«Das letzte Wort»

Andrée von Allmen feierte am 17. April ihren 104. Geburtstag im Altersheim Senevita in Spreitenbach (siehe Artikel Seite 8/9). Ich selbst durfte sie an ihrem 102. Wiegenfest besuchen und ein Porträt über sie schreiben. Eine eindrückliche Begegnung. Es kommt nicht oft vor, dass man einem Menschen gegenübersitzt, der mehr als ein Jahrhundert Lebenserfahrung mit sich bringt.
In 100 Jahren passiert so einiges. Der Zweite Weltkrieg, der Kalte Krieg, der Fall der Mauer, die Schaffung der EU, Klimawandel, technologische und wissenschaftliche Fortschritte wie Penicillin, Farbbildfernseher, Chemotherapie oder die Erfindung des Internets. Das alles hat die Jubilarin in ihrem Leben bewusst und unbewusst miterlebt.
Dass die heute noch eher seltene Zahl geknackt wird, könnte im Verlauf der Zeit jedoch zur Normalität werden. 2024 lebten in der Schweiz fast 2200 Personen, die 100 Jahre oder älter sind. Drei Viertel davon sind Frauen. Diese Zahl steigt stetig an. Etwa ein Drittel der im Jahr 2024 geborenen Mädchen könnte voraussichtlich 100 Jahre alt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass meine beiden Töchter mit den Jahrgängen 2021 und 2024 die 100-Marke knacken, ist also durchaus plausibel.
Sind das gute Aussichten? Mit dem Alter steigen bekanntlich die Gebrechen und sinken gleichzeitig die Fähigkeiten. Und trotzdem hat die Zahl 100 etwas Besonderes. Sie stellt ein magisches Ziel dar. Eines, das auch mich als Kind reizte. Mein fünfjähriges Ich wünschte sich vor mehr als 30 Jahren zum Geburtstag, 100 Jahre alt zu werden. Erfüllen wird sich dieser Wunsch womöglich nicht. Doch ich gebe mir Mühe, dass ich mein Leben mit so vielen Erlebnissen und Erfahrungen fülle, dass es sich tatsächlich wie ein ganzes Jahrhundert anfühlt.
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