Wettingens erster Landammann Markus Dieth freut sich auf die Menschen

Der ehemalige Wettinger Gemeindeammann und heutige Regierungsrat Markus Dieth ist seit dem 1. Januar Aargauer Landammann. Am Dienstag findet in Wettingen die Wahlfeier statt. Die Limmatwelle hat ihn vorgängig einen Tag lang begleitet.

Markus Dieth im Finanzdepartement im Telli in Aarau. Gaby Kost
Markus Dieth im Finanzdepartement im Telli in Aarau. Gaby Kost

Um 6.20 Uhr fährt Chauffeur Remo Walde mit dem Aargauer Staatswagen, einem Mercedes S Class, in Wettingen ein. Zwischen Wohnblocks und Einfamilienhäusern hält er in einem ganz normalen Quartier mitten im Zentrum auf einem unauffälligen Garagenvorplatz an. Er gehört zum Einfamilienhaus der Familie Dieth. Ein paar Minuten später öffnet sich das weisse hölzerne Gartentor. Markus Dieth kommt im dunklen Anzug mit Aktentasche in der Hand aus dem Haus und nimmt hinter dem Beifahrersitz Platz. Um 6.32 Uhr fährt der Wagen auf die Autobahn Richtung Aarau.

«Wie geht es dir?», fragt Regierungsrat Dieth den Chauffeur, plaudert kurz mit ihm und widmet sich dann seiner dicken gelben Mappe, in der die Unterlagen zu den Themen und Terminen gesammelt sind, die an diesem Donnerstag anstehen.

Dieth zieht ein halbes Dutzend A5-Blätter aus der Mappe. Darauf ist die Grussbotschaft abgedruckt, die er am Abend an der Swiss Start-up Challenge im Campussaal in Brugg-Windisch halten wird. Er nutzt die knapp zwanzigminütige Fahrzeit, um sie durchzugehen, nimmt einen Kugelschreiber und ändert den Schluss zu: «Seien Sie mutig, behalten Sie ihre Kreativität und handeln Sie. Denn wer nicht handelt, wird behandelt.» Damit gibt er der Rede, die seine dreiköpfige Kommunikationsabteilung für ihn vorgeschrieben hat, seine persönliche Note. Wer Dieth kennt, hat diesen Aufruf zum Handeln, um nicht behandelt zu werden, schon öfters gehört. Als Gemeindeammann schrieb Dieth die meisten Reden selber. Aus Zeitgründen sei das heute nicht mehr möglich, sagt er und fügt an, dass alles mehr durchgetaktet sei: «Auf Kantonsebene wird eine Liga höher gespielt.» Und trotzdem: Er lässt es sich nicht nehmen, seine Reden anzupassen und hin und wieder selber zu schreiben. «Wenn die Rede ganz persönlich ist, wie zum Beispiel diejenige der Landammannfeier, schreibe ich sie auch heute selber», so Dieth. Er freue sich auf das Jahr als Landammann, er ist der erste Wettinger, der dieses Amt innehat.

Als Landammann wird Markus Dieth den Kanton dieses Jahr an rund 200 Anlässen vertreten. Das sind etwa doppelt so viele wie als «normaler» Regierungsrat. Dieth freue sich darauf. Als ehemaliger Ammann ist er es gewohnt, auch abends viel unterwegs und bei den Leuten zu sein. «Die Nähe zur Bevölkerung habe ich als Regierungsrat am Anfang ein bisschen vermisst. Auf Kantonsebene ist man etwas weiter weg als in der Gemeinde, wo man fast alle kennt», sagt er, während er aus dem Auto steigt, das mittlerweile im Aarauer Telli eingefahren ist.

Es mache ihm nichts aus, von Fremden angesprochen zu werden und wenig Privatsphäre zu haben. Denn Markus Dieth mag Menschen und die Menschen mögen ihn. Der Beweis dafür sind die über 60000 Stimmen, die er als Neuling bei den Regierungsratswahlen vor drei Jahren erhielt und den Einzug als einziger Nicht-Bisheriger im ersten Wahlgang schaffte. Es sei ihm wichtig, auch als Regierungsrat am Boden zu bleiben. «Ich bin immer noch derselbe, auch als Regierungsrat, oder nicht?», fragt er die Fotografin und die Journalistin, die ihn an diesem Tag für den Zeitungsbericht begleiten und ihn schon kannten, als er noch als Anwalt arbeitete und vor 18 Jahren seine politische Karriere im Wettinger Einwohnerrat startete.

