Kuster will weitermachen

Der bisherige Gemeindeammann Roland Kuster (Die Mitte) will führen und vermitteln. Er kandiert für eine weitere Amtsperiode als Gemeindeammann.

Roland Kuster (Bild: Severin Bigler/Archiv)
Roland Kuster (Bild: Severin Bigler/Archiv)

Ab halb sieben brennt im Büro des Gemeindeammanns im Rathaus am Morgen meistens Licht, die Bürotür steht offen. Auf dem grossen Holztisch im Sitzungszimmer nebenan liegt ein Notizblock. «Ich möchte mein Büro noch nicht räumen, bin fit, munter und motiviert, den Job als Gemeindeammann für weitere vier Jahre auszuführen», sagt Roland Kuster (Die Mitte) zu Beginn des Interviews.

Kuster trat 2017 die Nachfolge von Markus Dieth (Die Mitte) an, der damals in den Regierungsrat wechselte. Zuvor war Kuster neun Jahre lang Gemeinderat. Einiges konnte Kuster in dieser Zeit bereits umsetzen. Besonders freuen ihn die Tägisanierung, die Überführung des Elektrizitätswerks Wettingen in eine Aktiengesellschaft, die Sanierung der Trinkwasserpumpwerke und der Quellen sowie der Neubau des Reservoirs Birch, die Planung und Weiterentwicklung des Bahnhofareals und der Klosterhalbinsel oder der Abschluss des räumlichen Entwicklungsleitbildes. Als Rückschlag in seiner bisherigen Amtszeit bezeichnet er selbstkritisch die Ablehnung des letztjährigen Budgets durch das Stimmvolk. «Wir konnten den Stimmberechtigten nicht klarmachen, dass ein Teil der Steuererhöhung für den Schuldenabbau eingesetzt werden soll.» Trotz dieser Niederlage ist Kuster nach wie vor der Meinung, dass es längerfristig nicht möglich sein wird, die entstehenden Schulden durch das erwirtschaftete Geld der Vorjahre zudecken. Auch wenn er sich keine Freunde damit schafft, so sieht er eine Steuerfusserhöhung längerfristig als unumgänglich, um die Schulden zu reduzieren. Er möchte nicht, dass die nächste Generation damit belastet wird und Schulden angehäuft werden. Er ist bereit, auch selbst einen Beitrag zu leisten und schlug dem Einwohnerrat nach Vorstössen im Einwohnerrat eine Reduktion seines eigenen Salärs sowie desjenigen der Gemeinderäte vor. «Wir schauen durchaus fürs Geld und unsere Verwaltung ist im Vergleich mit anderen 25 Prozent günstiger», so Kuster. Auch habe er den Anspruch, der Bürgerin und dem Bürger eine möglichst gute Leistung fürs Geld zu bieten: gute Schulen, Kinderbetreuungsangebote, beste Erreichbarkeiten mit Bahn und Strasse sowie ein breites Kultur- und Sportangebot mit den nötigen Infrastrukturen. Ihm sei durchaus bewusst, dass unterschiedlich bewertet wird, was nötig oder wünschbar ist, und die Ansprüche manchmal sogar im Widerspruch mit den Sparbemühungen stehen. «Doch die Bevölkerungsumfrage zeigt deutlich, dass diese Wettinger Leuchttürme geschätzt werden und viele deswegen gerne hier wohnen. Noch mehr zu sparen und gar auf diese Errungenschaften zu verzichten, sehe ich als nicht richtig. Es hat sich bei der Budgetdiskussion im Einwohnerrat gezeigt, dass die Zitrone schon ziemlich ausgepresst ist.» Als Beispiel nennt er den Fachkräftemangel im Verwaltungsbereich. Eine Lohnsenkung beim Personal würde zu Kündigungen und zu Kosten- und Knowhow-Verlust führen, ist Kuster überzeugt.

Gedankengut der Mitte

«Ich setze mich sehr dafür ein, dass Wettingen auch für kommende Generationen lebendig und attraktiv bleibt», so Kuster. Zur Ausübung seines Amtes könne er seine breiten beruflichen Erfahrungen aus Wirtschaft und Politik einsetzen. Der 62-Jährige hat Geografie und Management studiert, war an der ETH und in der Privatwirtschaft tätig und hatte zuletzt ein eigenes Unternehmen geführt. «Ich lernte, schier unlösbare Probleme zu lösen, und vermittelte beispielsweise während eines Streiks bei den SBB in Bellinzona.» Dies komme ihm nun in seiner Rolle als Gemeindeammann zugute, wo er sowohl führen als auch vermitteln müsse. «Man braucht ein offenes Herz und muss aktiv zuhören können.»

Als Vermittler fühlt er sich auch bei seiner Partei, der Mitte, wohl. Sie nehme keine extremen Positionen ein, sondern suche tragbare Lösungen. «Dank der Parteizugehörigkeit bin ich für die Bürgerinnen und Bürger auch fassbar. Sie wissen, welches Gedankengut ich vertrete.»

Politisiert hat Kuster schon im Elternhaus. Durch den Job seines Vaters bei den SBB zogen sie vom Toggenburg über Leibstadt nach Wettingen, wo er als Jugendlicher in der Kanti Baden sein erstes politisches Amt übernahm: das Präsidium des Schülerparlaments. In Würenlos, wo er während seines Studiums einige Jahre wohnte, wurde er von einem Kollegen motiviert, der damaligen CVP beizutreten. Nach dem Tod seiner ersten Frau zog er mit 30 zurück nach Wettingen, wo er später seine zweite Frau kennenlernte, heiratete und eine Familie gründete. Wann immer möglich, verbringt er den Mittag daheim. Mit dem 15-jährigen Sohn geht er gerne im Wald «holzen», die 12-jährige Tochter begleitet er zum Reittraining. «Beim Zuschauen kann ich herunterfahren, muss mich nicht einbringen, sondern darf einfach loben», sagt er und strahlt.

Verbundsaufgaben lösen

Viel Zeit bleibt ihm für die Familie nicht. Doch die Zeit, die er hat, verbringt er am liebsten mit ihr. Neben seinem 100-Prozent-Amt als Gemeindeammann ist er seit 2019 auch als Grossrat tätig und vertritt die Gemeinde Wettingen etwa als Präsident von Baden Regio. Diese Engagements werden immer mal wieder kritisiert. «Als grosse Gemeinde spielen wir in der Region eine Rolle, Verbundsaufgaben müssen wir gemeinsam lösen, deshalb ist dieses Engagement wichtig.» Auch über die Gemeindegrenze vernetzt zu sein und einen Fuss in Aarau zu haben, öffne der Gemeinde immer wieder Türen.

Türen öffnen sich ihm auch als Gemeindeammann. Nach dem schönsten Erlebnis gefragt, muss Kuster nicht lange nachdenken: «Das war die Begegnung mit einer Jubilarin im Pflegheim.» Die 106-Jährige habe sich so sehr über seinen Besuch gefreut, dass sie trotz coronabedingtem Abstand aufgestanden sei, um ihn zu umarmen. «Das war ein herzzerreissendes Ereignis.» Nicht nur, aber auch wegen solcher Erlebnisse würde er gerne nochmals eine Amtsperiode als Gemeindeammann anhängen. Seine Chancen schätzt er als intakt ein. «Doch ich habe auch Respekt, denn wer sich zur Wahl stellt, kann auch verlieren. Das ist mir bewusst.» Sagt es, steht auf und arbeitet weiter im Rathaus, wo mittlerweile in fast allen Büros das Licht brennt.

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