Neuer Schulraum: «Es wird eine Herkulesaufgabe werden»
Der Masterplan zur Schulrauminfrastruktur sorgte für positive und mahnende Voten an der Wettinger Einwohnerratssitzung. Der Kauf eines neuen Containers für 5,23 Millionen Franken für die Bezirksschule wurde abgesegnet.

Die Wettinger Einwohnerratssitzung vom Mittwoch vergangener Woche stand im Zeichen der Schulrauminfrastruktur. So hatten die anwesenden Einwohnerrätinnen und -räte die Möglichkeit, ihre Meinung zur Masterplanung der Schule Wettingen kundzutun. «Jetzt haben wir eine Ausgangslage für die nächsten 20 Jahre und können daran arbeiten», sagte Gemeindeammann Roland Kuster (Mitte) vor der Behandlung des Geschäfts. Die von einer Begleitkommission ausgearbeitete Gesamtschau auf über 200 Seiten basiert auf den Schülerzahlen für das Jahr 2040 und beinhaltet zwölf Vorschläge, wie der Wettinger Schulraum künftig aussehen könnte.
Weiterverfolgt wird als beste Lösung ein Oberstufenzentrum nahe des Margeläckers auf der Zirkuswiese mit zusätzlich 12 Primarschulklassen. Neu wären in Wettingen also Real-, Sekundar- und Bezirksschule unter einem Dach. Das hätte zur Folge, dass die derzeit bestehende Bezirksschule zu einem Primarschulhaus mit 18 Klassen umfunktioniert würde. Das Schulhaus Altenburg würde Platz für 18 Primarschulklassen bieten, in der Schulanlage Dorf und Zehntenhof könnten 24 Schulkassen untergebracht werden. Das Projekt sieht Ausgaben von 200 Millionen Franken vor. Rund 150 Millionen sind für Neu- und Anbauten geplant, etwa 50 Millionen Franken werden für die Sanierung der bestehenden Anlagen anfallen.
So bauen, dass man künftig aufstocken kann
Der Masterplan stiess im Einwohnerrat auf Gefallen. «Wir sind erfreut darüber, dass der Gemeinderat mit dem Masterplan Schule, den wir schon vor neun Jahren gefordert hatten, gezeigt hat, dass das Thema Schulraum nun ganzheitlich, nachhaltig und langfristig angegangen wird», sagte Alain Burger von der Fraktion SP-WettiGrüen. Auch die Mitte-Fraktion zeigte sich erfreut. «Wir schätzen es, dass man wegkommt von einem Einzelprojekt nach dem anderen», sagte Lukas Rechsteiner. Ein Anliegen sei der Fraktion, dass modular und flexibel gebaut werde, um den didaktischen Konzepten wie etwa Lernlandschaften Rechnung zu tragen. «Die Neubauten sollen zudem die Möglichkeit bieten, sie später um einen Stock zu ergänzen. Egal, wie genau man plant, Überraschungen kommen auch in Zukunft», bemerkte Rechsteiner.
Auch die FDP-Fraktion bedankte sich für die «saubere und umfassende Arbeit», verwies aber auf die hohen Kosten. «Es bereitet uns Bauchschmerzen, wie die Gemeinde weitere Investitionen von 200 Millionen Franken stemmen soll. Und auch den Zeitplan empfinden wir als sehr optimistisch», sagte Judith Gähler. Mahnende Worte gab es auch von Martin Fricker von der SVP-Fraktion. «Bitte schaut, dass die Schülerprognosen sauber berechnet sind, sonst stehen wir an einem ähnlichen Punkt wie Baden.» Damit verwies Fricker auf die Probleme des neuen Sekundarstufenzentrums Burghalde in der Nachbarstadt, das 14 Monate nach der Eröffnung bereits mit Platzknappheit kämpft, wie kürzlich bekannt wurde.
«Genau das wollen wir nicht und deshalb haben wir diese Gesamtschau gemacht», sagte Gemeindeammann Kuster. Dass die Investitionen und der Zeitplan herausfordernd sind, bestätigte er. «Das wird eine Herkulesaufgabe. Wir müssen uns dieser aber stellen aufgrund der Schülerprognosen.» Es freue ihn, zu hören, dass der Weg, der eingeschlagen wurde, der richtige sei. Nachdem das Parlament den Masterplan zur Kenntnis genommen hatte, konnte auch das Postulat der SVP-Fraktion abgeschrieben werden, in welchem sie die Prüfung eines Oberstufenzentrums verlangt hatte.
