Einwohnerrat macht EWW zur AG
Mit Dreiviertelmehrheit sagte der Einwohnerrat deutlich Ja zur Rechtsformänderung des Elektrizitäts- und Wasserwerks Wettingen (EWW). Das letzte Wort wird das Volk in der Urnenabstimmung vom 5. Juni haben.

Aus der unselbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt soll nach dem Willen von Gemeinde- und Einwohnerrat eine selbstständi-ge privatrechtliche Aktiengesellschaft werden, die im vollständigen Eigentum der Einwohnergemeinde Wettingen bleiben wird. So soll diese «Perle» Wettingens fit gemacht werden für den rauen Strommarkt der Zukunft.
Die Position der Finanzkommission (Fiko), die mehrheitlich hinter dem gemeinderätlichen Antrag stand, vertrat Leo Scherer (WettiGrüen) – zwar contre cœur, aber fair, sachlich, souverän. Nach gründlicher Beratung sei man in Grundsatzfragen zu folgenden Schlüssen gekommen: 1. Ja, eine Aktiengesellschaft ist geeignet, um öffentliche Leistungen zu erbringen. Sie verfügt über die nötige Flexibilität, um auf Veränderungen rasch reagieren zu können. 2. Ja, das Risiko, ein Gemeindevermögen von 62 Millionen Franken in eine einzige Aktiengesellschaft zu geben, ist tragbar. Das Risiko sei weitgehend hypothetischer Natur, weil die involvierten Personen nicht gewillt seien, ein Risiko einzugehen. 3. Ja, die demokratische Kontrollmöglichkeit kann bewahrt werden, auch wenn es eine Kompetenz-verschiebung vom Einwohner- hin zum Gemeinderat gibt. Um die einwohnerrätliche Kontrolle nicht ganz aus der Hand zu geben, stellte die Fiko deshalb zwei Anträge: 1. Veräusserungen, deren Restbuchwert über 4 Millionen Franken betragen, müssen dem Einwohnerrat zum Entscheid vorgelegt werden; 2. Änderungen der Eigentümerstrategie sind dem Einwohnerrat zur Kenntnis zu bringen. Gemeinderat Roland Kuster meinte: «Wir können damit leben, wenn es dazu dient, ein zusätzliches Instrument des Vertrauens einzurichten.» Der Einwohnerrat hiess diese beiden Ergänzungen einstimmig gut.
Dem Grundsatz, wonach die Zukunftsfähigkeit des EWW in einem privatrechtlichen Rahmen zu finden ist, wollte die SP/WettiGrüen-Fraktion nicht folgen. Deren Präsidentin Lea Schmidmeister war der Meinung, eine Kompetenzanpassung sei in den heutigen Strukturen möglich: «Wir wollen bewahren, was sich bewährt hat.» Ihr Nichteintretens-Antrag fand aber nur in der eigenen Fraktion Unterstützung und wurde mit 34 zu 9 abgelehnt.
Holger Czerwenka (Forum 5430) sprach von einem «wohlaustarierten Paket», das breit abgestützt sei und einen Rahmen für die Zukunft bilde, ohne dass die Gemeinde die Fäden aus der Hand gebe: «Die Zukunft hat bereits angefangen.» Ruth Scheier (GLP) bezeichnete die Vorlage als «gut vorbereitet». Man könne immer der Meinung sein, es gebe noch eine bessere Variante. Aber letztlich sei nicht die Rechtsform entscheidend über Erfolg und Misserfolg, sondern die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter. Michaela Huser (SVP) beurteilte das Geschäft als «professionell ausgearbeitet». Sie warnte aber davor, die vorgesehene Dividendenausschüttung (zugunsten der Gemeinde) durch Gebührenerhöhungen erreichen zu wollen. Christian Pauli (FDP) konnte die Gretchenfrage von SP/WettiGrüen ebenso wenig teilen wie Jürg Rüfenacht (CVP), der die «besserwisserische Fundamentalkritik» anmassend empfand: «Wir haben Vertrauen in die Vertreter der Fiko, der Begleitkommission und des Gemeinderats.» Michael Merkli (BDP) hätte zwar lieber eine Holdingstruktur, um die einzelnen Teile des EWW besser zu schützen; aber auch so könne, «was erfolgreich war, noch besser gemacht werden».
Kuster betonte noch einmal: «Wir reden nicht von einer Privatisierung, sondern von einer Rechtsformänderung; 100 Prozent des EWW bleiben im Eigentum der Gemeinde.»
In der Detailberatung wurde das ganze Regelwerk für die Umsetzung der Rechtsformänderung diskutiert. Der Maximalbetrag für die vom Gemeinderat festzulegende Konzessionsgebühr wurde auf Antrag der Finanzkommission auf 2 Rappen/kWh (statt wie in der Vorlage 1 Rappen) erhöht (aktuell werden 0,85 Rappen erhoben); das lässt dem Gemeinderat in einem langfristigen Zeithorizont mehr Handlungsspielraum.
In der Schlussabstimmung sind diese Beschlüsse mit 32 zu 9 Stimmen, bei 2 Enthaltungen, zuhanden der Volksabstimmung bestätigt worden.