Schmerzhafte Prognose für die Wettinger Kultur

Mangelndes Sparbewusstsein hatten mehrere Einwohnerratsmitglieder beim Gemeinderat ausgemacht. Mit Kürzungsanträgen sollte das in der Budgetdebatte kompensiert werden. Doch nach rund 4 Stunden hatte das Gemeindeparlament gerade mal 12450 Franken aus dem Budget von rund 88 Millionen Franken gestrichen.

Der Wettinger Einwohnerrat tagte wiederum im «Tägi». Die Sitzung ging bis weit nach Mitternacht.  Sandra Ardizzone/Archiv
Der Wettinger Einwohnerrat tagte wiederum im «Tägi». Die Sitzung ging bis weit nach Mitternacht. Sandra Ardizzone/Archiv

Nach der Inpflichtnahme von Christoph Fäs (EVP) und der Ablehnung eines dringlichen Postulats von Mia Gujer (SP) nahm der Wettinger Einwohnerrat das Budget 2021 in Angriff. Ratspräsident Christian Pauli (FDP) rief zu kurzen Voten auf: «Ich möchte nicht, dass die Sitzung bis Mitternacht geht.» Der Gemeinderat hatte ein Budget mit einem Steuerfuss von 95 Prozent vorgelegt. Dagegen schlug die Finanzkommission (Fiko) 98 Prozent vor, weil die Gemeinde mehr Einnahmen brauche. «Kürzungen heilen unseren Finanzhaushalt nicht», sagte Fiko-Präsident François Chappuis (CVP). Die Fiko setzte bewusst auf die finanzpolitische Sicht: «Es ist besser, jetzt zu reagieren, als weiter zuzuschauen.» Es komme nicht gut, wenn die Schulden bis 180 Millionen Franken steigen würden. Orun Palit (GLP) forderte: «Wir wollen noch mehr sparen.» Auch das Ziel, die Schulden innert einer Generation abzubauen, kritisiert er. Gerade dies wird angestrebt, um die nächste Generation nicht zu belasten. Gujer folgerte, die finanzielle Schieflage gehe vor allem zu Lasten der Jungen. Mit einer Steuerfusserhöhung rechnet Christian Wassmer (CVP): «Aber nicht mit dem Budget 2021.» Unvermeidbar werde sie 2022 oder 2023 sein. Michaela Huser (SVP) forderte «Masshalten bei den Ausgaben».

Die Wettinger Kultur wird in Zukunft leiden

«Wir strecken uns nach der Decke», betonte Vizeammann Markus Maibach (SP), der das Ressort Finanzen leitet. Sparen könne man nicht nur durch Leistungsabbau. Er erinnerte daran, dass die Gesundheitskosten in den vergangenen vier Jahren um rund acht Steuerprozente gestiegen sind.

Palit stellte mehrere Kürzungsanträge, teilweise zusammen mit Martin Fricker (SVP). Unter anderem wollte er das Sitzungsgeld kürzen und die Abstimmungsunterlagen wieder von Hand verpacken lassen. Die Anträge fanden keine Mehrheit. Ebenfalls abgelehnt wurden Vorschläge der Finanzkommission, im Bildungsbereich Gelder zu streichen. Gemeinderat Sandro Sozzi (CVP) warnte vor Qualitätseinbussen: «Nur wer lesen kann, kann lernen», sagte er zum Vorschlag, bei den Schulbibliotheken Geld zu streichen.

Die Kürzung des Beitrages an das Kurtheater Baden hatte im Vorfeld Wellen geschlagen: Der Antrag von Alain Burger (SP), den Beitrag wieder zu erhöhen, fand keine Mehrheit. Weitere Kürzungen wurden als existenzbedrohend für Wettinger Kulturträger wie die Musikgesellschaft Harmonie Wettingen Kloster, die Sommerkonzerte oder die Eduard-Spörri-Stiftung bezeichnet. Gemeinderat Philipp Rey (parteilos) prophezeite: «Die Kürzungen werden weh tun.»

Der Beitrag ans Familienzentrum Karussell wird nicht, wie vom Gemeinderat beantragt, auf 25000 Franken halbiert, sondern nur auf 35000 Franken reduziert. Der Rat entschied sich für den Antrag der CVP. Derjenige der SP, auf die Kürzung zu verzichten, fand keine Mehrheit.

Beim Thema Deutschkurse für Mütter kam es zu einem Eklat: Christian Oberholzer (SP) kritisierte das Votum von Silvia Scherer (SVP) als «von einer tendenziell fremdenfeindlichen Partei». Ratspräsident Pauli reagierte: «Solche Aussagen sollte man für sich behalten.» Scherer erwartet eine Entschuldigung.

Antrag des Gemeinderats kommt mit 21 zu 20 Stimmen durch

Während der Verhandlung hatte Finanzverwalter Martin Frei entsprechend den Abstimmungsergebnissen das Budget aktualisiert. Am Schluss gab Vizeammann Maibach das Ergebnis der einwohnerrätlichen Kürzungen bekannt: «Sie haben 12450 Franken eingespart.» Damit war der Rat beim Steuerfuss angelangt. Die 95 Prozent des Gemeinderates standen den 98 Prozent der Finanzkommission gegenüber. Mit 21 zu 20 Stimmen siegte der Antrag des Gemeinderates. Einige Mitglieder der Finanzkommission stimmten nicht für den Antrag ihrer Kommission, sondern für den ihrer Partei.

Darauf verlangte die SP einen Sitzungsunterbruch. Nach einer fünfminütigen Beratungspause stellte sie einen Rückkommensantrag zum Steuerfuss. Das lehnte der Rat ab. Mit 34 gegen 10 Stimmen genehmigte er darauf das Budget. Am 20. Dezember werden die Stimmberechtigten an der Urne entscheiden.

Die Sitzung dauerte bis morgens um 1.30 Uhr

Simona Nicodet (CVP) sieht in der nächtlichen Abschaltung der Strassenbeleuchtung eine Diskriminierung der Frauen. Deren Sicherheitsgefühl habe sich verschlechtert. Trotz Vorstössen im Parlament wird das Thema künftig vom Gemeinderat geregelt, denn es fällt in dessen Kompetenz, wie Leo Scherer (Wetti­Grüen) präzisierte.

Mit der Realität ihrer Diskussion wurden die Ratsmitglieder nach Sitzungsende konfrontiert. Sie mussten durch das zappendustere Dorf nach Hause finden. Die Sitzung im Tägi hatte bis um 1.30 Uhr gedauert.

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