«Sehe mich als Verbindungsglied»
Philippe Rey ist seit bald 12 Jahren Gemeinderat und will noch eine Amtsperiode anhängen. Warum er erstmals auch als Vizeammann kandidiert, verrät er im Interview.

Philippe Rey ist gerade unterwegs nach St. Gallen, als er den Fototermin bestätigt. Dort trifft er sich mit einer Regisseurin, um mit ihr ein allfälliges Engagement für die Klosterspiele 2027 zu besprechen. Rey amtet seit 2024 als Präsident der Wettinger Klosterspiele. Das ist kein Zufall. Rey beschäftigt sich sein Leben lang mit Kunst und Musik. Er hat rund 700 Konzerte und 30 Festivals organisiert, hatte mehrere Galerien und koordiniert verschiedene Projekte zur 800-Jahr-Feier des Wettinger Klosters mit. Auf seiner Homepage bezeichnet er sich als Politiker, Unternehmer, Dolmetscher, Kunstberater, Texter und Idealist.
Sie haben im März bekannt gegeben, dass Sie erneut als Gemeinderat und neu auch als Vizeammann kandidieren werden, warum? Ich finde, es braucht jemand, der Kontinuität gewährleistet und das Vertrauen in den Gemeinderat wieder herstellt. Gerade jetzt, wo mit der Verwaltungsreform, mit Schulhausbauten und dem möglichen Hightech-Unternehmen riesige Projekte anstehen, braucht es Bisherige, die mit der politischen Landschaft vertraut sind.
Sie sind bereits seit 12 Jahren Mitglied des Gemeinderats, warum haben Sie nicht dafür gesorgt, dass das Vertrauen gar nicht erst verloren ging? Das ist eine berechtigte Frage, doch ich bin nicht der einzige Gemeinderat, wir sind sieben Personen und ich fand oft keine Mehrheit. Wir leben das Kollegialitätsprinzip, es ist Pflicht und Tradition, dass der Gemeinderat in corpore vertritt, was die Mehrheit beschlossen hat. Ich tat das – manchmal jedoch zähneknirschend.
Wieso denken Sie, dass sich das künftig ändert? Ich gehe davon aus, dass in einer anderen Konstellation Themen neu diskutiert werden und ein grösseres Bewusstsein für mehr Transparenz in der Kommunikation herrscht. Eine Professionalisierung der Kommunikation ist zwingend. Manchmal würde es schon reichen, ein paar Mails zu verschicken und so zu informieren – das kostet nicht einmal etwas. Die Bevölkerung hat das Recht, Fragen zu stellen und darf Antworten erwarten.
Dieses Mal kandidieren Sie nicht nur als Gemeinderat, sondern auch als Vizeammann, warum? Ich sehe mich als Verbindungsglied zwischen Volk, Politik, Einwohnerrat und Verwaltung. Mit meiner Erfahrung und in der Position als Vizeammann kann ich dies besser gewährleisten als bisher.
Warum nicht gleich als Gemeindeammann? Gute Frage.
Sie starten Ihre Wahlkampagne unter dem Motto «s’muess öppis gah». Was ausser der von Ihnen erwähnten proaktiven Kommunikation muss sich noch ändern? Im Moment dreht es sich meistens um Finanzen; es kann nicht sein, dass die Finanzen immer an erster Stelle kommen. Wir haben auch Themen wie Bildung oder steigender Altersquotient, Frühförderung, Migration usw. Darum kümmert sich niemand. Meine Vorschläge wurden oft mit dem Satz abgeblockt: «Es ist eine gute Idee, doch die Finanzen lassen es nicht zu, es darf nichts kosten.» Ich finde, der «service public» muss gewährleistet bleiben, die Gemeindebetriebe müssen fürs Volk da sein, nicht für die Politik.
Die Finanzlage in Wettingen ist angespannt, die Rechnung 2024 schloss mit einem Minus, sind die Sparbemühungen nicht verständlich? Ich finde auch nicht, dass die Gemeinde mehr Geld ausgeben oder den Steuerfuss erhöhen soll. Doch es gibt auch andere Umsetzungsmöglichkeiten, die die Gemeinde nichts kosten. Für einige Projekte habe ich Sponsoren gefunden, der Altersnachmittag konnte beispielsweise so und dank der SVP gerettet werden. Und Jugendliche haben während der Pandemie Bücher an die Kunden der Bibliothek ausgeliefert – das hat nichts gekostet.
Sie selbst sind parteilos – wieso? Ich will selbst beurteilen können, ohne Einschränkung und ohne mich mit einer Partei absprechen zu müssen. Parteilos zu sein, hat aber insbesondere im Wahlkampf auch Nachteile. Ich muss selbst Plakate aufstellen und sie auch selber finanzieren. Aber um mich braucht man sich keine Sorgen zu machen – ich werde von sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern unterstützt. Da ich keiner Partei angehöre, können Personen, die mich unterstützen, ihre Spenden steuerlich nicht abziehen wie Spenden an eine Partei. Das ist ungerecht. Unter dem Strich ist die Parteilosigkeit jedoch ein Vorteil und wird wohl in Zukunft zunehmen.
Auch Lilian Studer und Christian Wassmer stellen sich fürs Vize-Amt zur Verfügung. Wie sehen Sie Ihre Konkurrenten? Es wird spannend und es freut mich, dass Wettingen so viele Personen hat, die an der Politik interessiert sind. Das ist ein gutes Zeichen für unser lebendiges Dorf und bringt eine ausserordentlich spannende Ausgangslage.
Mit 68 Jahren sind Sie der älteste Kandidat, das kann auch negativ ausgelegt werden … Ich werde mich nicht für mein Alter entschuldigen. Es gibt in jeder Altersklasse intelligente und weniger intelligente Menschen. Ausserdem: Wir haben in Wettingen einen Altersquotienten von 34, die Rolling Stones sind alle über 80 und fit. Ich bin ein Babyboomer, und für mich ist das geistige Alter relevant. Ich fühle mich darum nicht alt. Damit ich auch körperlich fit bleibe, gehe ich zweimal wöchentlich im Tägi schwimmen und ein- bis zweimal ins Fitnesstraining.