Grosse Freude bei Wirten

«Wir freuen uns», kommentiert Fredi Riesen den Bundesratsentscheid über die Öffnung der Restaurants. Der Pächter des Restaurants Rüsler spricht da wohl vielen Gastronomen aus dem Herzen.

Miteigentümer Felix Zürcher nutzte die Zwangsschliessung und betonierte und sicherte einen Teil der Aussenmauer des Restaurants  Rüsler neu.Melanie Bär
Miteigentümer Felix Zürcher nutzte die Zwangsschliessung und betonierte und sicherte einen Teil der Aussenmauer des Restaurants Rüsler neu.Melanie Bär

Am Himmel sind dunkle Wolken zu sehen, die Wetterprognosen sagen Regen voraus. Ein paar Spaziergänger stehen vor der geschlossenen Gartenbeiz des Restaurants Rüsler und wechseln über den Hag ein paar Worte mit dem Pächter Fredi Riesen. «Bis am Freitag», sagt der Gast und winkt Riesen beim Gehen zu. Es ist kühl und grau an diesem Mittwoch. Und trotzdem ist es ein Freudentag für das Wirtepaar, ja für die ganze Gastronomie. Kurz vorher hatte der Bundesrat darüber informiert, dass die Restaurants ab Ende Mai auch ihre Innenräume wieder öffnen dürfen. «Wir sind ‹gotte­froh›, das hat der Bundesrat gut gemacht», kommentiert Dagmar Riesen. Ihr Mann pflichtet bei: «Lässig, lässig, wir freuen uns!»

Nach über fünf Monaten kann die gelernte Servicefachfrau wieder das tun, was sie am liebsten tut: Gastgeberin sein, wie sie sagt. Und auch ihr Mann freut sich, endlich wieder für mehr Personen als für seine Frau und sich zu kochen. Sagt es und holt aus der Küche drei Teller aus Chrom, die bis drei Meter lang sind. Die Platten hat er extra für seine Hausspezialität anfertigen lassen: den bis zwei Meter langen Giraffenhals, ein Schweins-Cordon-bleu. Zusammen mit Pommes frites serviert er darin das Fleisch. 800 solche Cordon bleus hat er in den letzten Jahren jährlich serviert. Und dann kam Covid-19.

Stress, wenn nichts läuft

Es seien lange fünf Monate gewesen, sagt der Wirt: «Wir haben Stress, wenn nichts läuft, nicht, wenn viel läuft.» Seine Frau fügt an: «Deshalb hat uns Corona gestresst.» Beklagen wollen sie sich aber nicht. Dank Härtefallgesuch und Kurzarbeit seien sie über die Runden gekommen. Ohne Arbeit sei ihnen aber ab und zu fast die Decke auf den Kopf gefallen, ihnen habe der Kontakt zu den Gästen gefehlt. «Wir fühlten uns manchmal ein bisschen wie im Kloster, so ganz alleine im Haus.» Die einzigen Nachbarn sind das Ehepaar im Wohnhaus neben dem Restaurant Rüsler. Ansonsten lebt niemand an diesem abgelegenen Ort, über drei Kilometer von Neuenhof entfernt.

Brandmauer saniert

«Das Gebiet Rüsler wurde im Mittelalter erstmals als Verbindung zwischen Mellingen und Neuenhof erwähnt», sagt Felix Zürcher. Das Restaurant sei 1892 erbaut und 1987 von seinem Vater Ewald Zürcher gekauft worden. Seine Idee war, den Rüsler als Naherholungsgebiet zu erhalten. Nach dem Tod von Ewald Zürcher gingen Liegenschaften, Weideland und Wald in den Besitz seiner Söhne, die das Restaurant weiterverpachteten. Doch wenn es um den Unterhalt des Gebäudes, Landes und Walds geht, legen die Gebrüder wenn immer möglich selbst Hand an.

Sie nutzten die pandemiebedingte Schliessung und strichen das Restaurant und die Wohnung neu. Auch die Aussenfassade des Restaurants wurde saniert und der untere Teil der Grundmauer neu betoniert. «Während des Ausgrabens ist diese Mauer sichtbar geworden, wir gehen davon aus, dass es eine Brandmauer ist», sagt Felix Zürcher und zeigt auf den unteren Teil der Hausmauer. 1935 sei das Restaurant bis auf diese Grundmauern niedergebrannt.

Die Tochter übernimmt

Nach 14 Jahren wollen Dagmar und Fredi Riesen das Restaurant langsam in die Hände ihrer Tochter übergeben, die soeben das Wirtepatent erworben hat. Ganz weg sind sie aber nicht, sie wollen ihre Tochter in der Anfangsphase tatkräftig unterstützen. Sie freuen sich, dass sie ihre Gäste nun auch bei schlechtem Wetter wieder bewirten dürfen. «Nur bei schönem Wetter offen zu halten, macht die Planung sehr schwierig», sagt Fredi Riesen. Jeweils drei Tage im Voraus musste er entscheiden, ob die Gartenbeiz öffnet oder geschlossen bleibt. «Denn wir mussten ja das Personal bestellen und das Essen einkaufen.» Traf dann die erwartete Wetterprognose einmal nicht ein, reagierten nicht alle Gäste verständnisvoll. Umgekehrt warteten sie vergebens auf Wanderer, Biker oder andere Gäste.

Kurz nachdem Bundesrat Berset vergangene Woche die Öffnung der Gastronomiebetriebe bekannt gab, lief das Telefon heiss, die ersten Reservierungen wurden gemacht. Das Wirtepaar freuts, sie warten nur darauf, die Chromstahlplatten wieder mit Giraffenhälsen zu füllen – auch wenn sie es aufgrund der langen Schliessung dieses Jahr wahrscheinlich nicht auf 800 Stück schaffen werden.

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