«Es war Zeit für eine Veränderung»

Knapp 20 Jahre war Meinrad Steimer als Weinkellermeister in Wettingen tätig. Nach der Auflösung der Weinbaugenossenschaft stehen für ihn bald ruhigere Zeiten an.

Meinrad Steimer in seinem Weinkeller an der Rebbergstrasse in Wettingen. Rahel Bühler
Meinrad Steimer in seinem Weinkeller an der Rebbergstrasse in Wettingen. Rahel Bühler

Der Wettinger Wein hat eine lange Tradition. 1951 wird die Weinbaugenossenschaft gegründet. In den nächsten fast 70 Jahren pflegen 28 Wettinger Winzer über 25000 Rebstöcke der Sorte «Pinot Noir». Ein Name hat diese Geschichte seit 1955 geprägt: jener der Familie Steimer. Josef Steimer übernimmt die «Gnossi». 1980, vor 40 Jahren, steigt Meinrad Steimer, 20-jährig, in den Weinbetrieb seines Vaters an der Rebbergstrasse 32 in Wettingen ein. Der gelernte Winzer besucht in den folgenden Jahren die Oenologie-Schule, einen Betriebsleiterkurs, machte die Meisterprüfung. 1995 übernimmt er den Betrieb. Seither ist er das Gesicht des Wettinger Weins und der Weinbaugenossenschaft. Er bewirtschaftet die knapp drei Hektaren eigene Reben. Produziert im Weinkeller an der Rebbergstrasse nicht nur den Wein für die «Gnossi», sondern auch seinen eigenen. Macht dort Lohnkelterungen. Organisiert Degustationen. Verkauft den Wein.

Damit ist nun Schluss. Die Weinbaugenossenschaft hat sich aufgelöst. Einige der Winzer sind der neu gegründeten Weinstern Wettingen AG beigetreten. Andere machen selbstständig weiter (die Limmatwelle berichtete). Arbeitslos wird Steimer damit aber nicht. «2020 wird ein intensives Jahr», sagt er beim Interviewtermin im Weinkeller. Er wird nur noch seine eigenen Reben bewirtschaften. Aus den geernteten Trauben entsteht Wein von der Weinstern AG. Aber nicht mehr im Weinkeller an der Rebbergstrasse 32, sondern in Würenlingen. Die Firma Andreas Meier & Co. keltert den Wettiger Wein neuerdings. Die Weinmarke «Meinrad Steimer Weinbau» wird verschwinden, sobald die letzten Flaschen des Jahrgangs 2018 verkauft sind. Jene von 2019 werden schon unter dem Namen «Weinstern» verkauft. Auch seinen Job als Kellermeister gibt er an die Firma Meier in Würenlingen ab.

Bis 2019 war sein Arbeitsjahr durch den Rebbau geprägt: Von Januar bis März Reben schneiden und anbinden. Im April und Mai dafür schauen, dass die Reben schön wachsen, Gras mähen und Pflanzenschutzmittel spritzen. Im Juni die Rebenblätter entfernen, damit die Trauben gut gelüftet sind und genug Sonne erhalten. Im Herbst Trauben ablesen, einlagern, keltern. Pro Woche arbeitete er rund 55 Stunden.

Das ist 2020 anders: Derzeit ist Steimer zusammen mit Geschäftsleiter Marco Bieri mit dem Aufbau der «Weinstern AG» beschäftigt. «Das gibt im Moment ziemlich viel zu tun.» Im Frühling wird er damit beginnen, neue, pilzresistente Rebsorten zu pflanzen. «Im Herbst wird es wieder etwas ruhiger, hoffentlich», blickt Steimer voraus.

Wenn er an die Zeit zurückdenkt, die er für die Weinbaugenossenschaft und für den eigenen Betrieb gearbeitet hat, kommen Steimer viele positive Dinge in den Sinn: Dreimal holt er mit seinem Wein die Auszeichnung «Aargauer Staatswein». 2011, 2013 und 2017. «Ich habe auch immer gerne mit den Rebbauern zusammengearbeitet. Überhaupt: Ich mache meine Arbeit sehr gerne», sagt der Wettinger. In all den Jahren gab es nicht nur Gutes: Frost (1985 und 1987) oder die Kirschessigfliege (2014) bedrohten die Reben.

Etwas Wehmut schwingt in den Worten Steimers mit. «Ich bin mit den Wettinger Reben aufgewachsen. Sie sind mir ans Herz gewachsen», sagt er. Für ihn seien die Rebstöcke nicht nur Pflanzen. «Zu jedem Stock kenne ich die Geschichte dazu.» Auf der anderen Seite sei er froh, gebe es nun diese «gute Lösung» mit der Weinstern AG. «Es war Zeit für eine Veränderung. Die bisherige Arbeitsweise war veraltet und zu kompliziert.» Ausserdem spüre er die jahrelange körperliche Arbeit. «Mein Rücken macht nicht mehr so mit.» Und wenn es etwas ruhiger wird, habe er auch wieder mehr Zeit für die Familie und Hobbys.

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