«Im Normalfall wird der Vize als Ammann gewählt»

Frau Vizeammann Petra Kuster Gerny (SVP) gab überraschend bekannt, dass sie bei den Gesamterneuerungswahlen nicht mehr kandidiert. Sie sagt, warum.
Im April informierte der Gemeinderat, dass die bisherigen Gemeinderäte Petra Kuster Gerny (SVP), Fred Hofer (FDP) und Daniel Burger (parteilos) bei den Gesamterneuerungswahlen am 28. September nochmals antreten, Gemeindeammann Markus Uebelhart (Mitte) hingegen nicht. Mittlerweile ist klar, dass auch Kuster Gerny nicht mehr zur Wahl steht. Sie hat ihre Anmeldung bis zur offiziellen Eingabefrist am 15. August nicht eingereicht. In Neuenhof stehen für die 5 Sitze nur 4 Kandidaten zur Verfügung. Neben Hofer und Burger haben auch der im Mai bei der Ersatzwahl für den verstorbenen Felix Mehmann gewählte Tobias Baumgartner (parteilos) sowie Marcel Gerny (SVP) ihre Kandidatur eingegeben. Sowohl für das Ammann- als auch für das Vizeamt hat niemand kandidiert.
Die SVP teilte in einer Medienmitteilung letzte Woche mit, dass Gerny von den Organen der SVP Neuenhof nicht nominiert, die Partei über seine Absichten nie informiert worden und von der Wahlanmeldung überrascht sei. Gegenüber dem «Badener Tagblatt» bestätigte Gerny vergangene Woche, dass er aus persönlicher Initiative heraus und nicht über eine offizielle Nomination der Ortspartei kandidiert habe. Er wolle sich aktiv für Neuenhof engagieren und es stehe für ihn nicht Parteipolitik, sondern das Wohl der Gemeinde im Vordergrund.
Petra Kuster ist die Stiefmutter von Marcel Gerny und stand ihm als Ressortvorsteherin Feuerwehr vor. Vor mehr als zwei Jahren war die Feuerwehr wegen Unstimmigkeiten mehrmals im Fokus der Medien. Gerny trat im März 2023 zurück, begründete dies damit, dass er sich auf seine Familie und das Grossratsamt konzentrieren wolle. Kuster will aus Gründen des Amtsgeheimnisses nichts zur damaligen Situation sagen, stört sich aber daran, «dass ich als die böse Stiefmutter abgestempelt werde». Sie sagt, sie habe seit vier Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Stiefsohn.
Kritik am Führungsstil
Das Umbesinnen, nicht mehr zu kandidieren, habe allerdings nichts mit ihrem Stiefsohn zu tun, sagt Kuster. Nachdem sie erfahren habe, dass der bisherige Gemeindeammann nicht mehr antrete, habe sie sich sogar überlegt, fürs Ammannamt zu kandidieren. «Für mich ist klar, der nächste Gemeindeammann muss aus dem Gremium kommen», so Kuster. Sie begründet dies einerseits mit der ein- bis zweijährigen Einarbeitungszeit, die ein neues Exekutivmitglied brauche, um dossierfest zu werden. Andererseits mit der schwierigen Situation, in der sich Neuenhof zurzeit befinde. Sie spricht die Finanzen, das verlorene Vertrauen in den Gemeinderat sowie die hohe Fluktuation des Personals an. Gemäss Gemeinderat wurden auf der Finanzverwaltung grosse Mängel entdeckt (die Limmatwelle berichtete). «Die Verwaltung steht kurz vor dem Kollaps. Wir arbeiten mit sehr vielen Springern und Aushilfen.» Als Beispiel nennt sie die Mandatslösung mit der Firma Hüsser Gmür + Partner AG, um die mehrmonatige Lücke zwischen dem Weggang des langjährigen Finanzverwalters bis zum Arbeitsbeginn der neuen Finanzverwalterin zu schliessen.
Es sei zwar richtig, dass der Gesamtgemeinderat für alle Geschäfte verantwortlich sei, sagt Kuster. Allerdings gibt sie dem Gemeindeammann als Ressortvorsteher Finanzen und Personal die Hauptverantwortung dafür und wirft ihm Führungsschwäche vor. «Deswegen haben wir auch einen Coach geholt, der an mehreren Gemeinderatssitzungen dabei war und insbesondere den Gemeindeammann geschult hat, Führungsaufgaben wahrzunehmen. Das hat jedoch nur kurzfristig geholfen.» Führungsschwäche sei im Neuenhofer Verwaltungssystem ein Problem, so Kuster. «Denn jeder Gemeinderat ist zwar fachlich für sein Ressort verantwortlich, hat aber nichts zu sagen, was die Wahl des Personals, beispielsweise des Abteilungsleiters, betrifft. Die Führung der Abteilungsleiter untersteht ebenfalls nicht der Führung der Ressortvorsteher, sondern des Gemeindeammanns.»
