Die Besucherzone im «Sonnmatt» schafft ein bisschen Nähe

Pflegebedürftige Bewohner der Alterssiedlung Sonnmatt können nun wieder ihre Angehörigen treffen. Die Heimleitung hat dafür ein spezielles Zimmer eingerichtet.

Geschäftsführer Thomas Zeller und Pflegedienstleiterin Katharina Betschmann zeigen die neue Besucherzone. Sibylle Egloff
Geschäftsführer Thomas Zeller und Pflegedienstleiterin Katharina Betschmann zeigen die neue Besucherzone. Sibylle Egloff

Die Eingangstüre der Alterssiedlung Sonnmatt in Neuenhof ist streng bewacht. Ein Zivilschützer lässt nur Zulieferer, Bewohner und Angestellte eintreten. Rechts neben dem Einlass stehen ein blaues Partyzelt und ein fünf Meter langer Tisch. Angehörige und Seniorinnen und Senioren, die in den 46 Alterswohnungen leben, treffen sich hier seit rund drei Wochen mit viel Abstand und den nötigen Coronaschutzmassnahmen. Verwehrt war diese Form des Austauschs jedoch den Bewohnerinnen und Bewohnern der Pflegeabteilung bis zur Lockerung des generellen Besuchverbots für Pflegeheime ab dem 11. Mai.

«Sie gehören zu den Höchstrisikopatienten. Viele von ihnen sind dement, körperlich beeinträchtigt und haben Vorerkrankungen wie etwa Lungenleiden», sagt Geschäftsführer Thomas Zeller. Das oberste Gebot sei deshalb, die vulnerablen Bewohner zu schützen. «Wir möchten einen Coronafall unbedingt verhindern. Dies auch, weil die Pflegebedürftigen in Zweierzimmern wohnen und die Ansteckungsgefahr bei einer Erkrankung extrem hoch wäre», sagt Pflegedienstleiterin Katharina Betschmann.

Besucher sitzen draussen und Bewohner drinnen

Zeller und Betschmann haben nun aber eine vertretbare Lösung gefunden, damit die 28 pflegebedürftigen Bewohner von der Lockerung des Besuchsverbots profitieren und ihre Angehörigen wieder sehen können. Die Heimleitung hat eine Besucherzone eingerichtet, die sich teils draussen auf der Gartenterrasse im Parterre und teils drinnen im Mehrzwecksaal befindet. «Die Besucher setzen sich hier draussen hin», erklärt Zeller und zeigt auf die beiden orangefarbenen Gartenstühle, die unter dem Dach vor dem Fenster des Mehrzwecksaals stehen. «Die Bewohner nehmen im Gebäude Platz.» Das Fenster bleibe zwei Spalte offen. Dazwischen werde eine Plexiglasscheibe geklemmt, die 1,3 Meter hoch ist, sagt Zeller. «Wenn beide Parteien sitzen, kann man so die Tröpfchenübertragung beim Sprechen ausschliessen.» Und trotzdem könne man sich gut verständigen, weil das Fenster gegen oben offen sei. Angehörige müssen sich vor einem Besuch beim Tagesverantwortlichen der Pflegeabteilung melden. «Das Pflegepersonal bringt die Bewohner und Angehörigen ins Besucherzimmer und sorgt dafür, dass alle Hygieneregeln beachtet werden», sagt Zeller. Die Treffen dauern in der Regel 20 Minuten.

Den Tisch im Besucherzimmer schmücken zwei kleine Rosengestecke. «Die sind noch vom Muttertag», sagt Betschmann. Pflegeheimbewohner durften bereits am Muttertag Besuch empfangen. Das Angebot wurde sehr geschätzt. «Zehn Parteien haben es in Anspruch genommen», sagt Betschmann. Dass man sich wieder sehen kann, sei ein grosses Anliegen der Bewohner und ihrer Familien gewesen, bestätigt Zeller. «Wir haben viele Briefe und Telefonate erhalten, in denen uns Angehörige mitteilten, dass sie sich am Besuchsverbot stören», erzählt Zeller. Man befinde sich in einem Dilemma. «Wir stehen in der Mitte, verstehen die Bedürfnisse der Bewohner und ihrer Angehörigen und müssen gleichzeitig unsere Verantwortung wahrnehmen und die Bewohner schützen», so Betschmann.Die Besucherzone komme bei einem Grossteil der Pflegeheimbewohner und ihren Angehörigen gut an, sagt Betschmann. Doch es gebe auch solche, die keine Freude daran hätten. «Das Getue wurde auch schon mit den Besuchen in Gefängnissen verglichen», sagt Zeller. 

Pflegepersonal nimmt Eigenverantwortung wahr

Die Betreuung der Bewohner ist derzeit keine leichte Aufgabe für die 53 Angestellten der Alterssiedlung. Das Personal kümmert sich in der Coronakrise noch intensiver um die Senioren. Diese werden nämlich ungeduldig. «Sie wollen wieder rausgehen und selber einkaufen oder ihre Liebsten umarmen können», sagt Betschmann. Zudem habe sich das Pflegepersonal seit Ausbruch des Virus privat sehr eingeschränkt. «Es hat gar keinen Kontakt mehr zu Eltern und Freunden.» Die Eigenverantwortung werde grossgeschrieben. «Für uns ist das ein Glücksfall, weil wir das nicht direkt beeinflussen können», sagt Zeller.
Im derzeit für die Öffentlichkeit geschlossenen Restaurant der Alterssiedlung dominiert Covid-19 auch bei den Senioren kurz vor Mittag das Tischgespräch. Lea Schibli lebt seit 18 Jahren in der Alterssiedlung. Sie kann es kaum erwarten, wieder selber einkaufen zu gehen. «Eine Kollegin macht derzeit Besorgungen für mich, aber es funktioniert nicht gut. Sie findet nicht immer die richtigen Produkte», sagt die 90-jährige Neuenhoferin.
Auch für Lieselotte Jecklin ist die Situation mühsam. Ihren in Oberrohrdorf wohnhaften Partner hat sie schon seit acht Wochen nicht mehr sehen dürfen. «Sonst gehen wir an den Wochenenden gemeinsam einkaufen und auswärts essen», sagt die 77-jährige gebürtige Münchnerin. Ihren Geburtstag im April musste sie ohne ihn feiern. «Etwas mehr Freiheit wäre schon schön», sagt sie. Jutta Jauslin kann sich für die neue Besucherzone nicht erwärmen. «Meine Tochter arbeitet in Neuenhof, aber ich will nicht, dass sie ihre Mittagspause dafür opfern muss.» Nichtsdestotrotz bleibt die 70-Jährige zuversichtlich: «Wir sind schon mit ganz anderen Sachen fertiggeworden.»

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