Virus fördert Dichtestress im Wald: Jagdaufseher stellt mehr Verstösse fest

Sven Böhringer versucht, die Waldbesucher darüber aufzuklären – stösst dabei aber nicht immer auf Verständnis.

Jagdaufseher Sven Böhringer geht mit Hund Floki durch den Wald. Sibylle Egloff
Jagdaufseher Sven Böhringer geht mit Hund Floki durch den Wald. Sibylle Egloff

Sven Böhringer bahnt sich den Weg durch den Bicker Wald in Würenlos. Er ist mit seinem Hund Floki abseits des befestigten Wegs unterwegs – für Fahrzeuge und Reiter eigentlich verboten. Doch der Jagdaufseher der Gemeinde Würenlos will zeigen, dass das einige Waldbesucher nicht ernst nehmen. «Die Seitentriebe wurden bewusst abgeschnitten. Das ist ein glatter Schnitt», sagt Böhringer und zeigt auf ein paar Jungpflanzen entlang des Wegs. «Das ist ein illegaler Mountainbike-Trail, der zum Befahren absichtlich freigehalten wird.» Böhringer ist fast jeden Tag im Würenloser Forst unterwegs und trifft immer wieder auf Personen, die sich nicht an die Regeln halten. «Es gilt ein generelles Fahr- und Reitverbot im Wald, nur auf befestigten Wegen aus Asphalt, Schotter oder Kies darf geritten und gefahren werden.» Viele würden sich daran halten, aber nicht alle.

Seit der Coronakrise stellt Böhringer häufiger als sonst Verstösse fest. «Man könnte überspitzt sagen, dass die Pandemie für Dichtestress im Wald sorgt.» So ist es auch an diesem Samstagmorgen. Der Parkplatz beim Hüttikerberg ist um 10 Uhr bereits gut besetzt. Im Internet gebe es viele Seiten, auf denen Mountainbiker ihre Touren festhalten. «Die Leute haben dann das Gefühl, dass es in Ordnung ist, hier durch den Wald zu fahren. Das verschärft das Problem.» Böhringer meldete die Verstösse der Gemeinde Würenlos. Diese macht deshalb auf ihrer Website ebenso auf die Vorschriften im Wald aufmerksam. «Es geht mir nicht darum, dauernd den Mahnfinger zu erheben. Doch ich möchte das Verständnis dafür wecken, dass jeder Besuch im Wald Spuren hinterlässt. Die Leute müssen begreifen, dass der Wald nicht ihnen gehört. Der Wald ist nicht das erweiterte Wohnzimmer oder das Fitnessstudio des Menschen.»

Die Waldbewohner flüchten vor heranfahrenden Mountainbikern

Der Wald diene Tieren als Lebensraum. «Die Störung durch den Menschen hat Konsequenzen.» Das Betreten von Pfaden abseits des Waldwegs führe beim Wild zu Stress. «Das Heranfahren eines Mountainbikers, der viel schneller unterwegs ist als ein Fussgänger, löst bei den Tieren Alarmbereitschaft aus. Sie flüchten. Während der Flucht können sie nicht fressen, sich nicht um ihre Jungen kümmern. Das hat Auswirkungen auf ihre Gesundheit», erklärt Böhringer. Zudem würde das Wild eine Fluchtdistanz von etwa 50 Metern einhalten. «Wenn ihr Lebensraum zusätzlich durch illegale Mountainbike-Trails durchschnitten wird, ziehen sie sich noch mehr zurück, finden vielleicht zu wenig Nahrung», sagt Böhringer.

Ein Dorn im Auge sind dem Jagdaufseher auch Spaziergänger, die Blumen im Wald und auf Wiesen ausreissen. «Wenn ich sie darauf anspreche, sagen sie, dass es sich ja nur um ein paar Blumen handle. Doch wenn das 30 Leute tun, ist der Schaden beträchtlich.» Er verstehe nicht, wieso sich die Leute nicht einfach an einem schönen Plätzchen in der Natur an den Pflanzen erfreuen könnten, ohne diese gleich mitnehmen zu müssen.

Es raschelt im Wald. «Da sind schon die Ersten», sagt Böhringer, noch bevor er sich in Richtung Geräuschquelle umdreht. Tatsächlich kommen ihm ein Vater und ein Kind auf dem Velo entgegen. Als Böhringer Ersteren auf das Fahrverbot im Wald anspricht, reagiert dieser überrascht. Er habe nicht gewusst, dass das nicht erlaubt sei. Der Vater zeigt sich einsichtig und will mit seinem Sohn auf den befestigten Weg zurückkehren. Einen halben Kilometer tiefer im Wald trifft Böhringer auf den nächsten fehlbaren Mountainbiker. Er zeigt kein Verständnis. «Es ist verrückt, dass man den Leuten alles kaputt macht», sagt der Mann entrüstet. Die Wege sollten mit Schildern gekennzeichnet werden. Das sei genau das, was man verhindern wolle, sagt Böhringer. «Wer in den Wald geht, soll sich vorher darüber informieren, was er darf und was nicht. Wir wollen ihn nicht in einen Schilderwald verwandeln.» Als er dem Mountainbiker erklären will, weshalb das Fahren abseits des befestigten Wegs für die Tiere verheerende Folgen haben kann, reagiert dieser defensiv. Er sei Veganer, ihm würden Tiere am Herzen liegen. «Sie wollen die Tiere doch nur schützen, damit Sie sie nachher abknallen können», sagt er zu Böhringer. Die Konsequenz für ihn sei, dass er nie wieder hierher kommen werde, sagt er und fährt davon. 

Böhringer muss sich öfters solche Aussagen anhören. «Viele Leute fühlen sich angegriffen, wenn ich sie auf das Verbot aufmerksam mache.» Man müsse sich ein dickes Fell zulegen. Er ärgere sich, dass viele kein Unrechtsbewusstsein hätten. «Wir Jäger sind die letzten Fürsprecher des Waldes. Das Erlegen der Tiere macht fünf Prozent unserer Tätigkeit aus. Dies tun wir, um das Gleichgewicht der Flora und Fauna zu regulieren.» Er ist sich sicher, dass er den Mountainbiker wieder im Bicker Wald antreffen wird. Auf dem Weg zurück schüttelt er den Kopf, als er Pferdeäpfel und ein verlassenes Zelt samt Feuerstelle entdeckt. An einer Gabelung besprechen drei Mountainbiker ihre Route. «Ich wusste, dass er wiederkommen wird», so Böhringer. Einer der drei Männer ist der Mountainbiker, der 15 Minuten zuvor noch gelobte, nie wieder den Wald zu besuchen. Für Böhringer ist das frustrierend. Doch er gibt nicht auf. «Die Natur und die Tiere entschädigen mich. Wenn ich eine Weile im Wald sitze und junge Rehkitze beobachte, dann weiss ich, wofür ich das hier alles mache.» 

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