Auf die Kritik am Führungsstil angesprochen sagt Uebelhart: «Es liegt nicht an mir, meine Führungsqualitäten zu beurteilen.» Er bestätigt, dass der Gemeinderat vor ein paar Jahren externe Unterstützung hatte, um gewisse Punkte zu verbessern. Zur Wahl von Abteilungsleitenden sagt er: «Jede Wahl wird nach Vorlage der Bewerbungsunterlagen und einer Anhörung im Gesamtgemeinderat von diesem vorgenommen.» Die Wahl des übrigen Personals erfolge gemäss Delegationsreglement auf Antrag der Abteilungsleitenden und in Rücksprache mit diesem durch die Personaldienste, also dem Gemeindeammann zusammen mit dem Gemeindeschreiber. Uebelhart sagt, dass die Führung der Abteilungsleitenden beim Gemeindeammann liege, fügt jedoch an: «Es ist den Ressortvorstehern durchaus möglich, mit ihren Abteilungsleitenden zu sprechen und sich auszutauschen.»
Vorwürfe an Mitte-Partei
Weiter wirft Kuster der Mitte-Partei vor, bei der Auswahl ihrer Kandidaten nicht auf Führungsstärke zu setzen. «Es geht ihr hauptsächlich darum, überhaupt Kandidaten zu haben. Ich erwarte aber von einem Parteipräsidenten, dass er sich selbstkritisch hinterfragt, ob er die richtigen Leute am richtigen Ort platziert.» Im Namen des Vorstands der Mitte-Partei schreibt Präsident Marco Hürsch dazu: «Die Ortspartei Die Mitte Neuenhof ist ein politischer Verein, der sich im Rahmen der politischen Rechte für die Dorfpolitik engagiert. In diesem Zusammenhang führen wir mit interessierten Persönlichkeiten jeweils vor Wahlen Gespräche, motivieren sie für politische Ämter und unterstützen sie als Kandidatinnen und Kandidaten bei Wahlen.» Er weist darauf hin, dass die Stimmbürger die Amtsträger wählen. Für die Gesamterneuerungswahlen stellt die Partei keine Kandidierenden (die Limmatwelle berichtete.)
Gemäss Kuster hat Mitte-Parteipräsident Marco Hürsch sie allerdings im Juni informiert, dass er sich selbst eine Kandidatur überlege, und zwar als Gemeindeammann. Sie hat dies als persönlichen Angriff gegen sich empfunden. «Im Normalfall wird der Vize als Ammann gewählt, ausser er macht einen Bock oder ist schlecht.» Für sie sei klar geworden, dass sie entweder als Frau Ammann kandidieren werde oder gar nicht. «Gleichzeitig wusste ich, dass ich gegen einen Mitte-Kandidaten keine Chance habe. Und ich habe auch keine Kraft für einen Wahlkampf mit einer Schlammschlacht.» Diese wolle sie nun mit ihrem Nicht-Antreten verhindern.
Hürsch bestätigt, dass er sich «mit dem Gedanken getragen habe, für das Amt als Gemeindeammann zu kandidieren». Er sei von vielen Bürgerinnen und Bürgern motiviert worden, habe sich aber nach intensiven Gesprächen mit seiner Familie gegen eine erneute Kandidatur entschieden.
Kuster will Glaubwürdigkeit zurück
«Ich hätte mir gewünscht, dass die Parteien zusammen die beste Lösung für Neuenhof suchen und sich absprechen», sagt Petra Kuster. Dass sich die Partei (siehe Parteinotiz unten) nun erstaunt zeigt, dass keiner der Bisherigen Verantwortung übernimmt, findet sie «unehrlich»: «Ich hoffe, dass die Bevölkerung der Mitte-Partei gegenüber kritischer wird und endlich zum Wohle von Neuenhof handelt und nicht einer einzelnen Partei.» Vor allem aber hoffe sie, mit ihrem Nicht-Antreten ihre Glaubwürdigkeit wieder zurückzugewinnen. «Ich will wieder durchs Dorf gehen können, ohne als ‹böse Stiefmutter› oder ‹Ammannverhinderin› abgestempelt zu werden.»