Briefe im Estrich gefunden

Der als verschollen gegoltene Nachlass der Schriftstellerin, Lyrikerin und Klosterfrau Silja Walter wird an der Universität Luzern erforscht.

Setzen sich für die Erforschung des Nachlasses der verstorbenen Benediktinerin Silja Walter ein: (v. l.) Abt Urban Federer, Pater Martin Werlen, Priorin Irene Gassmann, Markus Ries, Esther Vorburger. Valentin Hehli

Setzen sich für die Erforschung des Nachlasses der verstorbenen Benediktinerin Silja Walter ein: (v. l.) Abt Urban Federer, Pater Martin Werlen, Priorin Irene Gassmann, Markus Ries, Esther Vorburger. Valentin Hehli

Priorin Irene Gassmann mit einem der Bücher aus dem Nachlass. Melanie Bär

Priorin Irene Gassmann mit einem der Bücher aus dem Nachlass. Melanie Bär

«Über Frau Mutter habe ich kaum etwas geschrieben. Nach aussen ist unsere Beziehung problemlos. Was sie über mich denkt und spricht, weiss ich weiterhin nicht.» Das sind Zeilen eines handschriftlichen Briefes, in dem Silja Walter (1919–2011) Bezug zur damaligen Priorin nahm, die sie als Frau Mutter bezeichnete. Der Brief, der nachträglich mit dem Datum 17. Januar 1967 versehen wurde, ist eine von vermutlich rund 11000 Seiten Nachlass, der als verschollen galt und vor rund sieben Jahren im Kloster Einsiedeln entdeckt wurde. Er wird nun an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern erforscht.

Silja Walter stammte aus einer Verlegerfamilie, begann nach dem Lehrerinnenseminar ein Literaturstudium und trat mit 29 Jahren ins Kloster Fahr ein, wo sie als Schwester Hedwig bis zu ihrem Tod mit 91 Jahren lebte. In dieser Zeit schrieb sie etliche lyrische Werke und erhielt dafür zahlreiche Auszeichnungen. Irene Gassmann, Priorin im Kloster Fahr, bezeichnet sie als eine der «herausragendsten deutschen Lyrikerinnen aus dem 20. Jahrhundert».

Die Kiste lag im Estrich

«Ich traute meinen Augen kaum, als ich die Bücher sah», erinnert sich Priorin Irene an jenen Tag zurück, als ein Mitbruder im Estrich des Klosters Einsiedeln eine Harasse mit Büchern von Silja Walter entdeckt hatte und ihr zeigte. Noch zu Lebzeiten hatte Silja Walter nach den Briefen und Tagebüchern gefragt, die sie ins Kloster Einsiedeln hatte bringen lassen. Sie habe gewusst, dass viele mit ihrem Schaffen überfordert gewesen seien und starb in der Meinung, dass es vernichtet worden ist, sagt Pater Martin Werlen, ehemaliger Abt von Einsiedeln.

Tagebücher und Briefe im Estrich

Als «verborgenen Schatz» beschreibt Priorin Irene die 25 Bände mit religiösen Tagebüchern und Briefwechseln, unter anderem mit Abt Raymund Tschudi (1914–2011). Rund die Hälfte der Texte wurde bereits im Kloster transkribiert, der Rest wird von Projektleiterin Esther Vorburger und ihrem Team an der Uni erfasst und ausgewertet. Auch ergänzende Informationen werden erhoben, unter anderem Nonnen aus dem Kloster Fahr befragt, die Silja Walter persönlich kannten. Vorburger geht davon aus, «dass wir eine neue Seite von Silja Walter entdecken».

In vier Jahren sollen die Forschungsergebnisse mit einer Publikation abgeschlossen und öffentlich zugänglich gemacht werden. Das Projekt wird unter anderem durch Swisslos Aargau und Stiftungen finanziert.

Als «grossen Gewinn für die historische Forschung und für die gesellschaftliche und kirchliche Aktualität» bezeichnet Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte, den bisher unveröffentlichten Nachlass, der zwischen 1962 und 1967 entstanden ist. In dieser Zeit wurde das zweite vatikanische Konzil beschlossen und Neuerungen in der katholischen Kirche vorgenommen.

Priorin Irene ist stolz auf ihre «Mitschwester»

Für die welterfahrene, künstlerisch begabte Silja Walter sei das bäuerlich-handwerklich geprägte Leben im Kloster eine Herausforderung gewesen. «Sie hat sich dieser Herausforderung gestellt und im Schreiben verdichtet zur Sprache gebracht und verarbeitet», resümiert Priorin Irene Gassmann.

Die persönlichen Texte dieser Zeitzeugin während einer Umbruchzeit geben nicht nur Einblick in ihr Leben als Schriftstellerin und Lyrikerin, sondern auch als Klosterfrau. «Ich bin sehr stolz auf unsere Mitschwester», sagt Gassmann und lässt im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin keinen Zweifel darüber offen, was sie über sie denkt und spricht.

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