Nach 22 Jahren schliesst Bruggisser die Schreinerei

Ende Mai schliesst die «kreative Holzwerkstatt». Unter anderem hat der Preisdruck zu diesem Schritt geführt. 10 Mitarbeitende und 4 Lernende verlieren ihren Job.

Martin Bruggisser in seinem Showraum an der Winernstrasse.Melanie Bär

«Ich habe mich lange gewehrt, war überzeugt, dass wir es noch schaffen. Doch jetzt ist es leider eine Tatsache, wir müssen schliessen», sagt Martin Bruggisser. Einen Tag vorher, am 27. Februar, hatte der 53-Jährige in einer Pressemitteilung informiert, seine Schreinerei per Ende Mai einzustellen. Für die 10 Mitarbeitenden und 4 Lernenden werden neue Arbeitsstellen gesucht.

Nach 15 guten Jahren habe die Coronapandemie einen Knick gegeben. «Ich hoffte, dass es danach wieder aufwärtsgeht», so Bruggisser. Doch das Gegenteil sei der Fall gewesen. Mit der folgenden Energiekrise und dem Krieg hätten sich die Energiekosten erhöht und das Konsumverhalten verändert. «Wenn überhaupt, dann investieren Eigenheimbesitzer eher in Heizung als in massgeschneiderte Küchen und Möbel. Und es wird immer öfters beim Grosshändler eingekauft.»

Auswirkungen der demografischen Veränderung auf Immobilien

Einst sei Wettingen mit seinem Dorfcharakter und den Einfamilienhäuserquartieren der perfekte Standort für seine Schreinerei gewesen, die entsprechende Kundschaft anzog. Heute werden alte Häuser häufig abgerissen und durch Mehrfamilienhäuser ersetzt. «In solchen Neubauten erhalten wir von den Grossinvestoren keine Aufträge.»

Die Folge: ein Rückgang von massgeschneiderten Einzelanfertigungen, auf die sich die «kreative Holzwerkstatt» spezialisiert hatte. «Die Generation, die sich eine schöne Wohnwand auf Mass anfertigen liess, womöglich mit eingebauter Stereoanlage, stirbt aus.» Die Auftragsbeschaffung sei immer aufwendiger geworden. «Und da fehlt das entsprechende Fachpersonal.»

 

Verständnis erhalten

Bisher habe er von allen Seiten Verständnis für diesen «schweren Schritt» erhalten – sogar von den Lieferanten. «Das Schönste war, als die Mutter einer Lernenden anrief und sich für die bisherige Lehrzeit ihrer Tochter bedankte, weil sie sich sehr wohl gefühlt hatte bei uns.» Es falle ihm besonders schwer, dass die angehenden Schreiner die Lehrzeit nicht in seiner Schreinerei beenden können. Er sucht nun neue Stellen für sie.

Er selbst wird als Umbauplaner, Bauleiter und Immobilienbetreuer selbstständig bleiben und ein Serviceschreiner weiterhin Service- und Unterhaltsarbeiten anbieten. Bruggisser führte in den letzten Jahren immer wieder Mandate für Genossenschaften und Verwaltungen im Immobilienbereich aus. «Leute zu beraten, hat mir auch als Schreiner immer sehr gut gefallen. Ich schaute, wie die Kundschaft lebt, um ihnen genau das Möbel anzufertigen, das in ihr Daheim passt.»

Den Showroom und seine Büroräumlichkeiten an der Winernstrasse, wo er seit 22 Jahren Mieter ist, wird er behalten. Am Ort, wo er vor 22 Jahren auf dem Kiesplatz sein eigenes Unternehmen aus dem Nichts aufbaute und nun wieder aufgibt. «Es fällt mir sehr schwer und gleichzeitig ist es eine Erleichterung.» Der Druck, genügend Aufträge zu generieren, damit alle Mitarbeiter in der Schreinerei genügend Arbeit hatten, um ihnen am Monatsende den Lohn zahlen zu können, sei sehr gross gewesen. «Es lastete ein grosser Druck auf mir.» Die Trauer, sein «Lebenswerk» radikal zu verändern, ist damit trotz allem auch eine Entlastung für den Unternehmer.

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