Dabei sein ist halt einfach nicht besonders viel

Der Wettinger Curler Marcel Käufeler gehört mit seinem Team zu den vier Nominierten für die Wahl zum Aargauer Sportler des Jahres. Über Niederlagen, die Bedeutung des Ruhms – und Olympia.

Marcel Käufeler redet, wie er spielt: mit Ruhe und Überzeugung. Seine Sätze wissen, genau wie er, wohin sie wollen. Obschon der 27-jährige Wettinger Curler zu den Besten der Welt zählt, spricht er, anders als es das Klischee über Profisportler besagt, weder mit Attitüde noch Plattitüde. Im Hintergrund des Videocalls Bäume. Die Vögel pfeifen.

Er ist das, was man in der Schweiz wohl als «bodenständig» bezeichnen würde, wenn dieses Wort nicht den faden Beigeschmack falscher Bescheidenheit hätte. Denn Käufeler weiss um seine Qualitäten, spielt sie nicht runter und redet offen über seine sehr klaren Ambitionen: Weltmeister. Olympisches Gold.

Für sein Team zählt nichts als der Triumph

«Wo wir hingehen, wollen wir gewinnen. Das ist ganz sicher nicht die Schweizer Art, aber das machen wir bewusst.» Mit weniger als Gold wollen sich Käufeler und sein Team um Romano Meier, Michael Brunner und Skip Yannick Schwaller nicht zufriedengeben. Das sei vielleicht für manche neutrale Beobachter nur schwer nachvollziehbar. Schliesslich war das Team viermal in Serie im Finale der Schweizer Meisterschaft und hat 2019 gewonnen, letztes Jahr wurde man gar Vizeeuropameister.

Aber: «An einem Turnier mit 50 Teams sind für einen Sportler 49 Teams Verlierer.» Das meint Käufeler aber nicht despektierlich. Es braucht das Scheitern. «Für Sportler alleine gibt es nur ganz wenige Momente, in denen sie als Gewinner dastehen. Die anderen Momente bestehen aus der Frage ‹Wie schaffe ich es besser?› – dem stetigen Streben nach noch mehr. Obwohl Niederlagen schmerzen, sind sie lehrreich.» Spielt Käufeler mit seinem Team einen im SRF übertragenen EM-Final, kriegt er «100 Nachrichten, und wenn du verlierst, sind es vielleicht noch zehn, aber diese zehn sind vielleicht die wichtigsten. Im Verlieren lernt man sich selbst und die wichtigsten Freunde kennen.»

Curling ist für Käufeler eine Lebensschule, die ihm, davon ist er überzeugt, noch viel bringen wird. Er könne sich damit beweisen, dass es möglich ist, zu den Besten der Welt zu gehören. Um Glanz und Gloria ging es dem Lead seines Teams aber nie. Anders als im Fussball oder in der Formel 1 wird vom Curling niemand weder besonders berühmt noch steinreich.

Das Team organisiert alles selber – also auch das Administrative –, nicht wie Fussballer, die sich, unter permanenter Bemutterung, eigentlich nur ums Training kümmern müssen. «Ich weiss nicht, ob mich das erfüllen würde», hinterfragt Käufeler. Nicht konstant im Rampenlicht zu stehen, habe seine Nachteile, aber halt auch positive Seiten – man ist in den Augen anderer nicht nur «der Curler», eine eindimensionale Projektionsfläche für Schaulustige, sondern auch Mensch, der noch mehr Seiten hat, weil «irgendwann hat man diese ganze Geschichte auch mal erzählt und man geniesst es, über andere Dinge im Leben sprechen zu können».

Der ausgleichende Ruhepol seiner Mannschaft

Passend. Er beschreibt seine Rolle im Team als «stimmungsausgleichend», er sorge für die nötige Ruhe und Besonnenheit. Die taktischen Möglichkeiten beim Curling sind mannigfaltig, sodass sich der Sport auch den Namen «Schach auf dem Eis» eingehandelt hat. Wer überhastet spielt, scheitert, wer vorausdenkt, gewinnt. Und das konnte Käufeler schon immer.

«Ich habe mir Dinge ausgedacht, die sich wohl nicht mancher Junge überlegt», sagt er. «Zum Beispiel habe ich mir als Kind zu Weihnachten einmal einen Werkzeugkoffer gewünscht, obwohl ich zwei linke Hände habe, einfach, damit ich ihn an meinen Bruder weitervermieten kann», schmunzelt Marcel Käufeler und zuckt schelmisch mit den Schultern. Oder er habe sich kistenweise Paninibildchen gekauft, nicht etwa für sein persönliches Album, sondern um einzelne Sticker weiterzuverkaufen.

Manchen Menschen wird das deshalb nicht wundern: Neben seiner Curling-Karriere ist Käufeler Gemeindeberater im Finanzbereich. Er lebt zwar hauptsächlich vom Curling, aber das ist noch nicht lange so. «Bis dahin legt man eigentlich nur drauf» und auch jetzt «reicht es gerade so für die Miete».

Das Team, das nicht von Olympiagold «träumt»

Olympisches Gold bezahlt zwar nicht die Miete, verschafft aber Genugtuung. Das Problem: Käufeler und sein Team haben nun das Stechen gegen die Genfer um Peter De Cruz verloren. Die bitterste Niederlage seiner Karriere. Darum (und dank einer Verkomplizierung des Prozesses durch Corona) verpassen sie die kommende WM. Sollten die Genfer nun an den Weltmeisterschaften abräumen, wird es nichts mit Olympia.

Das heisst: Käufeler muss auf das Versagen eines befreundeten Teams hoffen. «Das ist eigentlich nicht meine Art, aber es bleibt uns nichts anderes übrig», sagt er. Alle Beteiligten wüssten, dass man sich in einer solchen Situation für die anderen sonst Gold wünschte. Aber in diesem Fall: «Sagen wir es so: Die Bronzemedaille würde ich ihnen von Herzen gönnen», lacht Käufeler.Sollte es mit dem Einzug nach Bejing klappen, ist sich der Wettinger des Triumphes sicher: «Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir gewinnen werden. Wir gehen nicht an die Olympischen Spiele, um mitzuspielen, um Silber oder Bronze zu gewinnen. Wir haben jedes Team, das dort dabei sein wird, schon einmal geschlagen. Für uns gibt es nur eines: die Goldmedaille.»

Nein, Käufeler träumt nicht von Olympia.

Er wacht.

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