Mit Raumgestaltung individuelles Lernen ermöglichen
Seit Anfang August wird die Kantonsschule von Paul Zübli geführt. Er plädiert für eine an die heutigen Lernformen angepasste Gestaltung der Schulräume und kann sich politisch aktive Lehrpersonen vorstellen.

Aufs neue Schuljahr hin gab es einen Wechsel in der Führung der Kantonsschule Wettingen. Nach elf Jahren gab Kurt Wiedemeier das Rektorenamt an Paul Zübli weiter. Auf den Theologen und Romanisten Wiedemeier folgt der Betriebswirtschafter Zübli. Der 48-Jährige hat nach seinem Studium die Kunstgewerbeschule besucht und das Lehrerpatent erworben. Als Lehrperson war er am Hochalpinen Institut in Ftan und an der Kantonsschule Zug tätig und die vergangenen zwei Jahre als Prorektor an der Kantonsschule Wettingen. Er war für die Infrastruktur und IT verantwortlich und hat bildnerisches Gestalten sowie Wirtschaft und Recht unterrichtet.
Sie äussern sich auf Twitter zu gesellschaftlichen und politischen Themen, am Samstag diskutieren Lehrpersonen und Politiker an einer öffentlichen Podiumsdiskussion über die Frage, wie viel Schule man sich leisten will. Wollen Sie als Rektor in die Politik eingreifen? Mein Auftrag als Rektor ist es, den von der Politik vorgegebenen Auftrag umzusetzen. Diesen Auftrag hinterfrage ich nicht, sondern setze ihn um. Diskussionen können jedoch den künftigen Auftrag beeinflussen. Zudem bin ich ein sehr aufmerksamer und interessierter Beobachter der gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Ich bringe mich jedoch nur sehr dosiert ein und äussere mich fast ausschliesslich zu Themen, die das Schulsystem oder die Grundrechte von Menschen in der Schweiz betreffen. Verhärtungen und Abschottungen bereiten mir Sorgen. Ich halte es für eine Bürgerpflicht, Stellung zu beziehen, wenn es darum geht, dass die freiheitliche Ordnung die Menschenrechte garantiert.
Nehmen Sie deshalb am Samstag auch am Podiumsgespräch teil? Die Situation, dass Kantonsschul-Lehrpersonen nicht als Grossräte amten dürfen, erachte ich als unhaltbar. Die Podiumsdiskussion soll die Innen- mit der politischen Aussensicht verknüpfen. Grossräte und Lehrpersonen diskutieren darüber, was in Zeiten von Ressourcenknappheit möglich ist und was nicht. Bei den Lehrpersonen macht sich aufgrund des Spardrucks eine Frustration breit, im Gegenzug stehen die Politiker unter finanziellem Druck. Die Frage lautet, wie viel Freiheit man der Wirtschaft geben kann und wie viel Solidarität man im System etablieren möchte. Bei der parlamentarischen Diskussion fehlt mir der Stolz auf unsere Gymnasien. Wir brauchen die Spitzenleute, die bei uns und später an der Universität und ETH ausgebildet werden.
Apropos Ausbilden: Haben Sie als Rektor noch Zeit fürs Unterrichten? Nein, ich musste mich entscheiden zwischen dem Unterrichten und dem Führen der Schule. Beidem wird man nicht gerecht. Weil mich die Gestaltungsmöglichkeiten als Rektor reizten, habe ich mich für Zweiteres entschieden und möchte zusammen mit verschiedene Teams, Arbeitsgruppen und Allianzen Ideen zum Fliegen bringen.
Welche Ideen?Beispielsweise die Gestaltung von Unterrichtsräumen und die dazugehörende Informatik. Oder Lösungen zur Frage, welche Unterrichtformen heute zeitgemäss und angebracht sind.
Haben Sie auch Ideen, wie man das Platzproblem der Kantonsschule lösen kann? Die neue Dreifachturnhalle, die uns ab 2018 zur Verfügung stehen soll, löst das Platzproblem im Sportbereich. Das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) rechnet ab diesem Zeitpunkt mit einer Kapazität von 55 Abteilungen an der Kantonsschule. Im Moment führen wir im ersten Halbjahr 50 Abteilungen und im zweiten Halbjahr 48 Abteilungen. Deshalb brauchen wir zusätzliche Schulräume. Es ist geplant, im Westflügel einen Neubau zu realisieren und den ursprünglichen Klosterzustand wieder herzustellen sowie den Kreuzgang zu entlasten. Bei der baulichen Erweiterung stellt sich die Frage, wie die neuen Schulräume gestaltet werden können.
Haben Sie konkrete Vorstellungen? Räume und Infrastruktur sollen so flexibel gestaltet werden, dass sie den individuellen Lernunterschieden gerecht werden. Die Räume beeinflussen das Unterrichtsgeschehen. Unsere heutigen, fixen Schulräume sind für den Frontalunterricht konzipiert. Die Lehrperson steht vorne an der Wandtafel und gibt Frontalunterricht. Nichts gegen diese Unterrichtsart, sie funktioniert sehr gut und effizient. Es gibt aber heute auch andere Formen der Zusammenarbeit, die grössere oder anders aufgeteilte Räume brauchen. Das gilt auch für die Infrastruktur und Technik. Es ist sinnvoll, wenn der Beamer demokratisch angesteuert werden kann und nicht mehr nur mit dem Lehrercomputer verbunden ist. Dies, weil die Schüler häufig ihren Laptop im Unterricht einsetzen. Trotz gesellschaftlicher und vor allem technischer Veränderung ist die Bildung heute immer noch wie zu Zeiten der Industrialisierung organisiert, wo alles auf den Zeitplan der Produktion ausgerichtet war. Bei einem Lernprozess hat man es jedoch mit zutiefst menschlichen Vorgängen zu tun. Diese zu industrialisieren, ist grundverkehrt.
Wie wollen Sie Ihre Ideen in Wettingen umsetzen? Wir wollen keine Revolution anzetteln, sondern eine grösstmögliche Flexibilität erhalten. Wir möchten, dass Räume und Informatiksysteme so flexibel gestaltet werden, dass sie für verschiedene Unterricht- und Zusammenarbeitsarten gebraucht werden können. Beispielsweise, indem Wände verschoben werden können. Kantonsschule, Cafe- teria Löwenscheune, 3. September, 10.30–12Uhr, Podiumsdiskussion «Wie viel Schule wollen wir uns leisten?».