Frust und «leere Batterien» beim Forum 5430

Das Forum 5430 wird sich nach über 20 Jahren aus dem Einwohnerrat Wettingen zurückziehen. Die Gründe.

Mit Plakaten vor dem Rathaus in den Wahlkampf für den Einwohnerrat 2017. zVg
Mit Plakaten vor dem Rathaus in den Wahlkampf für den Einwohnerrat 2017. zVg

Es ist ein Paukenschlag in der Wettinger Gemeindepolitik: Die liberale Mitte-Partei Forum 5430 schickt keine Kandidaten ins Rennen um die Einwohnerratswahlen 2021. Die Bisherigen Fränzi Widmer und Thomas Egloff treten nicht zur Wiederwahl an. Das, nachdem sich die Kleinpartei über 20 Jahre lang im Einwohnerrat eingebracht und in diversen Gremien und Kommissionen mitgewirkt hat. So war Marco Kaufmann, Präsident des Forums 5430, zum Beispiel 2012/2013 Einwohnerratspräsident.

Bei den beiden Bisherigen seien «die persönlichen Ressourcen erschöpft», es fehle an starken Ersatzkandidatinnen und -kandidaten für die Wahlen 2021, ausserdem wolle man keine «Listenfüller». In den Worten Fränzi Widmers: «Die Batterie ist leer.»

Bemerkenswert: Noch bei den letzten Wahlen trat die Partei mit einer 10-Personen-Liste zur Wahl an. Die Entscheidung habe sich im Laufe der Vorbereitungen zu den Wahlen abgezeichnet, als Fränzi Widmer angekündigt hatte, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen, und man keine Personen fand, die gewillt für den Ratsbetrieb wären.

Für die übernächste Wahl im Herbst 2025 könnte das Forum 5430 wieder antreten. Bis dann wolle man sich «auf die Arbeit im Hintergrund konzentrieren» und «hinter den Kulissen wieder zu einem konstruktiven und vorausschauenden Diskurs beitragen».

Einen konkreten Plan hat das Forum noch nicht, man wolle aber mit Aktionen und Beteiligungen im Gespräch bleiben. So ist das Forum beispielsweise Teil der «Initiative für ein lebendiges Wettingen», erklärt Marco Kaufmann an einer Medienkonferenz.

Dass es nach vier Jahren Ratsabsenz schwierig werden könnte, wieder zurück ins Parlament zu finden, ist dem Forum bewusst, aber: «Wir hoffen, dass das Forum 5430 in den letzten 20 Jahren einen nachhaltig positiven Eindruck hinterlassen hat», sagt Fränzi Widmer. Demnach schätzt man die Chancen auf eine mögliche Wiederkehr als intakt ein.

Eine pragmatische Fusion mit einer anderen Partei – etwa der Fraktionspartnerin EVP – schliesst das Forum aus ideologischen Gründen aus, ausserdem sieht man die Besonderheit des Forums 5430, dass es sich ausschliesslich um Wettinger Belange kümmern könne und sich nicht einer nationalen Parteiagenda unterordnen müsse. National würde man zwar der GLP sehr nahestehen, kommunal aber nicht. Da der Partei Wettingen immer noch sehr wichtig sei, habe man sich auch dezidiert dagegen entschieden, das Forum aufzulösen. Und das, obwohl ein Engagement ohne Informationen aus den Kommissionen schwierig werden könne, weil damit viele Informationen wegfallen würden.

Dass das Forum zu den Wahlen nicht wieder antritt, hat mehrere Gründe. Forums-Präsident Kaufmann sagt, man habe sich mit der Entscheidung «sehr schwergetan» und es sei «bedauerlich», dass die Bisherigen nicht wieder antreten möchten. Trotzdem hat er aber «angesichts der Entwicklungen in den letzten Jahren Verständnis für den Entscheid», wie es in einer Medienmitteilung heisst. Der Einwohnerrat sei «immer mehr mit sich selber beschäftigt» und «einzelne Exponenten» würden sich durch eine «Vielzahl unnötiger Vorstösse profilieren», heisst es in der Mitteilung weiter. Der Frust über den Einwohnerrat ist dann auch einer der Hauptgründe, weshalb man keine Ersatzpersonen für die Abtretenden gefunden habe: «Der Ratsbetrieb der letzten Zeit wirkt eher abschreckend», sagt Kaufmann. Fränzi Widmer selbst spricht von einem «Hickhack im Ratsbetrieb». Nicht alle Räte und Rätinnen seien genügend vorbereitet, es würden Vorstösse trotz Ablehnung immer wieder eingereicht. Wolle man all diese Vorstösse gewissenhaft prüfen und nicht von vornherein durchwinken oder ablehnen, fresse das immense Ressourcen, sagt Thomas Egloff. Das sei als Kleinpartei kaum zu stemmen, gerade wenn ihre Mitglieder stark im Berufs- und Privatleben eingebunden seien.

Auch der Politstil habe gelitten. Das bringe den Ratsbetrieb immer häufiger ins Stocken. Als störende Kräfte in der Wettinger Politlandschaft bezeichnet Kaufmann primär die GLP, die SVP und ihre jeweiligen Mitglieder in der IG Attraktives Wettingen.

Die Coronasituation habe das Politisieren zudem erschwert. Vor Corona habe man sich nach den Einwohnerratssitzungen noch bei einem Bier quer durch alle Parteien besprechen können, den Politstil und etwaige Ausrutscher thematisieren und reinen Tisch machen. Das falle seit Corona komplett weg.

Es sei natürlich bedauerlich, dass gerade jene Kräfte, die den Ratsbetrieb aufhalten würden, vom Rücktritt des Forums profitieren könnten, allerdings sehe man auch keinen Sinn, Personen zur Wahl aufzustellen, «die allenfalls bereits nach wenigen Sitzungen bereits wieder zurücktreten». Das Forum 5430 hofft aber auch, dass der Rückzug eventuell zu einer Debatte über den Ratsbetrieb führt.

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