«Bis später», verabschiedet sich Markus Dieth beim Gehen vom Chauffeur. Den Fahrdienst des Kantons nimmt er in dieser Dezemberwoche an drei Tagen in Anspruch. Immer dann, wenn er wie heute auswärtige Termine hat und froh ist, die Zeit während der Autofahrt zum Arbeiten nutzen zu können.

Kurz vor sieben Uhr tritt der Regierungsrat im 21. Stock des Telli-Hochhauses in sein Büro. Darin stehen Digitalpiano und dunkle Büromöbel, auf dem Pult je ein Schweizer-, Bündner- und Aargauerfähnlein und ein Meter mit Wettinger Logo. Es sind Dieths persönliche Sachen, die ihn an Davos, wo er aufwuchs, und Wettingen, «wo meine Heimat ist», erinnern. Das Mobiliar hat er sich als Anwalt gekauft, von 2008 bis 2016 ins Gemeindeammann-Büro mitgenommen und tut nun seit drei Jahren auch in Aarau seine Dienste.

Seine persönliche Assistentin Sonja Huber hat ihm bereits ein Dutzend in der Nacht eingegangene Mails auf den Schreibtisch gelegt. Bevor er um halb acht die Abteilungsleiter zur Sitzung trifft, notiert er, welche Mails wie bearbeitet werden müssen, und gibt sie zur Erledigung wieder ans Sekretariat zurück.

Anderthalb Stunden dauert das anschliessende Treffen mit den Leitenden der Abteilungen Finanzen, Human Ressource, Immobilien, Informatik, Landwirtschaft, Statistik, dem kantonalen Steueramt und der Generalsekretärin Patricia Kettner. Gesamthaft sind die acht Abteilungen des Departements Finanzen und Ressourcen für rund 650 Mitarbeiter und 5,9 Milliarden Franken verantwortlich. Weil das Finanzdepartement besonders viele Schnittstellen hat, ist es wichtig, dass Dieth sein Kader auch darüber informiert, was bei den anderen Regierungsräten ansteht. An diesem Morgen gibt eine Mitarbeiterin zudem Auskunft über den Verlauf des Digitalisierungsprojekts «SmartAargau».

Nach einer kurzen Kaffeepause verschwinden die Kaderleute wieder und Dieth trifft sich im Büro der Generalsekretärin zum Rapport mit der Abteilungsleiterin Statistik, Andrea Plüss. Sie und ihr 14-köpfiges Team arbeiten in einem anderen Gebäude. Einmal im Monat trifft Dieth sie zum Rapport, wie er die Arbeitsbesprechung nennt. Die Sitzung ist klar strukturiert. Anträge und Unterlagen zu den Sitzungsthemen hat Dieth vorgängig erhalten. Er habe im Militär gelernt, strukturiert zu arbeiten und zu führen: Aussage, Erkenntnis und Konsequenz sind zu seinen Leitfragen geworden. Die Menschlichkeit geht trotzdem nicht unter, wie die Arbeitsbesprechung zeigt. Er hört Plüss zu, fragt nach und sagt am Schluss: «Die Mitarbeitenden merken, ob man ehrlich zu ihnen ist.»

Nach einer Dreiviertelstunde, so lange dauert eine Arbeitsbesprechung in der Regel, steht bereits die nächste an. An diesem Arbeitstag ist es die Besprechung zum Reformvorhaben Immobilien mit Urs Heimgartner. Er ist seit einem Jahr Kantonsbaumeister und somit für alle kantonalen Liegenschaften zuständig. 2,3 Milliarden Franken beträgt das Portfolio der kantonalen Immobilien. Auf einer Landkarte zeigt Heimgartner, welche Projekte anstehen. 75 Prozent aller Gebäude seien älter als 40 Jahre, der Sanierungsbedarf entsprechend gross. «Nun ist fertig mit Pflästerlipolitik, wir müssen viel Geld investieren», sagt Dieth.

Im Anschluss trifft sich der 52-Jährige mit einem Mitarbeiter zum Koordinationsgespräch. Währenddessen sagt Generalsekretärin Patricia Kettner, mit dem Wechsel des Departementsvorstehers habe sich das Arbeitstempo im Betrieb erhöht: «Markus Dieth ist extrem schnell und hat einen grossen Gestaltungswillen. Für einige Mitarbeiter war das anfänglich recht anstrengend. Dank seiner wertschätzenden, leidenschaftlichen Art kommt er trotzdem sehr gut an.» Sie muss es wissen, denn sie arbeitet seit elf Jahren im Finanzdepartement. Dieth hat sie vor zwei Jahren zur Generalsekretärin befördert. Sie ist die erste Frau, die in der kantonalen Verwaltung eine solche Stelle besetzt.

