Sie sind die Amphibien-Retter von Würenlos

Endet der Winter, wandern Kröten und Frösche zu ihren Laichgebieten. Damit sie auf diesem Weg nicht von Autos überfahren werden, gibt es auf der Limmattalstrasse an der Grenze zu Oetwil einen Fangzaun. Christian Anner und Raphael Spörri helfen, die Tiere über die Strasse zu transportieren.

Zwei der Helfer, die Frösche und Kröten retten: die Würenloser Raphael Spörri (links) und Christian Anner. Rahel Bühler

Zwei der Helfer, die Frösche und Kröten retten: die Würenloser Raphael Spörri (links) und Christian Anner. Rahel Bühler

Der Amphibienzaun steht an der Kantonsgrenze zwschen Würenlos und Oetwil an der Limmat. Rahel Bühler

Der Amphibienzaun steht an der Kantonsgrenze zwschen Würenlos und Oetwil an der Limmat. Rahel Bühler

Noch ist es ruhig auf der Wiese neben der Limmattalstrasse zwischen Würenlos und Oetwil an der Limmat. Weit und breit kein Frosch, keine Kröte zu sehen. Wäre die Tageszeit weiter fortgeschritten und regnete es heute, wäre das anders: Dann würden Hunderte Amphibien vom Wald am Hüttikerberg zu ihrem Laichgebiet an der Limmat wandern.  Auf diesem Weg müssen die Tiere mit der Limmattalstrasse eine dicht befahrene Kantonsstrasse überqueren. Viele Tiere sind bei diesem Versuch in der Vergangenheit verendet. «Das kann zum Erlöschen von Populationen führen», schreibt Wolfgang Bollack, Mediensprecher des Amts für Landwirtschaft und Natur des Kantons Zürich, auf Anfrage.

Dem wollen Christian Anner und Raphael Spörri aus Würenlos in Zukunft vorbeugen: «Ich bin Anfang Februar hier durchgefahren und habe gemerkt, dass einige Kröten bereits unterwegs sind», sagt Anner bei einer Besichtigung des Fangzauns. Die Tiere wandern entlang der ganzen Strasse. Zwischen dem 800 Meter langen Abschnitt vom Kreisel ausgangs Oetwil bis zur Kantonsgrenze Aargau-Zürich sei die Anzahl Tiere am grössten. 

Darauf habe Anner die Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich über das Problem informiert. Dieser Teil der Kantonsstrasse liegt auf Zürcher Gebiet. Wenige Tage später fand eine Begehung vor Ort statt. Vertreter besagter Fachstelle, der SKK Landschaftsarchitekten AG aus Wettingen, der Bauer, dem ein Teil des Landes gehört, ein Kantonsvertreter und Anner waren dabei. Dabei vereinbarten die Parteien, einen 500 Meter langen Amphibienzaun zu errichten. Der Kanton Zürich übernimmt die Materialkosten, das Zürcher Tiefbauamt baut den temporären Folienzaun auf und ab. Einzige Bedingung von Kanton und Landschaftsarchitekt: Anner muss Freiwillige organisieren, die sich um den Zaun und die Tiere kümmern.

Der Kanton Zürich sah keine Schutzmassnahmen vor

Von November 2014 bis August 2015 hat der Kanton Zürich die Limmattalstrasse in Zusammenarbeit mit dem Kanton Aargau und den Gemeinden Würenlos und Oetwil saniert. In dieser Zeit wurde ebenfalls ein Grossteil des neuen Radwegs gebaut. «Aufgrund einer Beschwerde, die bis vor Bundesgericht ging, konnte das letzte Stück des Radwegs erst im September 2018 fertiggestellt werden», schreibt Thomas Maag, Mediensprecher des Zürcher Tiefbauamts. In diesem Bauprojekt waren keine Amphibienschutzmassnahmen vorgesehen. «Zum damaligen Zeitpunkt waren dem Kanton keine Zugstellen bekannt, die bauliche Massnahmen erfordert hätten», begründet Maag. Zugstelle ist der Fachbegriff für Orte, wo Amphibien unterwegs an ihre Laichgewässer sind. 

