«Man muss schon dafür gemacht sein»

Seit Anfang Februar hat der Kanton Aargau ein flächendeckendes First-Responder-System. Christian Bassler von der Sanität Wettingen-Limmattal gehört zu diesen Erstrettern.

Christian Bassler ist bereits seit zehn Jahren First Responder bei der Sanität Wettingen-Limmattal. Irene Hung-König

Rund 8000 Personen in der Schweiz erleiden jedes Jahr einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Um die Überlebenschance zu erhöhen, ist qualifizierte Hilfe innert weniger Minuten unerlässlich. Nur die wenigsten Patientinnen und Patienten können vom Rettungsdienst innert fünf Minuten erreicht werden. Aus diesem Grund kommen seit Anfang Februar auch im Aargau Erstantwortende, sogenannte First Responder, zum Einsatz.

Eine der Vorreiterinnen in diesem Bereich ist die Sanität Wettingen-Limmattal. Bereits seit 10 Jahren rückt sie mit ihren First Respondern zu Notfällen aus. Vereinspräsident Christian Bassler ist einer von ihnen. Der 46-Jährige ist von der Notwendigkeit und der Wirksamkeit dieser Helferinnen und Helfer überzeugt: «Wir können jedes Jahr ein Leben retten. Es gibt eben auch Einsätze, da dies nicht mehr gelingt. Aber wenn beispielsweise ein Kind am Ersticken ist oder ein Kind einen Krampfanfall hat – was zwar schlimm aussieht –, da können wir helfen.»

«Man darf jederzeit aufhören»

Doch wie sieht es in einem aus nach einem solchen Einsatz? «Man muss schon dafür gemacht sein. Das tönt jetzt ganz besonders, aber es liegt nicht jedem Menschen», weiss Christian Bassler. Die Gefahr sei gross, wenn man aus Wettingen komme und hier aktiv sei, dass man jemanden Bekanntes retten muss. Dann kann es vorkommen, dass man bei einem Kollegen im Schlafzimmer steht, das ist nicht immer ganz einfach», erklärt er. Sie hätten auch viele First Responder aus den eigenen Reihen ausgebildet, nicht alle würden weitermachen, wenn sie sehen, wie es im Praktischen abläuft. «Man darf aber jederzeit aufhören.» Und wenn es während einer Notsituation nicht mehr stimme, könne man ebenfalls aus der Situation rausgehen – etwa, wenn es sich um ein Nachbarskind handle. «Unsere Leute müssen sich selber schützen.»

Neu können Einzelpersonen helfen

Bislang zählten die First Responder der Sanität Wettingen-Limmattal pro Jahr zwischen 40 und 70 Einsätze. «Mit dem alten System war es so, dass wir nur alarmiert wurden, wenn das zuständige Team des Kantonsspitals Baden nicht zugegen war. Jetzt errechnet das System automatisch, wo die nächste Ambulanz ist, und wenn wir schneller sind, dann werden wir alarmiert», erklärt der Vereinspräsident. Die First Responder werden bei den Stichworten «Bewusstlosigkeit», «lebloser Patient», «Brustschmerz» – der zielt auf den Herzinfarkt und den Kreislaufstillstand hin – und «Atemnot» aufgeboten. Während sich die Limmatwelle mit Christian Bassler unterhält, meldet sich die neue App ein erstes Mal. Rund 800 Meter vom Vereinslokal der Sanität gibt es einen Patienten mit Herz-Kreislauf-Beschwerden. Christian Bassler tippt an, dass er nicht zur Verfügung steht. So sucht das System einen anderen First Responder.

Die First Responder braucht es auch, weil die Einsatzzahlen der Rettungsdienste massiv in die Höhe gestiegen sind. «Die 144 wird viel öfter gewählt. Das führt dazu, dass die Ambulanzen stark ausgelastet sind. Deshalb ist es wichtig, zu überbrücken. Auch wenn die Ambulanz des Kantonsspitals Baden sehr schnell da ist, pro Minute, in der ein Patienten mit einem Kreislaufstillstand nicht reanimiert wird, sinkt die Überlebenschance um 10 Prozent. Das heisst, man muss innerhalb von 10 Minuten dort sein. Deshalb ist es gut, dass unsere Leute durchschnittlich in 3 Minuten und 21 Sekunden beim Patienten sind.