Mittlerweile ist es Mittag. Rund 60 Mitarbeitende haben sich im Personalrestaurant zum Weihnachtsessen eingefunden. Für Dieth eine Selbstverständlichkeit, sich unter die Mitarbeitenden zu mischen. Mit vielen ist er per du, rühmt den Wein, den ein Mitarbeiter aus seinem eigenen Rebberg zur Weihnachtsfeier mitgebracht hat, und antwortet auf die Frage der Journalistin, was ihn im Berufsleben am meisten geprägt hat: «Als Student habe ich bei der Flughafenpolizei gearbeitet. Da habe ich viel fürs Leben gelernt.» Auch in einer Gärtnerei habe er damals gejobbt, das sei ihm lieber gewesen, als mit den anderen Studenten zu fachsimpeln.

Zwei Stunden dauert das Mittagessen. Trotzdem reicht es nicht fürs Dessert. Im Büro der Generalsekretärin wartet bereits Sandra Thut. Die Standortförderin der Gemeinde Wettingen organisiert die Landammannfeier mit und geht die Tischordnung mit Dieth durch. Zusammen mit seiner Tochter Ariane hat er am Vorabend einen Entwurf gemacht. Nun folgt der Feinschliff. Dieth ist wichtig, dass sich die Gäste wohlfühlen, und er wägt ab, welche Tischkonstellation passt. Nach einer Stunde steht der Plan und er verabschiedet sich von Thut mit den Worten: «Ich schlafe nochmals darüber und maile sie dir morgen.»

In der Zwischenzeit hat das Sekretariat alle Unterlagen für die wöchentlich stattfindende Regierungsratssitzung auf Dieths Pult gelegt. Ein gut gefüllter Ordner voller Akten. Bevor der Regierungsrat für die Fahrt nach Brugg abgeholt wird, ist Zeit fürs Aktenstudium eingeplant. Doch er kommt nicht dazu, weil diverse Telefonate anstehen und er die Besucher aufs Telli-Hochhausdach führt. Hier, auf dem höchsten Aargauer Gebäude, in 85 Metern Höhe, ist die ganze Region bis über die Kantonsgrenze hinaus zu sehen. «Eindrücklich», sagt der Finanzdirektor nachdenklich, während sein Blick über die Landschaft schweift: «Eigentlich schade, dass ich so selten hier oben bin.» Kurz darauf sitzt er wieder hinter den Akten. Er kommt nicht weit und nimmt sie deshalb nach Hause, um sie am Wochenende zu studieren und sich auf die Sitzungen vorzubereiten.

Um zwanzig nach fünf Uhr steigt er wieder in den Staatswagen und geht die Rede ein letztes Mal durch, ehe er den Chauffeur anweist, ein paar Schritte vor dem Campussaal anzuhalten. Bevor er vor versammeltem Publikum seine Grussbotschaft überbringt, geht er an den Ständen der Jungunternehmer vorbei und lässt sich ihre Produkte und Ideen zeigen. Am Stand des Habsburger Start-ups Gluehweinwerk unterhält sich der Regierungsrat mit Student Mirko Hess, der ihm seine Glühweinmischung zum Probieren mitgibt. Die beiden ahnen noch nicht, dass dieses Projekt den Wettbewerb kurz darauf gewinnt. Die Jungunternehmer haben Dieths Ratschlag, mutig und kreativ zu handeln, um nicht behandelt zu werden, umgesetzt, noch bevor sie seine Rede hörten. Nach der Prämierung gratuliert Dieth den Gewinnern, mischt sich beim Apéro unter die Gäste, ehe er um halb neun den Campussaal verlässt und nach Hause gefahren wird. Auch wenn er als Regierungsrat nicht mehr in Wettingen wohnen müsste, kommt für ihn ein Umzug nicht infrage: «Wettingen ist und bleibt neben Davos meine Heimat. Hier habe ich meine Basis, hier wohnen meine Freunde.»

Um neun Uhr abends öffnet Markus Dieth sein Gartentor erneut und verabschiedet sich mit den Worten: «Heute war ein eher lockerer Tag, normalerweise stehen mehr Termine an.» Und sie werden auch im Jahr als Landammann nicht weniger – im Gegenteil. Doch Markus Dieth freut sich darauf: «Auf die vielen Begegnungen mit den Menschen, die ich dieses Jahr als Landammann haben werde.» Sagts und verschwindet im Haus.

Wahlfeier für die Bevölkerung in der Doppelturnhalle Bezirksschule, Dienstag, 14. Januar, ab 17.30 Uhr.

 

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