Auf Gold folgt Silber
Am 2. April letztes Jahr eröffnete «un-heilig». Die erfolgreiche Ausstellung wurde verlängert und Marc Philip Seidel wurde für sein Plakat von einer internationalen Jury mit einem renommierten Preis gewürdigt.
Das Museum Eduard Spörri ist aus Wettingen nicht wegzudenken. Das kleine Kunstmuseum und die Stiftung im Hintergrund machen es sich zur Aufgabe, den künstlerischen Nachlass Spörris zu erhalten und die Freude an der Kunst zu wecken. Mit dem eingefleischten Wettinger Stiftungsratspräsidenten René Bosshard und Kurator Dr. Marc Philip Seidel wird der Betrieb erfolgreich geführt. Sehr erfolgreich. Mit den von ihm gestalteten Plakaten für die Ausstellungen «freidimensional’21» und «un-heilig» holte Seidel in New York einen Silver und einen Gold Award, nun erhielt Letzteres an den Architecture & Design Collection Awards gar noch Silber. Das kleine Kunsthaus in Wettingen zeigt so auf der Weltbühne ganz grosses Format. Seidel, der auch das Ikonenmuseum in Lenzburg leitet, freue sich sehr darüber. Wird er bald selbst zur Ikone? Seidel muss lachen und erklärt: «Der Ehrgeiz hat mich schon gepackt. Aber es geht mir dabei stets um Spörris Kunst, nicht um meine Plakate.» Präsident Bosshard sieht die Preise als grosse Wertschätzung: «Es ist ein wunderbares Zeichen, dass auch kleine Museen und Sammlungen mit solchen Anerkennungen punkten können. Es ehrt uns sehr.»
Wer hat noch nicht – wer will noch mal
Die Ausstellung wäre eigentlich bereits fertig. Doch aufgrund ihrer Beleibtheit wird sie bis Juni verlängert. Denn das Thema spricht an. Themen rund um Heiligkeit polarisieren und sind mit Tabus behaftet. Umso spannender also, dass sich das kleine Kunstmuseum Eduard Spörri in Wettingen zum 15-Jahr-Jubiläum der Stiftung diesem Themenfeld mit einer vielfältigen und ansprechenden Ausstellung annäherte. «Wir durften überaus positive Rückmeldungen entgegennehmen», meint Stiftungspräsident René Bosshard. Scheinbar trifft das Museum mit dem Ausstellungstitel «un-heilig» den Nerv der Zeit. In der Ausstellung zu sehen sind Skulpturen und Bilder der letzten rund 100 Jahre: Kunstwerke von Eduard Spörri, Walter Huser und Erwin Rehmann werden mit Werken zeitgenössischer Kunstschaffender ergänzt. Dabei sind auf zwei Etagen Heiligenfiguren, Grabmalskizzen und -studien mit ernsthaftem Anspruch den frischen, jungen Arbeiten ohne Moralpredigt gegenübergestellt.
«un-heilig» hinterfragt Vorstellungen von Heiligkeit und wirft Fragen auf wie: «Was ist mir denn noch heilig?», «Was ist uns ein Menschenleben wert?», «Welche Botschaft wird vermittelt, wenn Regierungen ihre Schwüre brechen und Fake News die Wahrheit vertuschen?» «Das sind Fragen, die uns alle direkt betreffen», meint Marc Philip Seidel. «Verbotene Kreuze im Schulzimmer oder auf dem T-Shirt, zerstörte Buddha-Statuen in Afghanistan oder missachtete Menschenrechte, das sind leider ganz aktuelle Themen, die dringend Dialoge fordern.»
Strahlender Heiligenschein mit Schattenwurf
«Das Plakat soll zur Reflexion über unsere Vorstellung von heilig und unheilig einladen», erklärt Seidel. Die Wortspielerei des Ausstellungstitels «un-heilig» lädt dabei mit einem Augenzwinkern zum positiven Zugang zu einem tabuisierten Thema ein und eröffnet «auf Augenhöhe» wertschätzend den wechselseitigen Diskurs. Der strahlende Nimbus ist ein Attribut von Heiligen und ihr kleinster minimaler Nenner. Für das Plakat hat man ein silber-metallisches Posterpapier gewählt. Durch diesen Effekt erstrahlt der Nimbus bei Sonnenlicht und überrascht. Erst beim zweiten Hingucken fällt dessen Schattenwurf auf. «Ein subtiler wertneutraler Humor, das gefällt mir», meint Seidel. «Licht und Schatten liegen so nah beieinander, ebenso Wahrheit und Fake, heilig und un-heilig! Solch ernsthafte Themen lassen sich durch eine gesunde Prize Humor wertschätzend angehen», meint Seidel. «Letztlich steckt in dieser Gegenüberstellung eine ganze Kulturgeschichte, die uns alle angeht.» (LiWe/zVg)