Wasser bleibt Wasser, Elektrizität bleibt Elektrizität

In Neuenhof ist eine neue Energie-Ära angebrochen. Künftig liefert nicht mehr die Gemeinde Strom und Wasser, sondern die «ewn».

Hat mit der «ewn» keinen einfachen Prozess hinter sich: Vizeammann Petra Kuster Gerny  (Bild: Dieter Minder)
Hat mit der «ewn» keinen einfachen Prozess hinter sich: Vizeammann Petra Kuster Gerny (Bild: Dieter Minder)

Rein physikalisch hat sich in Neuenhof nichts geändert. Wenn man den Hahn aufdreht, fliesst Wasser, wenn man den Schalter betätigt, fliesst Elektrizität. Doch organisatorisch hat vor einem Jahr eine neue Ära begonnen. Lieferant ist nicht mehr die Gemeinde, sondern die selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt «Elektrizität Wasser Neuenhof» («ewn»). Das Unternehmen ist eine Pionierorganisation; es ist die erste selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt auf Gemeindeebene, die im Aargau gegründet wurde. Obwohl der Kanton die Möglichkeit juristisch geregelt hatte, stellt Vizeammann Petra Kuster Gerny fest: «Die Verselbstständigung war schwierig.» Kuster betreut in der Exekutive die Gemeindeanstalt sowie den Bereich Sicherheit (Feuerwehr, Zivilschutz). Vieles war auch für die kantonalen Instanzen Neuland. «Es dauerte einige Zeit, bis wir die «ewn» ins Handelsregister eintragen konnten», sagt Kuster. Der Eintrag ist aber Voraussetzung, um ein Bank- und ein Postkonto eröffnen zu können. Deshalb war es im April 2020 nicht möglich gewesen, Akontorechnungen zu versenden. Entsprechend hoch waren dann die Rechnungen im Juli nach dem Ablesen der Zähler. Das führte zu einigen Reklamationen, die aber schnell ausgeräumt werden konnten.

«Die ‹ewn› kann nun wie ein Unternehmen arbeiten», sagt Kuster. Sie ist flexibler, um auf Marktveränderungen zu reagieren. Besonders im Hinblick auf den liberalisierten Strommarkt ist das ein wichtiger Aspekt. Unternehmen mit grossem Elektrizitätsverbrauch müssen diesen bereits heute nicht mehr beim Gemeindewerk kaufen, sondern können sich einen anderen Anbieter suchen. Durch geschickten Stromkauf kann die «ewn» ihrerseits günstig einkaufen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Teil der in Neuenhof verbrauchten Elektrizität wird im Kraftwerk des Wettinger Stausees fabriziert. Diese Versorgungsleitung wurde mit der neuen Kraftwerkskonzession im Jahr 2000 für Wettingen und Neuenhof eingerichtet.

Im Aargau noch einzigartig

Die «ewn» hat selber kein Personal. Die gesamte Betreuung liegt bei der Regionalwerke AG Baden. Deren Spezialisten (Strom, Wasser, Finanzen) bilden, zusammen mit Daniel Lötscher, dem Leiter Tiefbau der Gemeinde Neuenhof, die Geschäftsleitung. Der Geschäftsleitung übergeordnet ist die vom Gemeinderat gewählte Werkkommission. Sie wird von Vizeammann Kuster präsidiert: «Als Werkkommission werden wir durch die Geschäftsleitung regelmässig informiert und legen die strategische Ausrichtung fest.» Die Werkkommission entspricht einem Verwaltungsrat in einer AG. So frei wie ein Verwaltungsrat ist sie aber nicht. «Der Gemeinderat verabschiedet die Anstaltsordnung und formuliert darin die Eigentümerstrategie», präzisiert Kuster. Mit den Erfahrungen des ersten Jahres stellt Kuster fest: «Für uns ist diese Regelung ein absoluter Gewinn, wir können wie eine Aktiengesellschaft agieren und sind doch bei der Gemeinde angesiedelt.» Ob das Beispiel der selbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt Schule machen wird, ist offen.

Die Zahlen stehen im Internet

Mit der Gründung der «ewn» sind die Infrastrukturanlagen der Werke ins Eigentum der «ewn» übergegangen. Deren Wert liegt bei rund 24 Millionen Franken. Die Gemeinde gewährt der «ewn» ein Darlehen, welches diese verzinst und somit der Gemeinde neben Gewinnausschüttung und Konzessionsabgabe einen regelmässigen Ertrag sichert. In ihrem ersten Geschäftsjahr hat die «ewn» bei einem Betriebsertrag von 6,7 Millionen Franken einen Gewinn von rund 1 Million Franken erwirtschaftet. An ihre Kundinnen und Kunden lieferte sie 28 Gigawattstunden elektrischen Strom und 609000 Kubikmeter Wasser. Diese und weitere Details sind im Geschäftsbericht 2020 enthalten. «Es macht keinen Sinn, den Geschäftsbericht zu drucken und zu versenden», sagt Kuster. Erfahrungsgemäss landen solche Schriftstücke im Altpapier: «Wir können uns diese Kosten sparen.» Der Geschäftsbericht kann im Internet gelesen oder heruntergeladen werden: www.ewn-neuenhof.ch. Wer dazu keine Gelegenheit hat, kann bei der «ewn» einen Ausdruck bestellen.

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