Mindestanzahl der Fraktionsmitglieder gibt zu reden
Parteien mit weniger als vier Einwohnerratsmitgliedern müssen entweder mit einer anderen Partei eine Fraktion bilden oder haben keinen Anspruch auf Kommissionssitze. Geht es nach dem Willen von 12 Einwohnerräten, soll sich das ändern. Am 26. Juni stimmt der Rat darüber ab.

Anfang 2022, zu Beginn der Legislaturperiode, taten sich Mitte und EVP als Fraktionsgemeinschaft im Einwohnerrat zusammen. Das ermöglichte der EVP, auch mit weniger als vier EVP-Einwohnerrätinnen und -räten in Kommissionen Einsitz zu haben und als Fraktion Voten abzugeben. Zuvor hatte die Kleinpartei mit Forum 5430 eine Fraktion gebildet, die sich aber damals für die Gesamterneuerungswahlen nicht mehr aufstellen liess. Deshalb ging die EVP mit der Mitte eine neue Partnerschaft ein.
Vergangenen März teilte die Mitte-Partei jedoch mit, dass sie sich entschieden hat, die Fraktionsgemeinschaft mit der EVP per sofort aufzulösen (die Limmatwelle berichtete). Sie begründete dies mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen und den bevorstehenden Gemeinderatswahlen. Die EVP zeigte sich überrascht, schrieb, dass die Fraktionsgemeinschaft aus ihrer Sicht bestens funktioniert habe.
Gemäss Geschäftsreglement des Einwohnerrats erfüllt die EVP die Mindestanzahl Fraktionsmitglieder von vier Personen mit Lutz Fischer, Margrit Wahrstätter und Lukas Rechsteiner nicht mehr. Die SVP-Ortspartei erhob Anspruch auf den GPK-Sitz und schlug Martin Bürlimann zur Wahl vor. Die EVP wehrte sich dagegen, dass sich GPK-Mitglied Lukas Rechsteiner aus der Kommission zurückziehen muss und berief sich auf die Wählerstärke. «Nach unserer Rechtsauffassung ist er vom Einwohnerrat bis Ende dieses Jahres gewählt», schrieb die Partei in einer Mitteilung und liess verlauten, dass ihr Wahlziel sei, ein Gemeinderats- und vier Einwohnerratssitze zu erzielen. Und sie reichte beim Regierungsrat eine Beschwerde ein. Wiederum berief sich die Partei darauf, dass Rechsteiner auf die Dauer von vier Jahren gewählt worden sei. «Fraktionslos zu werden, hat nicht die Rechtsfolge, dass man nicht mehr Mitglieder einer Kommission sein kann», heisst es in der Beschwerde.
Verfahren hängig
«Solange das Verfahren beim Regierungsrat hängig ist, bleibt alles, so wie es ist», sagt Sandra Thut, Leiterin der Gemeindekanzlei.
Nun nimmt die Sache eine Wendung: Elf Mitglieder der Parteien EVP, WettiGrün und SP haben an der Einwohnerratssitzung im Mai den Antrag gestellt, die Mindestanzahl der Fraktion im Geschäftsreglement auf drei Personen herunterzusetzen und den im Einwohnerrat vertretenen Parteien und politischen Gruppen Anspruch auf Kommissionssitze zu ermöglichen. Das würde der EVP ermöglichen, als eigenständige Fraktion zu agieren und Rechsteiner könnte GPK-Mitglied zu bleiben. Die Beschwerde wurde hinfällig. Wird der Reglementanpassung im Juni vom Rat zugestimmt, hätten die Fraktionen folgenden Anspruch auf Kommissionssitze: SP/WettiGrün 4, Mitte 3, SVP, FDP und GLP je 2, und EVP 1.
Dafür und dagegen
Die Limmatwelle hat bei den Parteien nachgefragt, ob sie für die Anpassung des Geschäftsreglements sind oder nicht. Erwartungsgemäss ist die EVP dafür. «Drei Einwohnerräte entsprechen 6% Wähleranteil. Das sollte genügen für eine eigene Fraktion. Im Vergleich dazu braucht es im Kanton 3,6% und im Nationalrat gar nur 2,5% für eine Fraktion», schreibt Rechsteiner. Auch die SP ist für die Anpassung, Parteipräsident Christian Oberholzer begründet: «Wir sind der Meinung, dass mit drei Personen zur Bildung einer Fraktion der Wählerwille besser repräsentiert wird. Sie bilden 6% des Wählerwillens ab.» WettiGrüen will keine Stellung beziehen, Partei-Präsident Jürg Meier begründet: «Da wir als eine der kleineren Parteien potenziell von einer Fraktionsmindestgrössenanpassung betroffenen wären, oder zumindest in der Vergangenheit gewesen wären, enthalten wir uns hier einer Stellungnahme.» Er persönlich habe nichts dagegen, allerdings halte er es für ambitioniert, alle anfallenden Termine und Verpflichtungen auf nur drei Milizköpfe aufzuteilen.
Die FDP Wettingen steht dem Antrag grundsätzlich positiv gegenüber, wie Fraktionspräsidentin Judith Gähler schreibt: «Eine solche Anpassung stärkt die politische Repräsentation auch kleinerer Gruppierungen und entspricht unserer liberalen Haltung.» Wichtig sei, dass die Arbeitsfähigkeit des Einwohnerrats nicht beeinträchtigt werde. «Voraussetzung aus unserer Sicht ist, dass mit einer kleineren Fraktion nicht automatisch ein Anspruch auf Kommissionssitze verbunden ist. Wir setzen auf faire Teilhabe bei gleichzeitig klaren Strukturen.»
Die Mitte-Partei ist gegen die Senkung der Anzahl Mitglieder
Die Fraktion der Mitte hält an der bisherigen Anzahl Personen, die für eine Fraktion notwendig sind, fest, wie Mitte-Präsidentin Ursi Depetor mitteilt. «Es war ein langer Prozess, um sich auf vier Mitglieder für die Bildung einer Fraktion zu einigen. Der Entscheid war damals im Einwohnerrat breit abgestützt.» Es mache keinen Sinn, das Geschäftsreglement für die kurze Zeit bis zum Ende der Legislatur anzupassen. «Für kommendes Jahr werden die Karten ohnehin neu gemischt.»
Die SVP zeigt sich grundsätzlich verständnisvoll, sei der Status doch deutlich schwächer als in einer Fraktionsgemeinschaft. «Wir stehen dem Anliegen trotzdem ablehnend gegenüber», schreibt Robin Rast, Präsident der Ortspartei. «Es ist aus unserer Sicht fraglich, ob man aufgrund eines Einzelfalles kurzfristig das Geschäftsreglement anpassen sollte.» Für ihn sei allenfalls nach den Wahlen eine Diskussion zu führen. Allerdings gebe es Bedenken, dass die Verkleinerung der Minimalgrösse einer Fraktion einen Anreiz für allfällige parteilose Sprenggruppen bei zukünftigen Parlamentswahlen in Wettingen schaffen könnte.»