Schikane oder Gewinn – Tempo 30 erhitzt Gemüter
Seit Mitte September gilt auf der Schartenstrasse und der Märzengasse für ein Jahr testweise Tempo 30. Doch aus der Wettinger Bevölkerung formiert sich Widerstand – eine Übersicht.

Kurz nach 17 Uhr an einem lauen Montagabend an der Schartenstrasse: Der motorisierte Verkehr fliesst gemächlich durch das Quartier am Fusse der Lägern, hie und da flitzt ein Velo vorbei und auf dem Trottoir macht sich eine Gruppe von Kindern mit ihren Kickboards auf den Weg zum Pumptrack beim Sportplatz Scharten. Auf den ersten Blick wirkt alles friedlich, doch hinter den Kulissen brodelt es. Denn das Tempo-30-Regime sorgt auf der einen Seite für Unmut und erhält auf der anderen flammenden Zuspruch.
Diverse Petitionen
Leser Georges Mattenberger findet klare Worte und spricht in einem Leserbrief an die Limmatwelle von «Partikularinteressen von ein paar Wenigen». Und weiter: «Tempo 30 wird von Anwohnern, Durchfahrern und Zubringern mehrheitlich als reine Schikane empfunden, ohne dass es einen Mehrwert hätte. Dass man dann noch flugs eine Radarfalle montierte, um noch etwas Gewinn abzuschöpfen, unterstreicht den Schikanecharakter.» Und damit ist er nicht allein, es wurden auf der Online-Plattform petitio.ch zwei Petitionen eingegeben, die sich mit dem Thema beschäftigen. So forderte Sasa Hos eine Rückkehr zu Tempo 50 und stiess dabei auf grosse Resonanz: Rund 1200 Personen unterstützten den Vorschlag. Auch die zweite Petition, die einen Tag davor zum gleichen Thema eingereicht worden war, erhielt mehr als 300 Unterstützer.
Dabei wurde argumentiert, dass es sich um eine breite Strasse mit Veloweg und Trottoir handle, zudem sei es trotz Temporeduktion nicht ruhiger geworden. Eine weitere Petition von Jil Giordano forderte zusätzlich die Wiedereinführung von Tempo 50 auf der Märzengasse – nach Ablauf der Frist erreichte die Forderung 337 Unterstützer, eine Antwort des Gemeinderates auf die beiden Petitionen ist noch ausstehend. Auf Nachfrage stellt Gemeindeschreiber Urs Blickenstorfer jedoch klar: «Die Kernaussage wird lauten, dass der Testbetrieb zu Ende geführt werde. Man wird den Testbetrieb auswerten und entsprechende Schlüsse ziehen.»
Unzulässige Motion
Zudem wurde von Simona Nicodet, Ursula Depentor und Marcel Aebi (Die Mitte) eine Motion eingereicht, welche ebenfalls eine Wiedereinführung von Tempo 50 forderte. Die Strassenstruktur rechtfertige eine höhere Geschwindigkeitsbegrenzung, ein künstlich niedriges Tempo sei gar gefährlich und führe zu unaufmerksamem Fahren und riskanten Überholmanövern von Velofahrenden, so ihre Argumente. Ausserdem würde eine Temporeduzierung von gewissen Verkehrsteilnehmern als ideologisch betrachtet. Die Motion wurde mittlerweile für ungültig erklärt. Dies begründet Urs Blickenstorfer folgendermassen: «Gemäss den kantonalen und kommunalen rechtlichen Grundlagen liegt die Beendigung eines Testbetriebs nicht in der Kompetenz des Einwohnerrats beziehungsweise der Gesamtheit der Stimmberechtigten.»
Sicherheit und Lärmentlastung
Darüber freuen dürften sich die Befürworter von Tempo 30. Leserin Karin Schmidlin spricht von einem «riesigen Gewinn an Wohnqualität durch die massiv abgenommene Lärm- und Abgasbelastung und die gewonnene Sicherheit für Anwohner und Tierwelt», und auch Peter Loosli und weitere Mitunterzeichnende eines Leserbriefes sind der Meinung, «dass die Lärmentlastung für die Anwohnenden, die Sicherheit auch für Kinder und ältere Menschen und die verbesserte Lebensqualität höher zu gewichten sind als die zusätzliche kurze Zeit, die Autofahrende bei einer Temporeduktion hinnehmen müssen».
Bezüglich Sicherheit liefert Leser Markus Krebs konkrete Zahlen: «Untersuchungen zeigen, dass in Tempo-30-Zonen 70 % weniger Unfälle als in vergleichbaren Tempo-50-Bereichen passieren.» Krebs geht derweil noch einen Schritt weiter und fordert auf der Onlineplattform campax.org bereits jetzt die definitive Umsetzung der Tempo-30-Zone sowie eine deutlich bessere Signalisation und bauliche Massnahmen, da das erlaubte Tempo oftmals noch nicht eingehalten werde. Das Anliegen zählt bereits 700 Unterschriften. Das letzte Kapitel in Sachen 30er-Zone an der Schartenstrasse und der Märzengasse ist also noch nicht geschrieben.