachrichten aber fällt der Zuckerguss ab.» Im Gegenzug mache einem die Weihnachtsgeschichte bewusst, dass die aktuelle Asyl-Situation kein singuläres Ereignis sei, sondern dass zu allen Zeiten Nächstenliebe gefordert war. «Die Weihnachtsgeschichte und die Asyl-Situation geben einander Tiefe», findet die Pfarrerin nachdenklich. (ska)