Er ist bekannt als Saurer-Paul

Paul Attiger packte das Fieber für Saurer-Lastwagen in seiner Kindheit. In den letzten 55 Jahren sammelte der Wettinger alles, was mit den Nutzfahrzeugen zu tun hat – sogar richtige Gefährte.

Im Saurer-Paradies: In Paul Attigers Hobbyraum stehen Lastwagen im Mittelpunkt. (Bild: Sibylle Egloff)

Im Saurer-Paradies: In Paul Attigers Hobbyraum stehen Lastwagen im Mittelpunkt. (Bild: Sibylle Egloff)

Fein säuberlich stehen Hunderte von Lastwagenmodellen in verschiedenen Farben in der schwarzen Vitrine. Es scheint beinahe Stau aufzukommen, so dicht gedrängt reihen sich die Miniaturgefährte aneinander. «Die habe ich alle von Hand zusammengesetzt und angemalt», sagt Paul Attiger. In seinen Hobbyraum kommen aber nicht irgendwelche Lastwagen. Der 67-Jährige ist bekennender Saurer-Lastwagen-Fan. Neben Miniaturmodellen und Figuren sammelte der Wettinger in den vergangenen 55 Jahren auch Werbeartikel, Fotos, technische Unterlagen und Prospekte rund um die Nutzfahrzeuge aus Arbon, die von 1903 bis 1986 von der Adolph Saurer AG hergestellt wurden.

Doch es blieb nicht nur bei der Kollektion zuhause. Attiger war so im Saurer-Fieber, dass er seinem VW-Käfer in den 1970er-Jahren eine selbst gebaute Saurer-Haube verpasste. «Meine Ausbildung als Carrosseriespengler kam mir dabei zugute», sagt Attiger und lacht. Das Auto war in Wettingen und der Region bald Kult und mit ihm auch sein Lenker. «Ich verdanke ihm meinen Übernamen ‹Saurer-Paul›. Noch heute gebe ich mich als diesen zu erkennen, wenn ich das Telefon abnehme.»

Als Achtjähriger begleitete er Lastwagenchauffeure

Seine Faszination für Lastwagen begann bereits im Kindergartenalter. «An schulfreien Tagen war ich immer auf den Baustellen, wo Lastwagen verkehrten, anzutreffen», erinnert sich Attiger. In den Schulferien durfte er mit den grossen Transportwagen der Firma Emil Schmid in Wettingen mitfahren. «Ich packte jeweils ein T-Shirt und ein paar Unterhosen in eine Tasche und reiste als Achtjähriger mit den Chauffeuren nach Dänemark, England, Deutschland und Frankreich», erzählt Attiger. Das habe früher problemlos geklappt. «An der Grenze fragte mich niemand nach meinem Ausweis. Das wäre heute unmöglich», sagt er und lacht. Die Erinnerungen an den Motorenlärm und den Geschmack des Öls in den Lastwagen würden ihn heute noch zum Schmunzeln bringen.

Als Erwachsener entwickelte sich die Vorliebe weiter. Er liess sich in der Rekrutenschule zum Motorfahrer ausbilden. «Natürlich, um mit einem Saurer fahren zu können. Die Firma stellte nämlich auch Militärfahrzeuge her», sagt Attiger. Er wurde Spengler und verband so seine Leidenschaft mit seinem Beruf. Über 30 Jahre lang arbeitete er für die Carrosserie Neuenhof nur mit Lastwagen, Cars und Linienbussen.

1982 entdeckte er eingangs Zürich Altstetten einen alten verrosteten Saurer CR 1D und erstand ihn. «Er war über und über mit Brombeeren bewachsen. Das Fahrzeug davon zu befreien und zu putzen, dauerte schon einen ganzen Tag», sagt Attiger. Für die Restaurierung nahm er sich noch mehr Zeit. «Acht bis zehn Jahre lang schraubte ich am Wochenende und in der Freizeit daran rum.» Seine Frau Brigitte war am Anfang gar nicht begeistert, als sie vom neuen Projekt ihres Mannes erfuhr. «Als er mit dem Schrotthaufen ankam, habe ich mir schon gedacht, dass er nun tatsächlich seinen Verstand verloren hat», sagt sie und beide lachen.

Vor zehn Jahren trennte er sichvon seinem Saurer-Lastwagen

Doch als sich das Gefährt langsam in einen schönen Saurer-Lastwagen verwandelte, liess sie die Zweifel hinter sich. Sie selbst teilt das Hobby mit ihrem Mann nicht, doch sie stand ihm niemals im Weg. Im Gegenteil: Viele Modelle, Fotos und Werbeartikel kaufte sie ihm. «Zu einem meiner Geburtstage organisierte sie mit unserer Tochter einen Motorsägekünstler, der vor mir ein Stück Holz zu einem Saurer-Lastwagen formte», sagt Attiger. Er habe es aber nie übertrieben mit seiner Leidenschaft. «Wenn es darum ging, Zeit mit der Familie zu verbringen, habe ich den Saurer-Lastwagen und den Hobbyraum links liegen gelassen.» Vor zehn Jahren trennte er sich vom eigenen Saurer-Lastwagen. «Er steht nun in Werner Gehrigs Sammlung in Rudolfstetten. Dort kann ich ihn immer besuchen.»

Über 30 Jahre lang pflegte Attiger zudem Kontakte zur Saurer-Produktionsstätte in Arbon. «Über Fronleichnam, wenn ich frei hatte, fuhr ich in die Saurer-Fabrik. Über all die Jahre konnte ich in den Werkhallen viele Freundschaften schliessen. Zudem war ich für die Erweiterung meiner Sammlung direkt an der Quelle», erzählt Attiger. Es war ein Schock für ihn, als er am 2. März 1982 in der Tagesschau vom Ende der Lastwagenproduktion am Bodensee vernahm. «Ich hätte nie damit gerechnet. Ich erhielt viele Anrufe. Die Leute wollten sich vergewissern, ob das auch wahr sei.»

Saurer-Paul begrub seine Faszination mit dem Ende der Fabrik nicht. Er sammelte weiter und fuhr jedes Jahr Ende August an die Saurer-Oldtimer-Treffen nach Sursee. Seit zwei Jahren ist er pensioniert und hat nun mehr Zeit, sich mit all den zahlreichen Saurer-Geschenken von Freunden und Familie zu beschäftigen. «Die Firma Saurer hat mich mein ganzes Leben begleitet und mir beruflich sowie privat Freude bereitet», sagt Attiger. Und das Lastwagenfieber hat nun auch die nächste Generation gepackt. Attiger blickt auf ein eingerahmtes Bild in seinem Hobbyraum. Es zeigt das Signet der Saurer-Lastwagen in blauer Farbe. «Das hat unser Enkel Janik als Fünfjähriger gezeichnet», sagt der Grossvater stolz. Wenn der Kleine einen Saurer-Lastwagen auf der Strasse sehe, mache er immer ein Foto davon. «Er zeigt es mir dann immer voller Freude und nervt seine Eltern damit. Die Saurer-Geschichte geht in meiner Familie also weiter.»

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