Da es noch eine Weile dauern wird, bis ein solches Zentrum realisiert ist, ist die Bezirksschule in der Zwischenzeit auf hochwertige Container als Überbrückung angewiesen. Diese sollen auf einem Teil der Sportwiese neben der Laufbahn zu stehen kommen und die alten, gemieteten Container, die aktuell auf dem Basketballplatz platziert sind, ab dem Schuljahr 2023/2024 ersetzen. Die Kosten für den Kauf des neuen Provisoriums mit Containern, die eine Lebensdauer von rund 25 Jahren aufweisen, betragen 5,23 Millionen Franken. Grünes Licht gab die Finanzkommission. Sie forderte jedoch, dass man die Container in bereits 20 Jahren abschreibt und nicht wie vorgesehen in 35 Jahren. Die Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte zeigten sich mit der Anschaffung einverstanden. «Und sonst können wir die Container immer noch den Badenern verkaufen», sagte Einwohnerrätin Marie-Christine Andres (Mitte) mit einem Augenzwinkern.
Initiative für ein lebendiges Wettingen kommt vors Volk
Gutgeheissen wurde ebenfalls die Initiative für ein lebendiges Wettingen. Damit wird die Vorlage den Stimmberechtigten am 27. November an der Urne zur Abstimmung vorgelegt. Allerdings musste die Initiative, die Beträge an Musikschule, kulturelle und sportliche Aktivitäten sowie Leistungen an die ältere Bevölkerung künftig im Budget verankern will, inhaltlich angepasst werden. Die Beträge dürften nicht fix in Prozenten festgelegt werden, sondern sollen nur Richtwerte darstellen, weil dies sonst dem sogenannten Zweckbindungsverbot widerspreche, sagte Einwohnerrat und Mitinitiant Leo Scherer (WettiGrüen). Dem Geschäft widerfuhr eine weitere Änderung. Die SVP reichte einen Antrag ein, dass den Stimmberechtigten das Begehren mit einer ablehnenden Empfehlung vorzulegen ist. Für dieses sprachen sich mit 30 Ja- zu 16 Nein-Stimmen beinahe doppelt so viele Einwohnerräte aus.
Fünf Stunden für ein klebriges Traktandum
Am Abend darauf tagte der Einwohnerrat ein weiteres Mal. Sechs Traktanden standen an. Behandelt wurde während fast fünfeinhalb Stunden nur eines: das Budget. Alle anderen Geschäfte mussten um 1.10 Uhr morgens von Ratspräsident Lutz Fischer-Lamprecht auf November vertagt werden. Ebenfalls wurde aufgrund der Uhrzeit auch auf das Bier nach der Sitzung verzichtet. «Ich glaube, wir gehen lieber ins Bett», meinte er zu seinen Räten und lachte.
Erhöhung des Steuerfusses auf 98 Prozent kommt vors Volk
Der Gemeinderat wollte für 2023 ein ausgeglichenes Budget. In Wettingen keine leichte Aufgabe. Und ohne Steuerfusserhöhung gemäss Gemeinderat und Ratsmehrheit unmöglich. Auch die Finanzkommission (FIKO) sieht keinen Weg daran vorbei. Es wurde heiss debattiert. Wo die SP/WettiGrüen «erst den Anfang sieht», sehen SVP und GLP bereits rot. Der Rückweisungsantrag der SVP blieb jedoch erfolglos und auch die Lösungsansätze, wie sie die GLP sah – zum Beispiel durch vermehrte Verkehrskontrollen mit Blitzern –, fielen flach aus. Eine Steuerfusserhöhung von 3 Prozent auf 98 Prozent blieb dann aber gemäss der jüngsten Einwohnerrätin Ema Savic lediglich «ein kleiner Tropfen auf einem sehr heissen Stein». Der Beschluss unterliegt dem obligatorischen Referendum. Die Volksabstimmung findet am 27. November statt. Die Unterlagen können während der Referendumsfrist zur ordentlichen Bürozeit auf der Gemeindekanzlei eingesehen werden.
Schule und Verwaltung leidtragend nach den Kürzungen
35 Anträge legte die FIKO vor, um das Budget auszugleichen. Während über fünf Stunden konnten so Ersparnisse von insgesamt Fr. 315757.50 generiert werden. Das Verwaltungspersonal trifft es dabei am härtesten, was Roland Kuster sichtlich zu irritieren schien. Nur ein Prozent mehr Lohn sprang für sie raus – nach zwei Nullrunden. «Es wird zusehends schwieriger, gutes Personal zu rekrutieren und zu behalten», gab er zu bedenken. Ebenfalls fielen viele Kürzungen auf die Schule zurück. Der Einwohnerratspräsident vertagte die offenen Traktanden auf den nächsten Monat. Die einen waren zu müde, die anderen zu aufgebracht, um noch weiter zu diskutieren.