Skurrilitäten muss man hinnehmen

Vor vollen Reihen plauderte Hans Joerg Zumsteg über Island, seine Literatur, Kultur und spannenden Eigenheiten. Foto: ska
Vor vollen Reihen plauderte Hans Joerg Zumsteg über Island, seine Literatur, Kultur und spannenden Eigenheiten. Foto: ska

Weit über 100 Personen drängten sich am Dienstagabend, 24. Januar, im Untergeschoss der Gemeindebibliothek, um dem Vortrag von Hans Joerg Zumsteg zum Thema «Island – ein Hotspot für Literatur» zu lauschen. In lockerem Stil und mit viel Begeisterung für dieses spezielle Land berichtete Zumsteg über die Eigenheiten des Landes, seiner Bewohner und seiner Literatur.

Zumsteg, der Nordistik und Germanistik studiert und Isländisch und Norwegisch gelehrt hat und heute zudem Kulturreisen nach Skandinavien und Island leitet, fesselte seine gebannte Zuhörerschaft mit zugleich interessanten als auch amüsanten Fakten. Seine Ausführungen begann er mit einem Zitat des Schriftstellers Hallgrimur Helgason, der sich auf witzige Weise über die einzelnen Sprachen äusserte, und leitete zu der Tatsache über, dass das Isländische die eigentliche Kulturgeschichte des Landes darstellt, da es sich in seiner Isolation über die Jahrhunderte in seinem ursprünglichen Formenschatz kaum verändert hat. «Das Isländische hat sich als ‹Schatz im Munde› bewahrt», erklärte Zumsteg. Die Isländer-Sagas seien für Island, was für andere Kulturen Artefakte, Denkmäler und historische Gebäude seien, denn all das existiere in Island nicht.

 In keinem Land werden so viele Bücher produziert und verkauft wie in Island. Was besonders beeindruckend ist, wenn man weiss, dass die isländischen Neuerscheinungen fast ausschliesslich für Island selbst produziert werden, da ausserhalb des Landes kaum jemand diese Sprache spricht. Jeder Isländer kauft im Schnitt acht Bücher pro Jahr. Allein schon diese Tatsachen sollten eine Vorstellung davon vermitteln, wie wichtig die Sprache in diesem Land ist. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, als Hans Joerg Zumsteg berichtete, dass Island als eines der ersten Länder seinen Rechtskodex auf Isländisch – also der Landessprache und nicht dem sonst üblichen Latein – schriftlich festgehalten hat.

Auch die berühmten Sagas sind auf Isländisch verfasst. Die 64 Isländer-Sagas erzählen in Prosaform Geschichten von isländischen Geschlechtern und spielen meist in den ersten Jahrhunderten der Besiedlung Islands durch West-Norweger – Island besitzt keine indigene Bevölkerung.

Und da sich die Sprache so wenig weiterentwickelt hat, sind die Sagas den modernen Isländern immer noch leicht zugänglich.

 Das zweite wichtige Kulturdenkmal der Isländer ist die Edda, die Götter und Heldenlieder in Versform beinhaltet, allerdings in einem urtümlicheren Wortschatz. Zumsteg erklärte: «Da brauchen selbst die Isländer ihre Wörterbücher.» Bezüglich der modernen isländischen Literatur erläuterte Zumsteg den Umstand, dass stets der Vorname und dann das Patronym, also die Angabe, wessen Sohn oder Tochter die Person ist, genannt wird. Die Bibliothek Wettingen stellt zurzeit ihren Katalog dementsprechend um, sodass isländische Schriftsteller bald korrekterweise nach dem Vornamen einsortiert sind.

In der gesamten isländischen Literatur spielt die Landschaft eine grosse Rolle und wird ausführlich beschrieben. Auch der Literaturnobelpreisträger Halldor Laxness ist für die isländischen Schriftsteller enorm wichtig. «Islands Schriftsteller müssen sich immer erst von ihm emanzipieren», erläuterte Zumsteg schmunzelnd.

Der subtile Humor der Isländer kam am besten bei einer vorgetragenen Szene zum Ausdruck, in der ein Mann eine Landkarte zeichnet, die so kompliziert ist, dass seine Frau sie für einen Schnittmusterbogen hält und mehrere Kleider danach näht, bevor sie ihren Irrtum bemerkt.

Und falls einige Szenen in isländischen Büchern unverständlich bleiben, liege das oft nicht am Leser, wie Zumsteg beruhigte: «In fast allen isländischen Werken gibt es Skurrilitäten, die wir nicht einordnen können, sondern einfach hinnehmen müssen.»

Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, aber kein Isländisch spricht, kann sich trotzdem freuen, denn die isländische Literatur ist äusserst gut in andere Sprachen übersetzt.

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