Das Bundesrecht schützt Amphibien. Kantone und Gemeinden sind für den Schutz verantwortlich. Die Zürcher Naturschutzfachstelle hat die Arbeiten an die besagten Wettinger Landschaftsarchitekten ausgelagert. Sie planen, koordinieren und überwachen seit 2018 die Schutzmassnahmen an allen überkommunalen Zugstellen, sagt Bollack vom Amt für Landwirtschaft und Natur.

Momentan sorgt eine Gruppe von 20 Leuten für den Zaun zwischen Würenlos und Oetwil. Vor allem Freunde und Bekannte, wie Anner sagt. Auch der Natur- und Vogelschutzverein Limmattal rechtes Ufer ist dabei. 
Die Frösche und Kröten sind nicht das ganze Jahr unterwegs: Am Ende des Winters beginnen sie ihre Wanderung zu den Fortpflanzungsgewässern. Sie wandern nur in der Nacht, wenn die Temperaturen höher als vier Grad sind und es regnet. Anner behält das Wetter deshalb stets im Auge. Ist es ein solcher Tag, kontaktiert er via Whatsapp die freiwilligen Helfer. Vor Sonnenuntergang öffnen sie die Kessel, die entlang des Zauns im Boden eingelassen sind. Die Deckel sind tagsüber geschlossen. «Sonst würden wir auch andere Tiere wie Mäuse darin finden», sagt Raphael Spörri. Wird es dunkel, machen sich die Tiere auf den Weg an die Limmat. Durch den Zaun gelangen sie nicht mehr auf die Strasse, sondern weichen nach links oder rechts aus und fallen in die Kessel. Um 21 oder 22 Uhr des regenreichen Abends sammeln weitere Freiwillige die Tiere ein, transportieren sie über die Limmattalstrasse und setzen sie auf der anderen Seite wieder aus. «In der Nacht können sie problemlos über die Wiese an die Limmat hüpfen», erklärt Spörri, der bislang zwei Einsätze als «Deckelöffner» hatte.

Regnet es auch in der Nacht stark, lassen die Freiwilligen die Kessel offen und leeren sie bei Sonnenaufgang erneut. «Dann müssen wir die Tiere allerdings bis an die Limmat tragen. Sonst könnten sie zum Beispiel von Graureihern gefressen werden», ergänzt Spörri. Ausgestattet sind die Amphibienretter mit Handschuhen, Leuchtwesten und Taschenlampen. 

Bisher haben die Helfer in zehn Einsätzen 441 Tiere transportiert

Bis Montagabend haben zehn Einsätze stattgefunden. Anner führt eine Statistik, die er dem zuständigen Landschaftsarchitekturbüro in Wettingen weiterleitet. «In den Einsätzen haben wir 441 Tiere transportiert», bilanziert Anner. Davon seien 70 Prozent Erdkröten und 30 Prozent Grasfrösche gewesen. Er notiert auch die Wetterbedingungen und zu welcher Tageszeit die Freiwilligen ihre Einsätze hatten. Bislang funktioniere die Aktion gut. Doch: «Haben wir einmal nicht genug Helfer, die die Deckel öffnen, bleiben sie geschlossen. Das war zum Glück noch nie der Fall», sagt Anner. Das sagt auch Mediensprecher Bollack vom Kanton Zürich: «Die Helfer übernehmen während mehrerer Wochen die wichtige Aufgabe, die Amphibien sicher über die Strasse ans Laichgewässer zu bringen. Die temporären Zäune funktionieren nur, wenn es Helfer gibt, die die Zäune während der Zugzeit betreuen können.»

Für Anner  ist ganz klar, wieso er den Tieren hilft: «Aus Interesse am Schutz der Natur.» Spörri ergänzt: «Hier haben wir ein konkretes Problem in unserer Umgebung, dem wir mit konkreten Massnahmen entgegenwirken können.» 

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