Neuer Präsident musste Stichentscheid fällen

«Ein bisschen nervös bin ich schon.» Mit diesen Worten begrüsste der neue Präsident des Einwohnerrates, Marco Kaufmann, die Mitglieder zur ersten Sitzung im neuen Jahr. Und das mulmige Gefühl erwies sich als gerechtfertigt, denn bereits in seiner ersten Sitzung als Präsident musste Kaufmann einen Stichentscheid fällen. Dank einer gut besuchten Infoveranstaltung waren alle Ratsmitglieder bestens über das Projekt Tägi informiert. Bei den zur Auswahl stehenden Optionen gab vor allem das Aussenwarmbecken zu reden. Dieses muss, obwohl es zur Hälfte mit Abwärme aus der Eisfläche geheizt werden kann, zusätzlich mit Strom geheizt werden. Unabhängig von der Energiefrage würde ein Aussenwarmbecken aber die Nutzung des Tägi erhöhen und betriebsmässig eine Attraktivitätssteigerung darstellen, wie Markus Dieth erläuterte. Er mahnte die Einwohnerräte auch: «Wir müssen heute die Optionen wählen, sonst können wir den Projektierungskredit nicht ausarbeiten.»
Leo Scherer (WettiGrüen) argumentierte, dass das warme Badewasser im Aussenbecken im Winter ein Luxus und eine «selten blöde Dummheit» sei, genauso wie ein Eisfeld im Frühling. Auch für Dacfey Dzung (WettiGrüen) gehen die energetischen Bemühungen nicht weit genug. Es sei lobenswert, dass mit der neuen Anlage 20 Prozent Strom gespart werden: «Wir müssten aber auf 20 Prozent reduzieren, nicht nur 20 Prozent sparen. Ist es unsere höchste Priorität, acht Monate im Jahr Schlittschuh zu fahren?»
Thomas Benz (CVP) gab zu bedenken, dass das Projekt scheitern werde, wenn jeder in eine andere Richtung ziehe. Vereine etc. sollen die Anlage auch künftig zu angemessenen Preisen nutzen können – das Projekt müsse also wirtschaftlich aufgehen. Diesbezüglich sei das Aussenwarmbecken wichtig und betriebswirtschaftlich zu unterstützen (auch wenn es energetisch nicht ganz aufgehe).
Jürg Baumann (SVP) erläuterte: «Die SVP-Fraktion ist grundsätzlich nicht gegen das Tägi, nur gegen die Mehrzweckhalle, das Aussenwarmbecken und die Überdachung der Eishalle.» Im Hinblick darauf, dass in Kürze neuer Schulraum für etliche Millionen zur Verfügung gestellt werden müsse, sei die SVP nur für ein abgespecktes Projekt Tägi, da Wettingen sonst seinen Steuervorteil verlieren werde. Marie-Louise Reinert (EVP) konterte, dass eine Gemeinde, die für ihre Einwohner sorge, im Endeffekt mehr zu bieten habe als eine Gemeinde mit niedrigem Steuerfuss.
Bei der Abstimmung über den Zusatzantrag der SP Wettigrüen, auf ein Aussenwarmbecken zu verzichten kam es zu einem Gleichstand: 23 Ja-Stimmen standen zu 23 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung. Einwohnerratspräsident Marco Kaufmann hat in so einem Fall die Entscheidungsgewalt und sprach sich zugunsten des Aussenwarmbeckens aus. Anschliessend stimmten die Räte für die Genehmigung des Wettbewerbsverfahrens und beauftragten den Gemeinderat, einen Projektierungskredit bezüglich Ausbau und Ertüchtigung des Tägi auszuarbeiten. Das Projekt wird das Modul 1 (Rückbau Altbauten, Altlastensanierung, Eishalle mit Mehrzwecknutzung und Ausseneisfeld, Tiefgarage, Umgebungsgestaltung mit den Optionen für eine Überdachung des Ausseneisfeldes und Vorbereitungsmassnahmen für ein Sporthotel) und das Modul 2 (Ertüchtigung Bestand mit Erweiterung des Eingangsbereiches, Kinderplanschbecken, Aussenwarmbecken, mit den Optionen auf einen Neubau des Wellnessbereiches, einer thermischen Solaranlage und einem Sicherheitssystem zur Überwachung Schwimmbecken) umfassen. Die beiden Module werden zusammen geschätzte 83,7 Mio. Franken kosten.
In der wohlverdienten Pause schmunzelte Marco Kaufmann, seine Ratskollegen hätten vor der Sitzung noch Witze über einen möglichen Stichentscheid gemacht. Markus Maibach sei die ganze Zeit am Rechnen gewesen und hätte ihm dann tatsächlich zugeraunt: «Es langed nöd!» Obwohl an diesem Abend drei Ratsmitglieder, von denen bekannt ist, dass sie für das Aussenwarmbecken sind, abwesend waren, war Kaufmann diese Art der Machtausübung nicht angenehm. «Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte den Entscheid nicht fällen müssen. Jetzt habe ich sozusagen ein Aussenwarmbecken», sagte er schmunzelnd.
Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde das Postulat der CVP für eine Gleichbehandlung der Familienformen abgelehnt. Thomas Meier (CVP) fand es befremdlich, dass in diesem Fall keine Anpassung des Postulats möglich sei. Der nächste Schritt werde nun klar wieder ein Vorstoss sein – eine Entgegennahme wäre zeitsparend gewesen. Martin Egloff (FDP) verteidigte die Entscheidung. Es gehe nicht an, in der Nacht vor der Sitzung ein Dokument zu verschicken. Sein Vorschlag sei, das Postulat zurückzuziehen und überarbeitet nochmals einzureichen. Thomas Meier konterte, dass die CVP das Postulat schriftlich verfasst hätte, damit es nicht nur mündlich eingebracht sei. Dies sei als service public geschehen: «Uns daraus jetzt einen Vorwurf zu machen, finde ich heikel.» Marco Kaufmann schlug eine Abstimmung vor, gemäss der das Postulat mit 17 Ja zu 23 Nein bei 7 Enthaltungen nicht überwiesen wurde.
Bezüglich der dringlichen Interpellation der FDP betreffend Umgang mit Medien seitens Gemeinderat erläuterte Yvonne Vogel (FDP): Beim Lesen des Interviews mit Heiner Studer in der Weltwoche vom 18. Dezember hätten einige Passagen Kopfschütteln bewirkt und auch in der Bevölkerung Unverständnis und Verärgerung ausgelöst. Die despektierliche Beschreibung zum Erscheinungsbild von Wettingen durch den Journalisten hätte dem Ganzen die Krone aufgesetzt. «Da kann die Gemeinde noch so viel Standortmarketing machen.» Heiner Studer verteidigte sich, er habe die Aussagen nicht als Vizeammann gemacht, sondern in seiner Funktion als EVP-Präsident. Der grössere Teil stamme vom Journalisten und sei nicht Teil des Interviews gewesen und ihm nicht zum Gegenlesen vorgelegt worden. «Ich verstehe, dass Betroffene das geärgert hat.» Es sei aber auch so, dass ihn niemand, der in Wettingen wohne und sich geärgert habe, angesprochen habe. Er wünsche sich, zu diskutieren und Kritik entgegenzunehmen.
Sämtlichen Einbürgerungsgesuchen wurde zugestimmt. Auf den Abdruck eines Fotos der Einzubürgernden wird fortan verzichtet, was die SVP beklagte. Aus Daten- und Persönlichkeitsschutzgründen dürfen die Fotos offiziell nicht mehr veröffentlicht werden.