«Möchte Sprechstunden einführen»
Einwohnerrat Orun Palit (GLP) möchte Gemeindeammann werden. Als Ökonom liegt sein Fokus auf den Finanzen.

Nebst Adrian Knaup (SP) und Markus Haas (FDP) stellt sich auch Orun Palit als Ammann für die nächste Legislatur zur Verfügung.
Was reizt Sie am Ammann-Amt?
Ich möchte Wettingen einen Schritt vorwärtsbringen und attraktiver machen für Jung und Alt, Familien, Vereine und das Gewerbe. Dafür muss man aber die Finanzen sanieren und ins Lot bringen. Im 2023 hatten wir ein kleines Minus, 2024 ein grosses und wie es jetzt ausschaut, wird es auch 2025 ein Minus geben. Das ist schade, weil in den umliegenden Gemeinden alle gut gearbeitet haben. Jede Gemeinde muss mit ihren Steuerprognosen umgehen und die Kosten im Griff haben. Deshalb wird dies ein grosser Fokus von mir sein. Ich war bislang 12 Jahre im Einwohnerrat und habe mit meiner Partei konstruktive Oppositionspolitik gemacht. Jetzt möchte ich diese Ideen endlich umgesetzt sehen. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich denke, dass die Finanzen wieder dem Ammann unterstellt sein müssten. Als promovierter Ökonom mit Erfahrung als Unternehmensberater und Finanzmarktstratege bringe ich umfassendes Wissen in Strategie und Finanzfragen mit. Wettingen zu führen wäre eine Herzensangelegenheit.
Mit Ihrer Wahl wäre ein GLP-ler an der Macht. Inwieweit spielt die Parteienzugehörigkeit eine Rolle? Sie spielt schon eine Rolle, aber nicht nur. Exekutivwahlen sind auch Persönlichkeitswahlen. Doch die frühere CVP und heutige Mitte war jahrelang mit Abstand die grösste Partei in Wettingen. Deshalb war es selbstverständlich, dass sie Anspruch auf den Ammann stellte. Mittlerweile hat sich die Parteienlandschaft verändert: die GLP ist mit 17,3% Wähleranteil viertstärkste Partei inWettingen, hat die FDP (12,9%) überholt, liegt nur wenige Prozentpunkte hinter der Mitte (19,6%), SVP (17,8%) und SP (17,6%). Es ist Zeit, dass eine Person aus einer anderen Partei das Zepter in Wettingen übernimmt. Diese kann neue Schwerpunkte und Akzente setzen. Nach so vielen Jahren an der Macht sind gewisse Strukturen und Seilschaften so gefestigt, dass keine neue Dynamik entsteht.
Sie sind Einwohnerrat, Präsident der GLP Wettingen und seit 2022 Mitglied der Finanzkommission. Was würde sich für Sie ändern als Gemeindeammann? Egal wie die Wahlen ausgehen im Herbst, ich werde als Ortsparteipräsident zurücktreten. Das habe ich jetzt 13 Jahre lang gemacht und ich glaube, auch da braucht es neues, frisches Blut. Falls ich nicht in die Exekutive gewählt werde, bleibe ich weiterhin Einwohnerrat und Mitglied der Finanzkommission. Das neue Pensum des Gemeindeammanns wäre ein 80-Prozent-Job. Dafür müsste ich bei meinem Job von 100 auf 20% runterfahren. Aber dies ist alles aufgegleist.
Das Stimmvolk hat zum dritten Mal Nein gesagt zu einer Steuererhöhung. Ist das Vertrauen in die Wettinger Politik, den Gemeinderat erschüttert? Das Vertrauen ist sicher angekratzt. Vor allem beim Thema Finanzen. Die Bevölkerung muss das Gefühl haben, dass alles Erdenkliche ausprobiert worden ist, um die Finanzsituation zu verbessern. Nur dann sind die Steuerzahlenden bereit, eine Steuerfusserhöhung in Kauf zu nehmen.
Wie soll das Vertrauen wieder hergestellt werden? Dreimal Nein zu Steuererhöhungen – das ist ein klares Signal: Die Bevölkerung fühlt sich nicht mitgenommen. Deshalb denke ich, dass es eine neue Finanzund Kommunikationspolitik braucht. Transparenz ist ebenfalls sehr wichtig, das muss von der Spitze aus gehen. Zum Beispiel liegt die freihändige Vergabe von Gemeindeaufträgen bis 150000 Franken in der Kompetenz des Gemeinderats. Ich würde gerne in diesem Bereich mehr Transparenz schaffen, sodass so viel Lokalgewerbe wie möglich von diesen Aufträgen profitiert. Deshalb hoffe ich, dass es bei diesen Wahlen eine Änderung geben wird und wir im Gemeinde- und im Einwohnerrat Mehrheiten haben werden, die eine solch neue Finanz-, Transparenz- und Kommunikationspolitik unterstützen werden.
