«Tanzen ist unser Nationalsport»

Am Samstag wollte der serbische Folkloreverein Kud Kolo Baden das erste Mal dieses Jahr ein Musikabend veranstalten. Daraus wird nun wieder nichts. Langsam gehts dem Verein an die Existenz.

Mia und Viktor tanzen in der jüngsten Gruppe vom Kud Kolo Baden. Die Aufnahme stammt von 2019. Damals waren sie fünf Jahre alt.  zVg
Mia und Viktor tanzen in der jüngsten Gruppe vom Kud Kolo Baden. Die Aufnahme stammt von 2019. Damals waren sie fünf Jahre alt. zVg

Um eines vorwegzunehmen: Der serbische Folkloreverein Kud Kolo Baden mit Sitz in Neuenhof ist nicht der einzige, dem es in diesem Jahr nicht gut geht. Aber seine Geschichte zeigt das Problem, mit dem sich viele Vereine und Unternehmen heuer herumschlagen müssen, exemplarisch auf. 

Normalerweise nehmen die Tanzgruppen des Folklorevereins pro Jahr an 20 Auftritten teil. Führen ihre Tänze auf, geben ihre Tradition weiter, frönen dem Beisammensein. Pro Jahr veranstaltet der Verein in seinem Lokal im Neuenhofer Industriegebiet mehrere Musikabende. So einer wäre am 7. November geplant gewesen. Mit Essen, Getränken, Musikern aus Serbien. Drei Wochen vorher sagte der Vereinsvorstand den Anlass ab. Corona hat das Leben in der Schweiz wieder fest im Griff. Dieser Artikel hätte denn auch eine Vorschau auf den Musikabend in Neuenhof werden sollen. Nun nimmt Präsident Karlo Djuric am anderen Ende der Leitung den Telefonhörer ab und erzählt über seinen Verein. Er ist fast seit dessen Gründung 1981 dabei. Am Ziel, Bräuche  aus der alten Heimat an die kommenden Generationen weiterzugeben, hat sich bis heute nichts geändert. Damals habe er als Teenager mit dem Tanzen begonnen, sagt Djuric. Allerdings in einem anderen serbischen Tanzverein aus Neuenhof. «Kud Kolo» hatte noch keine Kinderabteilung. 1986 wechselte er ins erste Ensemble. Wäre dies ein Artikel über einen Fussballverein, spräche man von der ersten Mannschaft. Der heute 50-Jährige beschreibt die Auftritte aus einer Mischung aus Gesang, Tanz und Schauspiel. Man erzähle dabei eine  Geschichte. 

Das älteste Vereinsmitglied ist 55 Jahre alt, das jüngste 4

Mittlerweile zählt der Verein 120 Aktiv- und 50 Passivmitglieder. Die Aktiven sind in vier Gruppen aufgeteilt: Die Vier- bis Elfjährigen lernen, sich zum Takt und der Musik zu bewegen. Die 11- bis 15-Jährigen üben bereits richtige Choreografien. Im ersten Ensemble kann man ab 15 Jahren mitmachen. Seine Mitglieder trainieren zweimal pro Woche. «Man denkt es nicht. Aber das Training ist oft ziemlich anstrengend», sagt Djuric. Von 1989 bis 2006 war er selbst Mitglied und Tanzleiter des ersten Ensembles. Heute tanzt er noch bei den Senioren mit. Er leitet die Gruppe auch. Die Senioren sind die vierte Tanzgruppe des Vereins. Sie ist die einzige, die keine Meisterschaften mehr bestreitet. 

Das älteste Vereinsmitglied ist 55 Jahre alt. Das Jüngste 4. Es ist Djurics jüngster Sohn. «Er hatte schon immer Freude, seinen älteren Geschwistern zuzuschauen, und wollte auch mitmachen.» Nebst den Ältesten, den Senioren, trainiert Djuric auch die Tanzgruppe der Kleinsten.

Momentan hat der Verein nur serbischstämmige Mitglieder. Das liege an der Sprache: «Wir reden nur serbisch. Egal ob im Training oder beim gemütlichen Beisammensein.» Falls aber jemand, der kein Serbisch spreche, Lust habe, vorbeizuschauen, würde man schon übersetzen. «Jeder, der sich für uns interessiert, ist willkommen.» Die meisten Mitglieder kommen aus dem Bezirk Baden und dem restlichen Aargau. Manche auch aus dem angrenzenden Zürcher Limmattal. «Früher kamen sogar Leute aus Deutschland zu uns», sagt Djuric. Er selbst wohnt in Eggenwil. Damals habe es noch nicht so viele serbische Folkloretanzvereine gegeben. Das hat sich mittlerweile geändert: Momentan gehören 20 Tanzvereine zum Verband serbischer Folklore in der Schweiz. Zwei existieren ausserhalb des Verbands. Sie treffen sich regelmässig zu Meisterschaften und Auftritten.
Es gebe viele Gründe, wieso Kinder mit dem Folkloretanzen beginnen, sagt der Vereinspräsident. Manchmal seien es die Eltern, die finden, ihre Kinder sollen ihre Identität nicht verlieren. Djuric sagt: «Folklore muss man als Serbe können. Das ist unser Nationalsport.» Ihm bereite das Tanzen auch nach fast 40 Jahren grosse Freude. 

Nächstes Jahr feiert der Verein sein 40-jähriges Bestehen

Der Neuenhofer Verein tritt sonst etwa am Wettiger Fäscht oder am Zürifäscht auf. Dahinter stecken zwei Gedanken: Erstens will der Verein zeigen, was er macht und kann. Andererseits generiert er damit einen Grossteil seiner Einnahmen. 

Seit 1997 mietet der serbische Verein ein Tanzlokal von 360 Quadratmeter in der Neuenhofer Industrie. Er ist mit Spiegeln, Tanzparkett, einem Café, Kellerräumen, Garderoben und einem Sitzungszimmer ausgestattet. Mit den Mitgliederbeiträgen allein lässt sich die Miete nicht finanzieren. 

Dieses Jahr fielen sie ausnahmslos ins Wasser. Das widerspiegelt sich in den Finanzen des Vereins: «Wie bei vielen anderen auch wird das Geld langsam knapp.» Der Vermieter ist ihnen während des Lockdowns im Frühling entgegengekommen. Sie mussten
50 Prozent weniger Miete bezahlen. Wie es nun weitergeht, wisse er momentan noch nicht. Nur etwas ist klar: 2021 wird der Verein 40 Jahre alt.

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