Beim Malen geniesst sie Freiheit

Renata Hägni ist in der abstrakten Welt angekommen. Der Lockdown war für die Kreativität der Künstlerin nicht dienlich. Sie nutzte die Zeit aber, um mit zwei Kollegen eine Galerie zu gründen.

Nach einem Jahr Arbeit konnte Renata Hägni mit ihren Kollegen die Galerie Anemus in Geroldswil eröffnen. Sandra Ardizzone
Nach einem Jahr Arbeit konnte Renata Hägni mit ihren Kollegen die Galerie Anemus in Geroldswil eröffnen. Sandra Ardizzone

«Gemälde sind das Essen für die Augen» ist die Devise von Renata Hägni. Die Wettingerin faszinierte das Malen bereits als Kind. «Als ich klein war, überraschte es mich immer wieder, welche Vielfalt sich in Linien und Farben versteckt hält und was man alles mit dem Pinsel ausdrücken kann», sagt die 52-Jährige.

Eines ihrer jüngsten Werke nimmt das Thema Farben und Linien auf. Das Bild «Analphabetisch» zeigt eine Fläche mit hellen Farbtönen und zwei orangen Streifen. «Es ist während des Lockdowns entstanden. Ich habe beim Malen an nichts Konkretes gedacht», sagt Hägni, die all ihre Gemälde unter dem Künstlernamen «Ataren» ausstellt. Dieser setzt sich aus den Silben ihres Vornamens zusammen.

«Die orangen Striche symbolisieren die Abstandsmarkierungen und Pfeile, die diese Pandemie prägen», ist Hägnis nachträgliche Interpretation. Die helle und die orange Farbe stünden aber auch für etwas Positives. «Die Krise zeigt uns, dass wir für vieles eine Lösung finden.» Förderlich war der Notstand für die Kreativität der Künstlerin jedoch nicht. «Ich habe in dieser Zeit nur zwei Bilder produziert. Fürs Malen muss ich ruhig sein, das konnte ich während des Shutdowns nicht.» Auch wenn sie Streit mit jemandem habe, wirke sich das negativ aufs Malen aus. «Ich muss Spass haben, wenn ich vor der Leinwand stehe. Mich abregen kann ich besser beim Velofahren oder wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe.»

Sie machte eine Reise durch verschiedene Kunststile

Die Krise nutzte Hägni aber trotzdem: Sie gründete kürzlich mit zwei befreundeten Künstlerkollegen die Galerie Anemus in Geroldswil. Am Samstag wurde sie eröffnet. Dort hängen nun neben den Werken der anderen Galeriebetreiber während eines Monats nicht nur Hägnis zwei Werke aus der Coronazeit, sondern viele weitere, die sie in den vergangenen Jahren geschaffen hat. Sie zeigen die Entwicklung, die die 52-Jährige auf ihrer künstlerischen Reise durchlebte. «Zu Beginn meines Kunstschaffens habe ich realistische und surrealistische Bilder gemalt. Ich war fasziniert von den alten Meistern wie Michelangelo. Sein Spiel mit dem Licht imponierte mir», so Hägni. Die Künstler hätten sich damals an Modellen orientiert oder sich ihrer Fantasie bedient. «Mit der modernen Fotografietechnik heute sind realistische Bilder nicht mehr gebräuchlich. Eine Kamera kann einen Moment exakter festhalten», findet Hägni. Symbolismus und Impressionismus waren ihre nächsten Stationen. «In dieser Zeit habe ich gemalt, was mir gerade Spass machte. Mit dieser Malerei habe ich absolute Freiheit genossen.» Das tut sie noch heute, nur in einer anderen Form. «Wie ein Musiker, der früher oder später beim Jazz landet, bin ich als Malerin in der Welt der Abstraktion gelandet.» Dabei spielt für Hägni ihr Beruf als selbstständige Baumalerin für ihre Kunst eine bedeutende Rolle. Ihre Bilder bestehen nicht nur aus Ölfarbe, sondern werden mit vielen Schichten und Lasuren mit diversen Baustoffen wie Sand, Kreide, Karton, Papier oder Holz angereichert.

Das Bahnhofshäuschen in Würenlos trägt ihre Handschrift

Doch auch ihre Kunst beeinflusst den Beruf. Es gibt so einige Privathäuser und öffentliche Gebäude in der Region, die Hägnis Handschrift tragen. So beispielsweise das Bahnhofshäuschen in Würenlos: «Ich wurde beauftragt, die Fassade mit Ornamenten im Jugendstil zu versehen», erzählt Hägni. In Geroldswil schaffte sie es, fünf Betonsäulen in einem Privathaus so zu bemalen, dass sie aussehen, als bestünden sie aus weissem Marmor. «Es erfüllt mich mit Freude, wenn ich sehe, dass man mit dem Pinsel das Maximum an Ausdruck aus einem Objekt herausholen kann.»

Auch für die neu entstehende Siedlung Steinhof in Würenlos entwarf Hägni eine Visualisierung mit dem Pinsel. «Man wollte ein handgefertigtes statt ein computeranimiertes Bild.» Das künstlerische Handwerk lernte die gebürtige Tschechin in ihrer alten Heimat an der Kunstgewerbeschule in Ostrau. Vertieft wurde es auf einer privaten Meisterschule in Prag, in der sie das Studienfach Ölmalerei und Restaurierungen belegte. Die Kunst war es auch, die Hägni hierher brachte. Als der Eiserne Vorhang aufging, reiste sie durch Europa, machte Halt in der Schweiz und lernte Leute kennen. «Von da an erhielt ich immer wieder Aufträge aus der Schweiz.» Zu ihren Kunden gehörte auch ein Harley-Davidson-Verein aus Luzern, für dessen Clubhaus sie zahlreiche Bilder von Motorrädern fertigte. Die Aufträge häuften sich und Hägni liess sich in der Schweiz nieder.

Seit 20 Jahren lebt sie bereits in Wettingen. «Ich bin eigentlich schon fast Wettingerin», sagt Hägni und lacht. Hier fühlt sie sich wohl. In ihrem Haus, das sie mit ihrem Mann und ihren beiden Hunden bewohnt, hat sich die Künstlerin ihr Atelier eingerichtet. «Dort erlebe ich immer wieder mein schöpferisches Potenzial und kann die Freiheit beim Malen geniessen.»

Renata Hägnis Bilder sind noch bis mindestens am 8. November in der Galerie Anemus an der Dorfstrasse 85 in Geroldswil zu sehen. Die Ausstellung ist jeweils samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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