Ohne Budget: Kommen bald «fremde Richter»?
Das Wettinger Stimmvolk schickte das Budget mit Steuerfusserhöhung bachab. Die erhoffte Korrektur vonseiten der Einwohner kam nicht.

Es ist Samstagmorgen. Im Pyjama geht man zum Briefkasten die Post holen. Ein leeres Schlucken. Am Milchkästli klebt ein gelber Abholschein: Betreibungsurkunde. Ein ähnliches Szenario droht Wettingen zwar noch nicht. Aber wie lange der Regierungsrat dem Wettinger Schuldenberg noch beim Wachsen zusehen wird, ohne dass Einwohnerrat, Finanzkommission oder Gemeinderat effektiv Gegensteuer gibt, zeigt der Erfahrungsschatz. Räte und Kommissionen würden. Das Volk und die Opposition lehnten ab. Im März will der Gemeinderat nun ein erneutes Mal an die Urne. Wenn nichts zustande kommt, kommen die «fremden Richter» vom Kanton und entscheiden selbst, wie hoch der Steuerfuss werden wird.
Mehrheiten lassen sich keine finden
Wettingen hat hohe Schulden. Über Jahre wurde vonseiten der Bevölkerung und des Einwohnerrates – inklusive der Oppositionsparteien GLP und SVP – bestellt. Die Rechnung bezahlen will man nicht. Mit dem Budget und der damit einhergehenden Steuerfusserhöhung wollten sich Gemeinderat und die grosse Mehrheit des Einwohnerrates an den Abbau der Schulden machen. Vom Volk wurde diese Planung jedoch nicht goutiert. Das stellt die Politik vor grosse Herausforderungen. Die grossen Brocken sind bereits weggespart. Und der Einwohnerrat ist am Zenit seiner Möglichkeiten angekommen. Nicht wegen fehlenden Willens. Es lassen sich schlicht keine Mehrheiten für grosse Sparmassnahmen mehr finden. Niemand ist bisher auf die Idee gekommen, das EW zu verkaufen, die Bibliothek zu schliessen oder das Hallenbad mit Kies zuzuschütten. Und selbst wenn: Eine Mehrheit wird es hierbei nicht geben.
Sechs Stunden für Nullrunde
An der Budgetdebatte tagte der Einwohnerrat sechs Stunden lang. Gespart wurde dadurch «ein halbes Steuerprozent. Vor allem auch auf Kosten des Verwaltungspersonals», so Roland Kuster. Er ist einer der Verlierer dieser Abstimmung, steht aber weiterhin hinter der Steuerfusserhöhung. Es führe langfristig kein Weg daran vorbei. 85 Prozent des Geldes sind gebundene Ausgaben. Was nicht gebunden ist, kann bis zum Erreichen eines neuen Budgets nicht behandelt werden. Der Gemeinderat wird daher an der Einwohnerratssitzung vom Januar 2023 das Budget 2023 2.0 beantragen. Der Ball wird dann wieder beim Gremium sein. Findet dieses keine Lösung, entscheidet der Kanton. So tat er es schon vor zwei Jahren. Stammkunde dort möchte der Wettinger Gemeinderat nicht werden. «Wir müssen jetzt gemeinsam besorgt sein, mit der zweiten, verbesserten Auflage erfolgreich zu sein.»
Ungenügendes Zeugnis und
zufriedene Opposition
Das «Nein» zum Budget mit Steuerfusserhöhung zeichnet in der Auswertung ein fragwürdiges Bild. Alle Parteien ausser SVP und GLP standen hinter der Erhöhung und schafften es trotzdem nicht, die Bevölkerung zu überzeugen. Die Opposition setzte sich gegen alle durch. Auch die Aufklärungsarbeit vonseiten des Gemeinderates während der letzten zwei Jahre genügte nicht. Dies trotz «grossem Erklärungsaufwand», wie es Roland Kuster sagt. Die Situation wird im nächsten Jahr nicht einfacher. Die Schulden sind hoch. Und Wettingen notiert viele Abschreibungen.
In den letzten beiden Jahren setzten die Räte daher auf Transparenz. Und trotzdem: Strategien, Masterplangen, langfristige Ziele. Nichts genügte. Die beiden Oppositionsparteien freuen sich indes über den Erfolg. Keine davon ist im Gemeinderat vertreten. Und trotzdem überzeugten sie die Wettinger Bevölkerung, ihnen Recht zu geben.
An der kommenden Sitzung des Einwohnerrates wird der Budgetmarathon auf ein Neues starten. Wie dieses aussehen wird, liegt bei den Einwohnerratsparteien. Zwischen Baden und Zürich reicht ein Dienstleistungsminimum nicht, um attraktiv zu bleiben. «Im März brauchen wir ein Budget zur Abstimmung», sagt Kuster. Eines, das einer Gemeinde wie Wettingen gerecht wird.