Das letzte Wort

Bei mir zu Hause herrscht reger Flugverkehr. Und auch das Bodenpersonal ist im Dauereinsatz. Es blüht, zirpt und zwitschert. Sommerzeit eben. Ich liebe diese Jahreszeit, wenn sich die Natur in voller Pracht zeigt. Das war schon als Kind so. In unserem Garten standen Apfel-, Birnen- und Aprikosenbäume und im Treibhaus meines Vaters konnte das ganze Jahr über irgendetwas geerntet werden. Saisonal zu essen, war kein Modetrend, sondern Normalität. Ebenso biologische Vielfalt – auch wenn damals kaum jemand von Biodiversität sprach (Artikel S. 11). Dafür wusste man vor 40 Jahren noch, was eine Sense ist. Mein Vater schnitt das Gras damit, liess es trocknen und schuf so den Wintervorrat für unsere Kaninchen.
Heu habe ich im Moment auch im Garten, allerdings nicht, um Futter zu produzieren, sondern weil ich den Rasen bewusst nicht wässere. Zugegeben, das saftig grüne Gras in den Nachbarsgärten sieht schöner aus. Und auch über den Kirschbaum müsste ich wohl mal ein Netz spannen; im Moment sind die Krähen und Elstern schneller mit Ernten als ich. Dazu sind sie noch wählerisch, was wiederum den Igel freut, der sich beim nächtlichen Besuch über Maden und Würmer im heruntergefallenen Obst hermacht.
Ihm scheint es egal zu sein, dass der Speiseplan nicht variiert. Ich hingegen habe es gehasst, wenn gefühlt jeden Tag Patisson auf dem Teller landete, weil der Garten damit überquoll. Da half es auch nicht, dass meine Mutter ihn abwechselnd mit Hackfleisch füllte, zu Gratin verarbeitete oder eine Suppe damit kochte. Sie kennen diesen weissen Gartenkürbis nicht? Seien sie froh!
Allerdings gebe ich zu; es hat mir nicht geschadet. Ich habe hautnah erlebt, was Biodiversität bedeutet und über Flugverkehr und Igel im Garten freue ich mich sowieso. Selbst im verdörrten Gras sehe ich einen Nutzen. Patisson hingegen werden in meinem Garten nie wachsen. Feedback an:
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