Ist der günstigere Pass für Junge machbar?
Die Idee: keine Einbürgerungsgebühren auf Gemeindeebene für Menschen unter 25. Die Umsetzung: schwierig.

Wer unter 25 ist und sich in Wettingen einbürgern möchte, soll den Schweizer Pass in Zukunft günstiger erhalten. Das ist die Vision von Mia Gujer (SP) und Andreas Leuppi (Wettigrüen), die im Einwohnerrat eine entsprechende Motion eingereicht haben.
Mit einer Annahme würde Wettingen in die Fussstapfen der Stadt Zürich oder Luzern treten, die die Einbürgerungsgebühren für junge Menschen ganz abgeschafft haben. Im Kanton Aargau dürfte dieses Anliegen nicht so einfach umsetzbar sein.
Dazu ein Blick auf die Bürokratie hinter der Einbürgerung: In der Schweiz gilt ein dreistufiges Bürgerrecht: Man ist Bürger oder Bürgerin der Schweiz, des Kantons und der Gemeinde – auf all diesen Ebenen fallen Einbürgerungsgebühren an. Der Bund überlässt dem Kanton die Höhe der kantonalen Gebühren sowie die Entscheidung, wie dieser das auf kommunaler Ebene regeln möchte. Im Kanton Zürich etwa ist die Höhe der Gebühren an die einzelnen Gemeinden delegiert. Das heisst: Je nach Gemeinde fallen unterschiedliche Gebühren an. Im Kanton Aargau wiederum ist das anders geregelt. Der Regierungsrat hat entschieden, dass in allen Gemeinden der gleiche Betrag zu entrichten ist: 1500 Franken. Das gilt also auch für Wettingen.
«Erhebliche Schwierigkeiten» bei der Umsetzung möglich
Es stellt sich deshalb die Frage, ob ein Gebührenerlass per Motion überhaupt juristisch möglich ist. Andreas Bamert-Rizzo, Leiter Abteilung Register und Personenstand des Kantons Aargau, antwortet mit Skepsis. Man würde bei diesem Unterfangen wohl auf «erhebliche Schwierigkeiten» stossen. Ein Gebührenerlass sei nur in Einzelfällen möglich, zum Beispiel bei Menschen in schwierigen finanziellen Verhältnissen. Da es in der Natur des Einzelfalls liegt, einzeln überprüft werden zu müssen, sei es auch nicht möglich, Einzelfälle zu generalisieren.
Mia Gujer (SP) hält trotz dieser juristischen Schwierigkeit an ihrer Motion fest, man habe das bereits diskutiert. Die Gemeinde könne die Gebühren zwar vielleicht nicht erlassen, sie könne aber beschliessen, sie zu übernehmen. Statt mit Gebührenausfällen zu rechnen, wäre also ein eigener Budgetposten dafür nötig. Das heisst, die Gemeinde würde sich die Gebühren selber zahlen.
«Vom Inhalt her spielt das eigentlich keine Rolle», sagt Gujer, am Ende käme man zum selben Ergebnis. «Wir haben in der Motion nicht festgeschrieben, wie das genau ablaufen, sondern nur, dass der Gemeindebetrag am Ende wegfallen soll. Weil Wettingen eine Gemeinde sein soll, die es begrüsst, dass man sich einbürgern und Teil des politischen Geschehens sein möchte.» Gujer weiter: «Diese Motion würde den Jungen in der Gemeinde etwas bringen und wäre ein Zeichen. Viele Ortsparteien beschweren sich darüber, dass sich Junge nicht für Politik engagieren. Dabei gibt es Leute, die das gerne würden, aber nicht können.»
Gujer: Keine Aushebelung des kantonalen Gesetzes
Mia Gujer sagt, es sei immer noch Sache der Gemeinde, wie und wofür sie ihr Geld ausgeben wolle. Sie sieht in ihrer Idee keine Aushebelung oder Umgehung des kantonalen Gesetzes.
Bamert-Rizzo sieht die Sachlage weniger klar: Da es bisher keinen wirklich vergleichbaren Fall mit entsprechendem Gerichtsurteil gegeben habe, könne er weder bejahen noch verneinen, ob die Idee von Gujer bei allfälliger Annahme ein juristisches Nachspiel haben könnte.
In der Botschaft des Regierungsrats 2006 wurde festgehalten, dass die fixen Einbürgerungsgebühren pro Gemeinde «die Gefahr von willkürlich festgesetzten, hohen und gewinnorientierten Gebühren» ausräumen würde. Ein Erlass stünde damit der Vereinheitlichung zugrunde liegenden Idee nicht diametral gegenüber.
Bedenken, die Motion würde zu Ungleichheiten führen, räumt Gujer aus: «Das ist ein Anfang. Andere Gemeinden können nachziehen, das ist ja nicht verboten. Wettingen ist die zweitgrösste Gemeinde des Kantons. Wir haben die Möglichkeit, eine Pionierrolle zu spielen.»
Bei Konfrontation mit den Schwierigkeiten dieser Motion sagt Mia Gujer lachend: «Man findet immer eine Ausrede, um etwas nicht zu tun, da mache ich mir in Wettingen keine Sorgen.» Ihr sei klar, dass man sich in einer schiefen Finanzlage befinde, es könne aber nicht sein, dass sich die bürgerliche Seite ständig gegen Massnahmen wie die Steuerfusserhöhung wehre und gleichzeitig jede «sinnvolle, nachhaltige und zukunftsorientierte Idee» ablehne. Es sei schade, dass man alleine wegen des Finanzarguments im Rat gar nicht mehr arbeiten könne. «Es geht nicht, dass sich der Einwohnerrat selber handlungsunfähig macht», sagt Gujer.
Ob die Gemeinde Wettingen sich einen Gebührenausfall leisten kann, möchte die Verwaltung nicht kategorisch beantworten. «Es ist nicht eine Frage, ob verzichtbar, vernachlässigbar oder unverzichtbar», schreibt Gemeindeschreiber Urs Blickenstorfer. «Selbstverständlich ist die Einnahme nicht unerheblich und damit für den Rechnungsabschluss massgebend», sie könne aber nur auf der Grundlage von Vorjahreszahlen berücksichtigt werden. «Aber die Anzahl der Gesuche kann nicht verlässlich geplant werden», sagt Blickenstorfer. Gujer sieht den Budgetposten für Einbürgerungen als «kleinen Betrag».
Im Jahr 2020 wurden in Wettingen total 38 Einbürgerungsgesuche eingereicht, die insgesamt 50 Personen umfassen. Von der Motion betroffen wären davon 16 Einzelpersonen sowie 6 Kinder über 10 Jahre, die im Gesuch ihrer Eltern einbezogen seien. Die Kosten für ein Gesuch einer Einzelperson belaufen sich auf 1500 Franken, jene für einbezogene Kinder über 10 Jahren auf 750 Franken. Damit wären Wettingen im vergangenen Jahr 28500 Franken Reingebühren entgangen.