«Kircheist mehr als Gottesdienst und Taufe»

Nach 33-jähriger Tätigkeit als Banker hat Franz Melliger im August zur Reformierten Kirchgemeinde Wettingen-Neuenhof gewechselt und amtet dort als Verwalter.

Franz Melliger hat die Bank für die Kirche eingetauscht.Foto: bär
Franz Melliger hat die Bank für die Kirche eingetauscht.Foto: bär

«Ich kann mein breites Wissen, insbesondere in den Bereichen Liegenschaften, Soziales und Finanzen, einbringen», begründet Franz Melliger seinen Jobwechsel. Als Verwalter ist er nämlich auch um die Instandhaltung der Kirche, zweier Kirchgemeindehäuser, drei- er Pfarrhäuser, eines Sigristen-und Mehrfamilienhauses besorgt. «Sie müssen in Schuss gehalten werden, damit es zu keinen Schäden oder grösseren Reparaturen kommt.» Als Verwalter ist er ebenso für Administratives, Finanzielles und Personelles zuständig: Er stellt der Kirchenpflege Kreditanträge, macht Abrechnungen, Buchhaltung und Lohnzahlungen, kümmert sich um Ein-, Austritte und Adressänderungen, um die gegen 2000 internen und externen Raumbelegungen, um Öffentlichkeitsarbeit und um die freiwilligen Mitarbeiter. «Ohne sie könnte das Angebot der Kirchgemeinde nicht aufrechterhalten bleiben.»

Neben dieser grossen Vielfäl-tigkeit und Selbstständigkeit schätzt er den sozialen Hintergrund seiner Tätigkeit. «Bei meiner Arbeit als Bankleiter ging es nur um die Rendite, mein Wert wurde dadurch bestimmt, wie viel ich verkaufe. Das ging mir auf die Nerven», sagt der 49-Jährige. Bewusst habe er deshalb einen finanziellen Abstrich in Kauf genommen, um dafür eine Arbeit ausüben zu können, bei der auch seine soziale Ader zum Zug komme. «Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein.» Obwohl er überzeugt ist, dass Geld nicht alles ist, sei ihm auch bewusst, dass ohne Geld fast alles nichts sei. «Deshalb bin ich als Verwalter besonders stark gefordert, dass die Mittel von der Kirche immer zielgerichtet und haushälterisch ausgegeben werden.» Insbesondere, da die finanziellen Mittel wegen der Kirchaustritte immer knapper würden.

Zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Finanzen werden für Löhne der Kirchenangestellten und den Unterhalt der Liegenschaften ausgegeben. Mit dem restlichen Drittel werden bedürftige Personen, soziale Projekte und soziale Institutionen unterstützt und die eigenen Angebote finanziert. «Man vergisst manchmal, dass die Kirche mehr ist als Gottesdienst und Taufe.» In Wettingen und Neuenhof werden diverse kostenlose Anlässe durchgeführt. Für die Kinder gibt es Kleinkinderfeiern und Sonntagsschule, für die Schulkinder werden Religionsunterricht, Sommerlager und Bastelnachmittage durchgeführt, für Jugendliche gibt es Jugendgruppen und Konfirmandenunterricht und für Erwachsene Bibelseminare, Frauengruppen und Männerrunden, Seniorennachmittage und diverse Kulturanlässe wie Konzerte oder Theateraufführungen. «Neben diesen kostenlosen Angeboten ist die Kirche auch immer wieder Ansprechpartnerin für Notleidende», so Melliger. Doch nicht nur an die Pfarrhaustür wird zu allen möglichen Zeiten geklopft, sondern während der Bürozeiten auch an die des Verwalters. Kürzlich sei ein 70-jähriger Tiroler gekommen, der um Geld zum Übernachten bat. Melliger hat versucht, ihm eine kostenlose Schlafgelegenheit zu besorgen. «Es ist bedenklich, aber es gibt im Kanton Aargau keine Notschlafstelle. Ich musste ihn nach Zürich schicken.» Schlussendlich hat ihm Melliger einen Gutschein für die Fahrt nach Zürich gegeben. «Es gehört meines Erachtens zur Aufgabe der Kirche, Notleidende zu unterstützen. Ich versuche im Gespräch herauszufinden, wie gross die Not wirklich ist.» Manchmal stelle sich dann heraus, dass diese gar nicht so gross sei und man ausgenutzt werde. In solchen Fällen könne Melliger auch Nein sagen. «Als Verwalter braucht man eine breite Schulter. Bevor ich Geld ausgebe, prüfe ich, welchen Nutzen die Gesellschaft davon hat.» Melliger fügt an, dass der Staat ohne die Freiwilligenarbeit und die finanzielle Unterstützung der Landeskirchen ihre Staatssteuern erhöhen müsste, um der Gesellschaft den heutigen Standard zu bieten. «Deshalb wiederhole ich mich: Kirche ist mehr als Gottesdienst und Taufe, und dafür setze ich mich gerne ein.»

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