In Zürich: Zwei Wettingerinnen setzen ein Zeichen gegen Rassismus

Isabel Suter und Isabelle Schmocker aus Wettingen protestierten mit über 10000 anderen gegen die Diskriminierung Schwarzer am «Black Lives Matter»-Umzug.

Zeigen sich solidarisch: Isabel Suter (links) und Isabelle Schmocker aus Wettingen kämpfen an der Demonstration in Zürich gegen Diskriminierung. zVg/Vincenzo Miano

Zeigen sich solidarisch: Isabel Suter (links) und Isabelle Schmocker aus Wettingen kämpfen an der Demonstration in Zürich gegen Diskriminierung. zVg/Vincenzo Miano

Ab dem Bahnhof Dietikon füllt sich der Zug mit schwarz gekleideten Personen, Plakatschilder werden unter den Sitzen verstaut, Jugendliche verteilen schwarze Masken unter ihren Freunden. Isabel Suter und Isabelle Schmocker sind bereits in Wettingen eingestiegen. Die beiden Frauen nehmen, wie viele Fahrgäste, an der «Black Lives Matter»-Demonstration am vergangenen Samstag in Zürich teil. Gespannt sind die Wettingerinnen, wie viele Menschen sich auf dem Sechseläutenplatz einfinden werden. Bereits beim Verlassen des Zugs am Bahnhof Stadelhofen wird klar: eine Menge. 
Weit über 10000 Personen demonstrierten am Samstag in Zürich gegen die Diskriminierung dunkelhäutiger Menschen, wie die Stadtpolizei meldet. Damit zählt der Anlass derzeit zu den grössten in der Schweiz, seitdem die Proteste vor rund zwei Wochen als Reaktion auf den gewaltvollen Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis hierzulande starteten. Organisiert wurde die Demonstration von «Black Lives Matter»-Aktivisten, die auch in anderen Städten am Wochenende Proteste und Kundgebungen veranstalteten.

Die Stadtpolizei Zürich toleriert die Demonstration

Suter und Schmocker besammeln sich um 14 Uhr auf dem Sechseläutenplatz. Nur einige Kolleginnen, mit denen sie sich am Bahnhof Stadelhofen verabredet hatten, konnten sie auch finden. «Es ist unglaublich, wie viele Leute erschienen sind. Wenn alle Masken tragen, ist es noch schwieriger, sich in der Menge zu erkennen», sagt Suter. Die Polizei fordert die Anwesenden zunächst mehrmals auf, auf die Veranstaltung zu verzichten. Diese sei gemäss Covidverordnung des Bundesrates verboten. Gegen 14.15 Uhr lenkt die Polizei ein. Die Demonstration würde toleriert, sofern sie friedlich bleibe. Für den Umzug sei eine Route abgesteckt und gesichert worden.

Und so bahnt sich die Menge den Weg durch die Zürcher Innenstadt – mittendrin Suter und Schmocker. In die Luft halten die beiden, wie viele andere Teilnehmer, Schilder. «One Race, One Unity, One Love», also zu Deutsch «Eine Rasse, eine Einheit, eine Liebe» steht auf Schmockers Karton. Suters Schild ziert die Aufschrift «Wir waren alle bloss Menschen, bevor die Rasse uns teilte, die Religion uns trennte, die Politik uns separierte, das Geld uns klassifizierte». Den Freundinnen ist es ein Anliegen, gegen Diskriminierung von Dunkelhäutigen einzustehen. «Es ist eine Ungerechtigkeit, die uns alle betrifft. Für mich ist es selbstverständlich, dass man sich für die Grundrechte jedes Menschen einsetzt», sagt Suter. Die 23-Jährige studiert im zweiten Semester Architektur an der ETH Zürich. Es ist nicht das erste Mal, dass sie für ihre Überzeugung auf die Strasse geht. Am Frauenstreik, am 14. Juni 2019, war sie ebenso dabei, um für die Gleichstellung der Frauen zu kämpfen. Vergangene Woche besuchte sie eine Kundgebung auf der Josefwiese in Zürich, die sich dem Thema Rassismus widmete. «Die Mehrheit der Anwesenden war schwarz, heute sehe ich viele Weisse, die ein Zeichen setzen. Das ist schön», sagt Suter. «Es liegt ja an uns. Es sind wir Weissen, die das Problem beheben müssen, weil wir das können», findet Suter. Sie hoffe, dass durch diese Demonstrationen auch der hinterletzte Bünzlischweizer wachgerüttelt werde.
Bei warmen Temperaturen und mehrheitlich blauem Himmel erinnert die Demonstration besonders beim Überqueren der Quaibrücke an die Streetparade. «Es herrscht zwar keine Partystimmung, aber die Leute sind friedlich und gut drauf. Die positive Energie, die von den Demonstranten ausgeht, gefällt mir», sagt Suter. Sie und ihre Kollegin zeigen sich erfreut über die Atmosphäre an der Veranstaltung. «Es verleiht einem Kraft, wenn man als Einheit auftritt. Das gibt Hoffnung, dass sich etwas ändern wird und Rassismus in der Schweiz nicht mehr akzeptiert wird», sagt Schmocker. Es sei ganz wichtig, sich jetzt zu informieren und sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen. «Ich würde mir wünschen, dass Rassismus und die koloniale Vergangenheit der Schweiz zu Pflichtstoff im Geschichtsunterricht werden», sagt die 24-jährige Pflegefachfrau. Zudem müssten Gespräche vor allem mit älteren Generationen stattfinden, um rassistische Klischees auszumerzen.

Originelle Sprüche zieren die Protestschilder

Der Umzug lenkt in die Bahnhofstrasse ein und bewegt sich Richtung Paradeplatz. Immer wieder machen die Demonstrierenden Halt, knien auf den Boden und strecken die Faust in die Luft, um George Floyd zu gedenken, der mit seinem Tod am 25. Mai zum Symbol für Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA wurde. «Black Lives Matter», also «Schwarze Leben zählen» und «No justice, no peace», also «Keine Gerechtigkeit, kein Frieden» rufen die Teilnehmer. Der Protestmarsch verläuft durch die Genferstrasse und den General-Guisan-Quai zurück zum Sechseläutenplatz. Originelle Sprüche und Slogans zieren viele Protestschilder. Einige werden von Suter und Schmocker mit dem Handy festgehalten. So zum Beispiel die Aufschrift «Laundry is the only thing that should be separated by colour». Zu Deutsch «Wäsche ist die einzige Sache, die aufgrund von Farbe getrennt werden sollte». 

Der Umzug endet gegen 16.30 Uhr auf dem Sechseläutenplatz. Dort finden im Anschluss Kundgebungen statt. Getrübt wird der friedliche Anlass von Ausschreitungen Linksautonomer gegen die Polizei nach Ende des Protests am Stadelhoferplatz. Von all dem bekommen Suter und Schmocker jedoch nichts mit. Sie lassen den Nachmittag beim Bellevue am See ausklingen. «Wir gehen mit einem guten Gefühl und positiven Eindrücken nach Hause», sagen sie. Die Bewegung sei nicht bloss ein Trend. «Wir werden weiter demonstrieren und uns mit dem Thema beschäftigen, weil wir uns wünschen, dass sich etwas verändert.»

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