Fledermäuse erhalten neues Heim

Zwei Kästen an der Limmatbrücke bilden einen neuen Standort für Fledermäuse. Da der Trend eher gegenläufig ist, freut sich Biologe Andres Beck über die zusätzlichen Refugien.

Der Grosse Abendsegler soll Unterschlupf bei der Limmatbrücke finden. Archiv
Der Grosse Abendsegler soll Unterschlupf bei der Limmatbrücke finden. Archiv

Andres Beck blickt am Ende des Sportplatzes bei der Klosterhalbinsel in Wettingen hoch zur Limmatbrücke, welche Wettingen mit Neuenhof verbindet. «Zwischen den beiden Brückenpfeilern über der Limmat sind die Kästen zu sehen», sagt er. Tatsächlich ragen 2 schmalere und 15 breitere graue Boxen aus dem Beton. Sie dienen nicht etwa der Statik des 1969 erstellten und im zweiten Halbjahr 2020 sanierten Bauwerks, sondern vielmehr der heimischen Tierwelt. «Bei den grösseren Kästen handelt es sich um Nistkästen für Alpensegler und Mauersegler. In einem Kasten stehen je 4 Nistplätze zur Verfügung – insgesamt also 60. In den beiden flachen Kästen finden bis zu 400 Fledermäuse Unterschlupf», sagt Andres Beck.

Der Wettinger Biologe kümmert sich seit über 30 Jahren als kantonaler Fledermausschutzbeauftragter um den Erhalt und die Umsiedlung von Fledermauskolonien und gebäudebrütender Vögel bei Umbauten. Im Zuge der Sanierung der Limmatbrücke ging es jedoch nicht um die Sicherung von bestehenden Fledermaus- und Vogelkolonien, sondern um die Schaffung neuer Lebensräume. «Als ich von dem Bauvorhaben erfuhr, meldete ich mich sofort bei Projektleiter Martin Strübi und fragte ihn, ob es möglich wäre, solche Kästen an der Brücke anzubringen», erzählt Beck. Sein Vorschlag fand Gehör. «Wir konnten die Kästen dank des Gerüsts für die Sanierung gut montieren. Ansonsten wäre das undenkbar gewesen. Wenn immer die Chance besteht, für die Flora und Fauna etwas zu machen, tun wir das», sagt Martin Strübi, Projektleiter Brücken und Tunnel beim Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau.

Der nächste Fledermausstandort befindet sich in der Webermühle

Beck freut sich, dass die Kästen nun hängen und so ein neuer Standort geschaffen werden konnte. Denn der Trend sei umgekehrt. Viele ältere Häuser, die Fledermäuse beherbergen, würden abgerissen. Die Lage an der Limmatbrücke sei überdies ideal. «An hohen Bauwerken wie Brücken ist es immer interessant, solche Kästen anzubringen. Zudem liefert die Limmat viel Nahrung für die Tiere, weil Insekten wie Mücken an der Wasseroberfläche schlüpfen und dort riesige Schwärme bilden», erklärt Beck. Der nächste Fledermausstandort befinde sich in der Webermühle. Daher ist Beck guter Hoffnung, dass die Kästen an der Limmatbrücke in den nächsten Jahren besetzt sein werden. «Es ist wie bei einem guten Restaurant. Es braucht etwas Zeit, bis es läuft», sagt er und lacht.

Einziehen wird vornehmlich der Grosse Abendsegler. «Diese Fledermausart überwintert oft in unserer Region», so Beck. Ob tatsächlich schon die einen oder anderen Fledermäuse und Vögel die Kästen benutzen, weiss er nicht. Sie hängen seit Sommer 2020. «Wir wollten letzten Sommer eine Erfolgskontrolle machen, doch wegen des regnerischen Wetters war dies nicht möglich.» 2021 sei für Fledermäuse ein besonders schlechtes Jahr gewesen. «95 Prozent der Jungen sind schon im Sommer gestorben, weil die Mütter aufgrund des Regens zu wenig Zeit zum Jagen hatten und daher zu wenig Milch für die Jungen produzieren konnten», sagt Beck. Teilweise hätten die Muttertiere beim starken Regen und bei den kurzen Nächten im Sommer tagelang nicht zurück zu den Jungen fliegen können. «Deshalb wurden letztes Jahr besonders viele Fledermäuse unterwegs gefunden und in Pflegestationen gebracht», sagt Beck. Seit Ausbruch der Coronapandemie lastet ein schlechter Ruf auf den Fledermäusen. «Die Coronaviren sind eindeutig auf eine chinesische Fledermausart zurückzuführen», sagt Beck. Der Virus sei jedoch nicht direkt von der Fledermaus auf den Menschen übergesprungen, sondern über einen Zwischenwirt, vermutlich ein Gürteltier oder eine Zibetkatze. «Der Virus hat eine wahre Höchstleistung vollbracht, dass er gleich zwei Wirte übersprungen hat. Das passiert sehr selten.»

Fledermäuse wurden auf Ebola, Sars und Tollwut getestet

Noch bevor die Pandemie ausbrach, interessierte man sich in der Schweiz für mögliche Viren, die Fledermäuse in sich tragen. «Als hätte man diese Krise vorausgeahnt, haben wir im Sommer 2019 tote Tiere und Kot von Tieren virologisch auf Ebola, Sars und Tollwut untersucht. Die Resultate waren unbedenklich, die Tiere waren keine Träger dieser Krankheiten», erzählt Beck. Unmittelbar nach dem Ausbruch der Pandemie seien die Untersuchungen auch auf Coronaviren ausgedehnt worden. Er könne beruhigen: «Vor unseren einheimischen Fledermausarten muss man keine Angst haben.»

Nicht nur die Installationen an der Brücke, sondern auch die neue Gestaltung des Brückenkopfs soll der Tierwelt dienen. Ende Jahr haben Mitarbeitende des Werkhofs Wettingen diesen bepflanzt. Als Alleebäume wurden Linden- und Ahornbäume gesetzt – die gleichen Baumarten, die bereits auf der gegenüberliegenden Strassenseite eine Alleereihe bilden. Wildsträucher, Feld- und Ufergehölze sowie extensiv genutzte Wiesenflächen ergänzen die Reihen und bieten Lebensräume für Kleintiere, Vögel und Insekten, wie die Gemeinde Wettingen schreibt. Sie findet: «Ein auf den ersten Blick reines Infrastrukturprojekt schützt und fördert nun auch die heimische Tierwelt.»

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