Vogelzählung zeigt: Die Tiere leben dort, wo auch die Nahrung ist

Seit 30 Jahren zählt der Vogel- und Naturschutzverein in Wettingen Vögel. Derzeit sind es 19 Arten.

Die orangen Punkte auf der Brutvogelkarte 2018 stehen für eine sichere oder mögliche Brut der Art. «Gü» steht für Grünspecht, «Ksp» bedeutet Kleinspecht, «Ssp» sind Schwarzspechte, «Tf» steht für Turmfalke, «Za» bedeutet Zaunammer. zVg

Die orangen Punkte auf der Brutvogelkarte 2018 stehen für eine sichere oder mögliche Brut der Art. «Gü» steht für Grünspecht, «Ksp» bedeutet Kleinspecht, «Ssp» sind Schwarzspechte, «Tf» steht für Turmfalke, «Za» bedeutet Zaunammer. zVg

Marcus Ulber beobachtet Wasservögel am Wettinger Ufer des Stausees mit dem Feldstecher. Dieter Minder

Marcus Ulber beobachtet Wasservögel am Wettinger Ufer des Stausees mit dem Feldstecher. Dieter Minder

«Der Wendehals war unser Highlight der vergangenen Jahre», sagt Marcus Ulber. Er koordiniert die Vogelzählung des Vogel- und Naturschutzverein Wettingen (VNW). Für das besondere Ereignis haben 2016 die zwei Brutpaare der seltenen Spechtart im Wettinger Rebberggebiet gesorgt. Freiwillige des Vogel- und Naturschutzvereins sind regelmässig in den frühen Morgenstunden in sechs Gebieten unterwegs. Sie haben sie entdeckt. «Die Freiwilligen notieren ihre Beobachtungen von ausgewählten Vogelarten», so Ulber. Diese werden einmal jährlich in der Brutvogelkarte zusammengefasst. Begonnen hat die Zählreihe 1986. Seit gut 30 Jahren führt der Verein die Karte fast lückenlos weiter.

Ulber blickt auf die Tabellen: «Grosse Veränderungen gab es vor allem Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre. Leider sind damals einige Arten verschwunden.» Seither sind die Bestände vieler Arten auf dem tiefen Niveau etwa konstant. Es gab Jahre, in denen nur wenige der total 19 Vogelarten zu sehen waren. «Die Schwankungen bei den Zugvögeln können von der Witterung abhängen. Es kann auch zu Ausfällen unterwegs oder in Afrika kommen», erklärt Ulber. Warum der Wendehals in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr zurückgekehrt ist, weiss er nicht. Die Mitglieder des Vogelschutzvereins haben ihm extra zusätzliche Nistkästen aufgehängt, als Ersatz für natürliche Nisthöhlen. Weil der Wendehals Larven und Puppen von Ameisen frisst, braucht er offene Bodenstellen.

Natürliche Kiesbänke und Uferzonen gibt es im Limmattal fast nicht mehr. Deshalb sind verschiedene Vogelarten in Kiesgruben ausgewichen. Jene im Tägerhard und dem Fluefeld sind zwei der Wettinger Beobachtungsgebiete. Flussregenpfeifer haben 2018 auf den offenen Kiesflächen vier Eier ausgebrütet. Ob diese Brut den wiederholten starken Regenfällen im Mai und Juni des vergangenen Jahres überlebt hat, ist unklar.

«Das Grubengebiet, das teils mit Sträuchern und Bäumen zuwächst, ist momentan ein Paradies für Hänflinge und Goldammern», hält Ulber in seinem Bericht fest. Neue Weiherflächen haben zudem Zwergtaucher, Teichhuhn und Teichrohrsänger angelockt. Ihnen passte der Platz so gut, dass sie trotz des nahen Baumaschinenverkehrs brüteten.

Auch bis zu 100 Uferschwalben-Brutpaare nisteten einige Jahre lang in den Wänden der Kiesgrube. Letztlich haben Kiesgruben einen Nachteil: Sie sind Lebensräume auf Zeit. Irgendwann ist der Kiesvorrat zu Ende, die Grube muss aufgefüllt und rekultiviert werden.

Eisvögel bevorzugen etwa Steilwände für ihre Bruthöhlen. Sie werden immer wieder an der Limmat beobachtet. Wo genau sie brüten, lässt sich aber schwer feststellen.

Eine Zunahme haben die Beobachter bei den Wasservögeln festgestellt. Die Ursache sieht Ulber bei den wachsenden Schilfbeständen östlich der Familiengärten und bei der Furtbachmündung. Aber auch Totbäume, sogenannte Raubäume, die in der Limmat liegen, können dazu beitragen. Sie bilden Lebensraum und Schutz für junge Fische. Am Neuenhofer Ufer wurden Totbäume bei der Renaturierung durch das Kraftwerk Wettingen (EWZ) im Stausee verankert. Auf Wettinger Seite ist vor einigen Jahren eine Eiche in den Fluss gestürzt und dort belassen worden. Je mehr Fische in der Limmat schwimmen, desto mehr Wasservögel können dort leben.

Die Abhängigkeit vom Futterangebot zeigt sich auch bei anderen Vögeln: Erbeuten die Singvogel-Eltern zu wenig Mücken, Heuschrecken oder Raupen, können sie keine Brut aufziehen. Dann suchen sie ein Gebiet mit besserem Angebot.

Wie viele Futtertiere in einem Gebiet leben, hängt von der Landschaftsstruktur ab: «Es braucht Hecken, Wiesen, aber auch freie Flächen, in denen sich Tiere wohlfühlen und die zur Jagd geeignet sind», sagt Ulber.

Der Turmfalke gehört nicht zu den 19 Vogelarten, die in der Brutvogelkarte erfasst werden. Doch es hat mehrere Paare in Wettingen. Ein Turmfalkenpaar erbeutete im letzten Jahr ausfliegende Hausrotschwänze. Grosse Vogelpopulationen ertragen, dass einzelne Tiere Jägern, wie Turmfalken oder Katzen, zum Opfer fallen. Problematisch wird es erst, wenn die Bestände schwach sind. Dann kann ein Opfer schon das Aus für die gesamte Population werden. Wie sich die Wettinger Vogelwelt in diesem Jahr entwickelt, wird einmal das Ergebnis der laufenden Zählung 2019 zeigen.

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