Zweimal jährlich Training

Man muss den BLS-AED-Komplettkurs absolvieren und eine Infoveranstaltung des Kantons besuchen, dann kann man App runterladen und los geht’s. «Wir empfehlen unseren Mitgliedern einen weiteren Kurs, da wir unter anderem auch mit Sauerstoff arbeiten. Ich finde es super, dass das Angebot niederschwellig ist. Trotzdem: Nur weil ich einen vierstündigen Kurs gemacht habe, dann stehe ich plötzlich in einem Schlafzimmer und muss dies in echt machen», sagt Christian Bassler, der sich seit 32 Jahren für die Sanität Wettingen-Limmattal einsetzt. «Wir in der Gruppe haben zweimal jährlich Training. Doch jetzt können auch Einzelpersonen mitmachen, die einen vierstündigen Kurs absolviert haben. Zuvor musste man Vereinsmitglied sein.»

First Responder ist kein neues Thema, im Tessin gibt es die schon seit 30 Jahren, in anderen Kantonen ebenfalls schon länger. Die Sanität Wettingen-Limmattal stellte ein Konzept zu First Responder zusammen und wurde vor 10 Jahren aufgrund einer Interpellation im Wettinger Einwohnerrat angefragt, wie man da vorgehen könne. Mit dem Konzept wurde First Responder in Wettingen schliesslich zum 50-Jahr-Jubiläum der Sanität lanciert.

Wie wird man First Responder?

Seit dem 1. Februar hat der Kanton Aargau ein flächendeckendes First-Responder-System. Alle Interessierten können die Informationsveranstaltung des Kantons besuchen, danach muss man einen BLS-AED-SRC-Kurs für lebensrettende Sofortmassnahmen absolvieren und sich auf der App «Momentum» registrieren. Diese kann in den App-Stores von Google und Apple gratis unter «First Responder Aargau» heruntergeladen werden. Die Entscheidung und die Verantwortung für die Alarmierung der First Responder obliegen der Sanitätsnotrufzentrale SNZ 144.

Sobald man in der App zugelassen wird, erhält man bei den Stichworten «Bewusstlosigkeit» und «leblos» einen Alarm, wenn man sich in der Nähe des Einsatzes befindet. Mit dem Material, welches vom Kanton zur Verfügung gestellt wird, rückt man zum Patienten aus und leistet Erste Hilfe, bis der Rettungsdienst eintrifft.

Die Sanität Wettingen-Limmattal hat seit zehn Jahren eine First-Responder-Gruppe. «In dieser Zeit konnten wir schon einigen Patienten das Leben retten, schon nur im Jahr 2023 konnten wir zwei Personen erfolgreich reanimieren. Auch bei Personen, die nicht leblos waren, konnten die First Responder Wettingen Hilfe leisten bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes», führt Vizepräsidentin Anita Peter aus. Im Jahr 2023 waren es 31 First-Responder-Einsätze. Die First-Responder-Gruppe Wettingen wird trotz des neuen flächendeckenden Systems bestehen bleiben und weiterhin bei den folgenden vier Stichworten (bewusstlos, leblos, Brustschmerz und Atemnot) zum Einsatz kommen. Die Mitglieder der First-Responder-Gruppe Wettingen haben ihren Einsatzrucksack ausgestattet mit Sauerstoff, einem automatischen externen Defibrillator, Verbandmaterial, die Gruppe trainiert mehrmals im Jahr gemeinsam und hat regelmässige Weiterbildungen. Wer in Wettingen wohnt und/oder arbeitet, darf sich gerne auch der First-Responder-Gruppe der Sanität Wettingen-Limmattal anschliessen. (ihk)

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