Das EWW soll als Aktiengesellschaft eine Perle bleiben
Der Gemeinderat will das Elektrizitäts- und Wasserwerk mit einer Rechtsformänderung fit halten für die Zukunft.

Das Elektrizitäts- und Wasserwerk Wettingen (EWW) ist heute als Verwaltungsabteilung der Gemeinde ein unselbstständiger öffentlich-rechtlicher Betrieb. «Wenn das EWW auf dem künftigen Markt bestehen soll, kann es nicht unselbstständig bleiben», sagt Gemeindeammann Markus Dieth. Der Gemeinderat will deshalb die Rechtsform den veränderten Rahmenbedingungen anpassen und das EWW zu einer gemeindeeigenen Aktiengesellschaft machen. Damit erhält es mehr unternehmerischen Spielraum, ohne dass die Gemeinde die Fäden aus der Hand gibt. «Dieses Geschäft», so Dieth, «ist strategisch für die ganze Gemeinde bedeutend.» Das Ziel sei es, weiterhin eine gute Energie- und Wasserversorgung anbieten zu können – und dies zu bestmöglichen Konditionen.
Verschiedene Faktoren wie zunehmender Wettbewerb, verschärfte Regulierung, Energiewende und technischer Fortschritt verändern den Energiemarkt fundamental. Schon heute können Grosskunden ihren Strom bei einem beliebigen Anbieter beziehen. Weitere Liberalisierungsschritte sehen vor, dass dies für alle Kunden möglich wird. «Um als eigenständiger Grundversorger für Wettingen bestehen zu können, braucht das EWW gleich lange Spiesse wie andere Stadt- und Gemeindewerke», betont Gemeinderat und Ressortvorsteher Roland Kuster. Von den grössten zehn Stadt- und Gemeindewerken des Kantons Aargau sind ausser Wettingen und Spreitenbach alle als Aktiengesellschaft organisiert.
EWW-Geschäftsleiter Peter Wiederkehr schildert eindrücklich, wie sich der Stromhandel ganz konkret verändert hat. Während im regulierten Markt die lokalen Elektrizitätswerke den Strom beim Aargauischen Elektrizitätswerk zu festgelegten Tarifen einkaufen mussten, wird der Strom heute an der Börse gehandelt: «Die Angebote sind in der Regel nur zwei Stunden gültig», so Wiederkehr. Man muss schnell handeln können. Dieser Rhythmus verträgt sich schlecht mit den aktuell trägen Strukturen des EWW: «Sie hemmen», so Kuster, «die Entwicklung dieses KMU.» Es erzielt einen Umsatz von 20 Millionen Franken und beschäftigt über 30 Mitarbeiter. Für diese soll sich ausser dem Status nichts ändern: Sie werden von Verwaltungsangestellten zu Angestellten der EWW AG und erhalten für zwei Jahre eine Besitzstandsgarantie.
In einer – auch politisch – breit abgestützten Projektorganisation wurden, so Kuster, verschiedene Rechtsformen geprüft: «Die Aktiengesellschaft erwies sich als die richtige.» Eine sinnvolle Alternative gebe es nicht. Alles beim Alten zu lassen, wäre, so Dieth, ganz abgesehen davon, dass ohnehin zahlreiche rechtliche Anpassungen vorgenommen werden müssten, eine schlechte Option: «Dann hätte ich Angst um unser EWW.» Kuster ergänzt: «Das EWW ist eine Perle für Wettingen und genügend gross, um es nicht als Spielball den Grossen zu überlassen.»
Die neue Aktiengesellschaft wird die bisherigen drei Geschäftsfelder weiterführen: das Elektrofachgeschäft, die Elektrizitäts- und Wasserversorgung. Ausserdem wird sie im Auftrag der Gemeinde weiterhin die öffentliche Beleuchtung und die öffentlichen Brunnen betreiben.
Auch als AG bleibt das EWW zu 100Prozent im Eigentum der Gemeinde – und damit auch alle Anlagen der Wasser- und Energieversorgung. Es ist, im Gegensatz zur «Verselbstständigungs»-Vorlage von 2002 kein Thema, Teile des EWW an private Dritte zu veräussern. «Ohne Zustimmung des Stimmvolks wird keine einzige Aktie verkauft», sagt Kuster. Stärker in die Verantwortung gezogen wird der Gemeinderat: Er legt unter anderem die Eigentümerstrategie fest und wählt den Verwaltungsrat. Der Einwohnerrat wird zwar keinen direkten Einfluss mehr nehmen können auf Budget oder Investitionen; mit seinen demokratischen Mitteln kann er aber jederzeit korrigierend einwirken.
Die Eröffnungsbilanz sieht Aktiven und Passiven von 70 Millionen Franken vor. Das Aktienkapital soll 5 Millionen Franken betragen. Der Gemeinde erschliessen sich so zusätzlich zu den schon bisher fliessenden Konzessionsabgaben (800000 Franken) neue Erträge in Form von Dividenden (300000 Franken) und Steuern (20000 Franken).