Kälter und distanzierter bestatten

Bestatter Sandro Güntert setzt sich dafür ein, dass Angehörige sich richtig von Coronaverstorbenen verabschieden können.

Bestatter Sandro Güntert desinfiziert den Raum nach jedem Covid-Verstorbenen. (Bild: Sandra Ardizzone)
Bestatter Sandro Güntert desinfiziert den Raum nach jedem Covid-Verstorbenen. (Bild: Sandra Ardizzone)

Sandro Güntert und sein Team des Bestattungsdiensts Badener Bestattungen in Wettingen kümmern sich um die letzte Reise von Verstorbenen. Sie begleiten sie und die Angehörigen auf dem Weg des Abschieds. Aufgrund der Pandemie ist dieser jedoch mit einigen Hürden verbunden. «Der Tod ist ein emotionales Thema. Die Mimik oder ein Händedruck kann Hinterbliebenen Kraft und Wärme in dieser kalten Zeit spenden. Doch mit einer Maske im Gesicht und Abstandsgebot ist das nicht möglich», sagt Güntert. Kleine Gesten, die viel ausmachen würden, fehlen. «Die Pandemie macht unsere Arbeit eine Spur kälter und distanzierter. Das ist sehr schade und tut uns vor allem für die Angehörigen leid», sagt der Geschäftsleiter.

Die Pflege von Personen, die an Corona verstorben sind, ist deutlich aufwendiger. «Es braucht doppelt bis dreifach so viel Zeit, weil wir uns jeden Handgriff zweimal überlegen müssen», sagt der 36-Jährige. Güntert und die anderen Bestatter arbeiten dann in Schutzanzügen. Masken und Schutzhandschuhe gehörten bereits vor der Pandemie zur normalen Ausrüstung. Eine Maske müssen die Bestatter auch den verstorbenen Covid-Patienten anziehen. Zudem werden der ganze Raum und alle Instrumente danach gereinigt und desinfiziert.

Aufbahrungen sind nur selten möglich

Das passiert auch nach einer Aufbahrung. In einem Raum des Bestattungsdienstes an der Etzelstrasse 13 in Wettingen können Angehörige von ihren Liebsten Abschied nehmen. Badener Bestattungen ist eines von wenigen Bestattungsunternehmen in der Region, die derzeit Aufbahrungen von Corona-Verstorbenen ermöglichen. «Die Aufbahrungsräume im Krematorium Liebenfels in Baden sind seit März 2020 geschlossen. Im Spital und auf den Friedhöfen ist es derzeit ebenso nicht gestattet», sagt Güntert. Dass die Familie den Verstorbenen nochmals sehen könne, sei für den Trauerprozess wichtig. «Der Kontakt und der Besuch zu Coronapatienten im Spital oder im Altersheim war für die Angehörigen bereits vor dem Tod begrenzt. Sie sollen wenigstens in diesem Rahmen die Chance haben, auf Wiedersehen zu sagen.» Als Angehöriger könne man sich nur einmal verabschieden, eine Beerdigung könne nicht einfach rückgängig gemacht oder wiederholt werden, so Güntert. Daher sei dieser Moment von grosser Bedeutung. Nichtsdestotrotz müssen gewisse Regeln eingehalten werden. Die Angehörigen dürfen den Verstorbenen nicht mehr berühren, eine Plexiglasscheibe trennt ihn von den Hinterbliebenen.

Güntert bemerkt seit der Coronakrise einen Rückgang der Teilnehmerzahl an Beerdigungen. «Im ersten Lockdown war die Zahl auf fünf Personen beschränkt. Nun, während der zweiten Welle, wären 50 Personen zugelassen, doch die wenigsten Begräbnisse zählen so viele Leute.»

Eine Übersterblichkeit wegen Corona stellt er nicht fest

Viele Menschen, vor allem ältere, verzichten darauf, an Beerdigungen zu gehen. Sie würden sich unwohl fühlen und hätten Angst vor einer Ansteckung. «Das ist das Schlimmste, was diese Pandemie bewirkt. Sie führt dazu, dass Menschen Angst vor Menschen haben. Das ist schon bedenklich», findet Güntert. Eine Übersterblichkeit, von der in den Medien vielfach die Rede sei, nehme er nicht wahr. «Wir müssen keine Lastwagen voller Särge bestellen und hatten nie einen Engpass», betont Güntert. Bis Ende Oktober 2020 seien die Coronaverstorbenen nicht ins Gewicht gefallen. Erst ab November 2020, als das Virus einige Altersheime in der Region traf, sei es zu einem Anstieg gekommen.

In der Regel kümmert sich der Bestattungsdienst um 30 bis 40 Verstorbene pro Monat. «Im November pflegten wir einen Drittel Verstorbene mehr als gewöhnlich und im Dezember verdoppelte sich die Zahl auf über 60.» Das habe keinen Einfluss auf das ganze Jahr, vor allem weil die anderen Monate ruhiger gewesen seien als sonst, sagt Güntert.

Arbeits- und Freizeitunfälle haben stark abgenommen

Ein Phänomen der Pandemie sei nämlich, dass tödliche Arbeits- sowie Freizeit- und Sportunfälle stark abgenommen hätten. «Aufgrund der Homeoffice-Pflicht und der tieferen Risikobereitschaft verzeichnen wir praktisch keine solchen Todesursachen mehr.» Und auch Todesfälle aufgrund der normalen Grippe gebe es nur sehr selten. «Den Menschen scheint es gesundheitlich besser zu gehen, doch zu welchem Preis?», fragt sich Güntert. Das soziale Leben verkümmere, viele Menschen, vor allem Jugendliche und Senioren, fühlten sich einsam.

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