Mehr Flüchtlinge als erwartet

Gemeinderat Markus Haas.
Gemeinderat Markus Haas (FDP) ist Ressortvorsteher Soziales, Gesundheit und Asyl. Er erzählt, wie der seit einem Jahr andauernde Ukraine-Krieg die Sozialen Dienste der Gemeinde Wettingen gefordert haben. Aktuell leben 195 Flüchtlinge in der Gemeinde, davon stammen 129 Menschen aus der Ukraine.
Von: SIBYLLE EGLOFF
Am 24. Februar jährt sich der russische Überfall in die Ukraine. Über 8 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer hat die Invasion bisher aus dem Land getrieben. Rund 75000 davon haben in der Schweiz ein temporäres Zuhause gefunden. Die Unterbringung der Geflüchteten erwies sich als eine Mammutaufgabe für das Land, die Kantone und insbesondere auch für die Gemeinden.
«Auf einen solchen Ansturm waren wir nicht vorbereitet», sagt Markus Haas (FDP), Wettinger Gemeinderat und zuständiger Ressortvorsteher Soziales, Gesundheit und Asyl. Budgetiert hatte die Gemeinde Wettingen für das Jahr 2022 Kosten für 65 Asylsuchende. «Anfang 2022 zählten wir 58 Flüchtlinge», sagt Haas. Die Ankunft der Ukrainerinnen und Ukrainer stellte die Kalkulationen auf den Kopf. Ende 2022 lebten laut Haas nämlich 185 Flüchtlinge in Wettingen.
Dank Sondereffort konnte Situation gemeistert werden
«Wie man aus der Differenz des Anfangs- und Endbestands letztes Jahr sieht, sind 2022 dreimal so viele Personen im Asylwesen in Wettingen», sagt Haas. Dieser markante Anstieg habe nur dank eines grossen Sonderefforts gemeistert werden können. Haas meint damit das Engagement der Mitarbeitenden der Sozialen Dienste der Gemeindeverwaltung. «Sie haben es möglich gemacht, dass wir für die neuen Flüchtlinge eine Unterbringung finden konnten.»
Weil die Zahl Asylsuchender sich in den vergangenen Jahren von einem Höchststand von 100 auf knapp die Hälfte reduzierte, habe die Gemeinde viele angemietete Wohnungen zurückgegeben. Wohnungen, die man nun dringend braucht.
Neben der Kollektivunterkunft in der Geisswies, in welcher bis zu 15 Personen Platz finden, setzt die Gemeinde auf Wohnungen. «Wir haben keine Zivilschutzanlagen, die wir dafür verwenden könnten. Wohnungen für Flüchtlinge zu mieten, ist die schnellste und einfachste Lösung», sagt Haas. Ein bestehendes Haus umzubauen oder einen grossen Wohncontainer als Asylunterkunft zu errichten, sei in diesem Fall nicht zielführend. Letzteres erfordere ein langwieriges politisches Verfahren.
«Die Kosten dafür müssten im Budget eingerechnet und bewilligt werden. Je nach Höhe der Kosten würde vermutlich sogar eine Volksabstimmung nötig.» Die Zeit, ein solches Projekt absegnen zu lassen, hatten die Sozialen Dienste aber nicht. «Die Leute waren da, wir mussten schnell handeln», sagt Haas. Er ist froh, dass es der Gemeinde gelungen ist, diese Aufgabe zu stemmen trotz ausgetrocknetem Wohnungsmarkt.
Zum Teil müssen WGs gebildet werden
Haas betont diesbezüglich: «Wir mussten aufgrund der zur Verfügung stehenden Wohneinheiten zum Teil auch Wohngemeinschaften bilden. Die Leute müssen sich arrangieren, auch wenn eine solche Konstellation Konfliktpotenziale birgt», sagt Haas.
Aktuell leben 30 Prozent der ukrainischen Geflüchteten mit Schutzstatus S noch in einer Gastfamilie. Für 70 Prozent stellt die Gemeinde die Unterkunft zur Verfügung. Ukrainer, die wirtschaftlich selbstständig sind, könnten Wohnraum selbst mieten, so Haas. Die Gemeinde sorgt auch für die Unterbringung aller anderen Flüchtlinge. «Die Fluchtbewegungen aus weiteren Ländern wie Afghanistan, Syrien, Eritrea und der Türkei halten ebenfalls an», sagt Haas.
Betreuung für Flüchtlinge neu geregelt
Eine Herausforderung stellte für die Sozialen Dienste in Wettingen auch der Betreuungswechsel vom kantonalen Sozialdienst zum neuen Gemeindeverbund Regionale Flüchtlingsbetreuung Baden (RFB) dar. Der kantonale Sozialdienst kündigte per 30.Juni 2022 sämtliche Betreuungsmandate mit den Gemeinden. «Meine Leute mussten sich also auch um die Überführung in die neuen Strukturen kümmern», sagt Haas. Die Flüchtlingsbetreuung umfasst unter anderem die Auszahlung von finanzieller Hilfe und die Unterstützung bei diversen Alltagsthemen.
Ende 2022 sei der Höchststand an Asylsuchenden in den vergangenen vier Jahren gemessen worden, so Haas. Und die Zahlen steigen weiter. Per Ende Januar lebten in Wettingen 129 Personen mit Schutzstatus S und 66 Personen mit Flüchtlingsstatus, also total 195 Personen.
«Es handelt sich um schwere Schicksale oft traumatisierter Menschen. Wir geben in Wettingen unser Möglichstes, allen eine geeignete Unterkunft mit entsprechender Betreuung zu bieten», sagt Haas. Er hoffe, dass Frieden in der Ukraine einkehre. Damit würde sich die Flüchtlingswelle aus der Ukraine wohl entschärfen. «Doch auf die zunehmenden Fluchtbewegungen aus anderen Ländern hätte dies wohl keinen Einfluss.»