Mehr Kompetenz für Einwohnerrat
Wettingen will die Gemeindeordnung und das Geschäftsreglement des Einwohnerrates modernisieren.

Braucht Wettingen nur noch eine Finanzkommission statt wie heute eine Finanzkommission (FiKo) und eine Geschäftsprüfungskommission (GPK)? Soll der Einwohnerrat mehr Budgetkompetenz erhalten? Soll der Landerwerbskredit des Gemeinderates erhöht werden? Soll das Gemeindeparlament 50 oder 40 Mitglieder zählen? Und soll der Gemeinderat fünf oder sieben Mitglieder haben? Diese und weitere Fragen sollen in der neuen Gemeindeordnung und im neuen Geschäftsreglement des Einwohnerrates beantwortet werden. Bis die Antworten definitiv vorliegen, wird es aber noch dauern. Als Erster wird der Einwohnerrat am 19. November darüber beraten. Die Stimmberechtigten sollen am 7. März 2021 über die Gemeindeordnung entscheiden. Beide Regelwerke sollen ab 1. Juni 2021 gelten.
Die geltende Gemeindeordnung stammt aus dem Jahre 2003 und umfasst 45 Paragrafen. Damit unterscheidet sie sich schon umfangmässig von der vorgeschlagenen Fassung mit 14 Paragrafen. «Vieles ist heute an anderen Orten wie dem kantonalen Gemeindegesetz geregelt, deshalb können wir darauf verzichten», sagt Gemeindeammann Roland Kuster. Verschiedene Kompetenzen des Parlamentes sollen von der Gemeindeordnung in das Geschäftsreglement überführt werden.
Vor drei Jahren begannen die ersten Gespräche über eine neue Gemeindeordnung. «Die Fraktionen haben den Gemeinderat aufgefordert, das Thema an die Hand zu nehmen», sagt Kuster. Der Gemeinderat setzte eine Begleitkommission ein, die das gesamte Regelwerk kritisch unter die Lupe nahm. Elf Sitzungen und zwei Lesungen jeweils mit Stellungnahmen der Körperschaften waren nötig, um den vorliegenden Entwurf zu erarbeiten. Er umfasst neben den Vorschlägen des Gemeinderates teilweise abweichende Vorschläge der Begleitkommission. Es wird am Einwohnerrat liegen, die definitive Variante festzulegen.
Einwohnerrat stärken und Kompetenzen wahren
«Wir wollen den Einwohnerrat stärken, als gewählter Vertreter des Volkes soll er seine Kompetenzen wahren», sagt Gemeindeammann Roland Kuster. Dies gilt unter anderem im Budgetbereich. Nach geltender Ordnung muss zu diesem auf jeden Fall eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Künftig soll dies nur noch der Fall sein, wenn eine Steuerfussveränderung vorgesehen ist. Bei gleichbleibendem Steuerfuss würde der Einwohnerrat abschliessend entscheiden. Ein fakultatives Referendum bleibt vorbehalten.
Diese Regelung gilt schon in den Einwohnerratsgemeinden Baden, Obersiggenthal, Windisch, Wohlen und Zofingen.
Mit der «Erklärung» soll ein neues politisches Mittel in den Ratsbetrieb aufgenommen werden, das sich in den letzten Jahren etabliert hat. Mit der Erklärung können sich Fraktionen oder einwohnerrätliche Kommissionen eingangs einer Parlamentssitzung zu Themen äussern, die nicht traktandiert sind. Eine Diskussion ist jedoch ausgeschlossen.
Der Landerwerbskredit erlaubt dem Gemeinderat, sehr schnell zu Gunsten der Gemeinde aktiv zu werden. Steht ein Grundstück zum Verkauf, das im Interesse der Gemeinde liegt, kann der Gemeinderat direkt ein Angebot abgeben und kaufen. Neu soll der Gesamtkredit auf sechs Millionen Franken erhöht werden. Damit reagiert die Gemeinde auf die seit 2003 um rund 50 Prozent gestiegenen Preise.
Wie viele Mitglieder sollen Gemeinde- und Einwohnerrat haben?
Diese Frage wird immer wieder aufgeworfen. Hier möchten sowohl Gemeinderat wie Begleitkommission am bisherigen Modell festhalten. Der Gemeinderat soll 7 Mitglieder, der Einwohnerrat 50 zählen. «Sieben Gemeinderatsmitglieder dürften für unsere Gemeindegrösse die beste Lösung sein», sagt Kuster. Er kann sich dabei auch auf den Organisationsleitfaden des kantonalen Departements Volkswirtschaft und Inneres (DVI) abstützen. Zum Gemeindeparlament sagt er: «Wir sind der Meinung, dass 50 Personen die politische Meinung der Bevölkerung besser repräsentieren als 40 Personen.» Die 50 Ratsmitglieder schliessen sich in der Regel in Fraktionen zusammen, wobei die meisten Fraktionen aus einer Partei bestehen. Eine Fraktion muss mindestens 4 Mitglieder zählen.
Die Sitzungen des Einwohnerrates sind öffentlich. Je nach Geschäft ist die Galerie im Wettinger Rathaussaal ein sehr gut besuchter Ort. Zuschauen und zuhören ist problemlos, wer aber vom Ratsbetrieb Ton-, Bild- oder Filmaufnahmen machen will, muss vorher beim Ratsbüro um Erlaubnis fragen.
Im Paragrafen «Behörden und Kommissionen» beantwortet der Vorschlag der Gemeindeordnung auch eine Frage, die in vielen Gemeinden gestellt wird: Welchen Titel trägt die Person an der Spitze des Gemeinderates? In Wettingen soll es weiterhin ein Gemeindeammann und nicht ein Gemeindepräsident sein. Spreitenbach und andere Aargauer Gemeinden haben zum Titel Gemeindepräsident gewechselt.