Sie sind in der Finanzkommission. Wie kriegt man die Schulden in den Griff? Muss man das überhaupt? Wir haben jetzt 129 Millionen Franken Schulden, im Finanzplan gehts bis 200 Millionen hoch. Viele möchten Schulden rasch abbauen. Das tönt schon furchterregend. Finanztechnisch geht das nur, wenn der Steuerfuss so schnell wie möglich auf 125% angehoben und für lange Zeit auf diesem Niveau beibehalten wird. Es sind Fehler in der Vergangenheit gemacht worden, dadurch hat man den Schuldenberg aufgebaut. Die Schulen und die Tägi-Sanierung hätte man an eine Steuerfusserhöhung festmachen müssen. Das hat man nicht gemacht. Aufgrund der hohen Krankenkassenprämien, Lebensmittelpreise, Stromkosten und Mieten verstehe ich, dass die Bevölkerung nicht bereit ist, höhere Steuern zu zahlen. Man muss konservativer budgetieren, das heisst aber auch auf der Steuereinnahmenseite. Zudem haben wir jetzt eine gute Gelegenheit, die Schulden zu optimieren: die Zinsen sind relativ tief. Jetzt könnte man kurzfristige Schulden in langfristige umwandeln und so die ganze Zinsbelastung langfristig runterbringen. Wichtig ist nicht die Höhe der Schulden, sondern die Zinsbelastung. Diese läuft dann ins Gesamtergebnis rein.
Roland Kusters Führungsstil ist geradlinig. Wie beurteilen Sie den Ihrigen? Ich kenne seinen Führungsstil innerhalb der Gemeinde nicht. Er ist auf jeden Fall ein sehr guter Redner. Ich finde, dass er vielleicht nicht alle Parteien in die Entscheidungsfindung miteinbezogen hat. Ich werde probieren, mein Ohr näher an der Bevölkerung zu haben, und möchte wöchentlich Sprechstunden für die Bevölkerung einführen. Mein Führungsstil wird also sein, auch andere Meinungen einzuholen, bevor Entscheidungen getroffen werden. Mehr Verantwortung an mein Team delegieren, mein Team im Gemeinderat und meine Mitarbeitenden in der Gemeinde motivieren.
Wie sehen Sie Adrian Knaup und Markus Haas, Ihre Konkurrenten? Ich respektiere beide sehr. Sie wollen sich für Wettingen einsetzen. Bezüglich der politischen Themen kenne ich Markus Haas zu wenig gut. Interessieren würde mich seine persönliche Haltung zu den letzten drei Steuerfusserhöhungen. Die Mitte und die FDP hatten in den letzten acht Jahren immer die Mehrheit im Gemeinderat. Adrian Knaup kenne ich aus der Finanzkommission. Er hat die Kommission als Präsident gut und kompetent geleitet. Aber natürlich liegen wir bezüglich der Finanzthemen sehr weit auseinander.
Ganz allgemein: Was wünschen Sie sich für Wettingen? Ich wünsche mir für Wettingen, dass es auf einem stabileren Finanzfundament steht und dass es eine attraktive und lebenswerte Gemeinde für Jung und Alt, für Familien, Vereine und für das Gewerbe ist und in Zukunft sein wird.
Gesamterneuerungswahlen
Am 28. September wählt Wettingen seine Exekutive für die Legislatur 2026–2029. Gemeindeammann Roland Kuster (Mitte), Vizeammann Markus Maibach (SP) und Gemeinderat Sandro Sozzi (Mitte) treten nicht mehr an. Als Ammann-Kandidaten haben sich neben Orun Palit (GLP) auch Adrian Knaup (SP) und Markus Haas (FDP) gemeldet. Gemeinderat Philippe Rey (parteilos) kandidiert als Vizeammann, ebenso Lilian Studer (EVP) und Christian Wassmer (Mitte). Neu in den Gemeinderat möchte Roland Brühlmann (Mitte) und Jürg Meier Obertüfer (WettiGrüen), Kirsten Ernst (SP) und Martin Egloff (FDP) kandidieren erneut. Am selben Datum wird auch der Einwohnerrat neu gewählt.(ihk)