Der Schuldenberg gibt zu reden

Der Einwohnerrat äusserte sich zum Aufgaben- und Finanzplan 2022 bis 2032 der Gemeinde Wettingen. Die steigenden Schulden und die vorgesehenen Steuerfusserhöhungen lösen Kritik und Sorge aus.

Die Schuldenlast steigt in Wettingen bis 2032 in die Höhe.  Archiv
Die Schuldenlast steigt in Wettingen bis 2032 in die Höhe. Archiv

Es ist eine happige Zahl, die auf die Gemeinde Wettingen zukommt. Die Schulden sollen bis ins Jahr 2032 auf 210 Millionen Franken anwachsen, was eine Nettoschuld pro Einwohnerin und Einwohner von fast 9000 Franken bedeutet. Diese Prognose gibt der Gemeinderat im Aufgaben- und Finanzplan 2022 bis 2032 ab, den er am Donnerstag vor einer Woche dem Einwohnerrat vorlegte. Grund für den massiven Anstieg des Schuldenbergs sind vor allem die geplanten Investitionen für die Schulraumplanung 2040. Diese beinhaltet unter anderem einen Neubau eines Oberstufenzentrums für 76 Millionen Franken auf der Zirkuswiese.

Um das vorgeschriebene Haushaltgleichgewicht zu wahren, wird für 2023 eine Steuerfusserhöhung von 3 Prozentpunkten nötig. Das Wettinger Stimmvolk wird an der Urne am 27. November über einen Steuerfuss von 98 Prozent befinden.

Die Zahlen lösten an der Einwohnerratssitzung letzten Donnerstag Besorgnis und Kritik aus. «Der Aufgaben- und Finanzplan zeigt schonungslos auf, was wir schon lange hätten befürchten müssen. Es hat nie und wird nie eine Verschnaufpause nach der Tägi-Sanierung geben. Im Gegenteil stehen in den kommenden Jahren viel grössere Investitionen an», sagte Thomas Benz (Mitte) als Präsident der Finanzkommission. Um die Verschuldungshöhe einzuhalten, seien bis 2030 inklusive der geplanten Erhöhung für 2023 insgesamt 10 Steuerfussprozente nötig. «Der Traum ist also ausgeträumt, dass noch ein Millionen-Sparpotenzial entdeckt wird, das im Einwohnerrat oder in der Bevölkerung eine Mehrheit findet», sagte Benz.

Steuerfuss hätte nachTägi-Sanierung sinken sollen

«In einer Gemeinde zu leben, in der die Steuern zu Lebzeiten nur noch ansteigen, ist nicht attraktiv», kritisierte GLP-Parteipräsident Orun Palit. Er verwies auf die Vorlage zur Tägi-Sanierung. «Damals hat der Gemeinderat behauptet, dass der Steuerfuss nach den hohen Investitionstätigkeiten 2019 wieder sinken wird. Klar, dass bei dieser Prognose der Sanierung zugestimmt wurde.»

Die Schulraumplanung bis 2040 sei für viele ein Schock, sagte Palit. «Bis vor kurzem rechnete man damit, dass die neue Bezirksschule 12 Millionen Franken kostet, aber jetzt stehen plötzlich 200 Millionen Franken im Raum.» Er machte eine Drosselung des Bevölkerungswachstums beliebt und forderte eine Strategie, um steuerkräftige Personen nach Wettingen zu holen.

Der Finanzplan sorgte bei der FDP-Fraktion für tiefes Ein- und Ausatmen, wie Fraktionspräsidentin Judith Gähler verriet. «Die Bugwelle, die wir vor uns herschieben, ist besorgniserregend, man kann sagen erschlagend.» Gähler sprach die Auswirkungen der enormen Schuldenlast an. «Wir nehmen jedoch mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Schuldenlast auch die nächsten Generationen beschäftigen wird.» Die Fraktion werde sich auch künftig für eine hohe Qualität und den Werterhalt von Wettingen einsetzen. Doch: «Den Werteausbau, wenn er auf Kosten der nächsten Generation gehen soll, versuchen wir zu verhindern», sagte Gähler.

Mitte-Fraktionspräsident Christian Wasmer erklärte, dass die 9000 Franken Nettoschuld pro Kopf viel zu hoch seien. «Wir sollten uns eine Obergrenze von maximal 6000 Franken auferlegen.» Dies könne mit Sparen, Verzicht auf einzelne Investitionen und adäquaten Steuererhöhungen erreicht werden. «Bisher hat man es verpasst, den Schuldensprung steuerseitig abzufangen», sagte Wasmer. Für ungute Gefühle sorgte der Finanzplan bei der SVP-Fraktion. Einwohnerrat Daniel Notter machte auf vergangene Fehler aufmerksam: «Wir haben teilweise Vorlagen erhalten, bei denen die finanziellen Folgen nicht klar waren.» Die SVP habe stets mitgeteilt, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen seien. «Die Vergangenheit zeigt, dass die Steuererhöhungen nicht für das eingesetzt wurden, für was sie gedacht waren», sagte Notter.

Folgen der Investitionen wurden ausgeblendet

Weniger kritisch äusserte sich die Fraktion SP-WettiGrüen. Sie zeigte sich erfreut über den neuen Aufgaben- und Finanzplan. «Nun wird ehrlich aufgezeigt, dass wir seit 20 Jahren eine Finanzpolitik pflegen, bei der wir ständig investieren, während wir auf der Einnahmeseite so tun, als ob das keine Folgen hätte», sagte Einwohnerrat Leo Scherer. In den kommenden zehn Jahren würden weitere Investitionen in den Strassenunterhalt, in den Hochwasserschutz und in die Bereitstellung von Schulraum notwendig. Das sei kein Luxus. Die Fraktion SP-WettiGrüen unterstütze, dass endlich mit dem Steuerfuss nachgefahren werde. «Wir können nicht einfach bestellen und am Schluss die Rechnung nicht bezahlen», betonte Scherer.

Zum Schluss äusserte sich auch Finanzvorstand Markus Maibach (SP). Er begreife den Aufschrei, sagte aber: «Ich möchte daran erinnern, dass die Finanzplanung eine rollende Planung ist und immer Änderungen beinhaltet.» Der Einwohnerrat habe den Gemeinderat aus gutem Grund dazu gezwungen, eine langfristige Schulraumplanung anzugehen. Dafür müsse bereits früh investiert werden, so Maibach und verwies auf die Tatsache, dass das Parlament die Bezirksschulerweiterung von 12,6 Millionen Franken vor einem Jahr bachab geschickt hatte.

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