«Für viele ist die Badi das Ein und Alles»

Elisabeth Gilliéron und Martin Streit sind in der Badi Wiemel die Schatzwächter. Ein Gespräch über die Parallelwelt Badi und die therapeutische Funktion der Kasse.

«Wir sind die Besten hier vorne» – «Wir sind auch die Einzigen», scherzen Streit und Gilliéron. (Bild: Robin Schwarz)
«Wir sind die Besten hier vorne» – «Wir sind auch die Einzigen», scherzen Streit und Gilliéron. (Bild: Robin Schwarz)

Sie sitzen nebeneinander in der Badibeiz, das Wetter ist, wie schon den ganzen Sommer bisher, höchst mittelmässig, es schickt erste Regentropfen darnieder und trotzdem strahlen sich beide an. Elisabeth Gilliéron, in Bluse mit Blumenmuster, lacht herzhaft, der Ausdruck der Stimme offen und warm. Neben ihr Martin Streit, mit wettergegerbtem Gesicht, schmunzelt, um die Augen Lachfalten, um den Hals eine recht massive Kette.

Die beiden sind das Kassen-Duo am Eingang der Badi Wiemel in Würenlos. Duo nicht nur, weil sie zu zweit an der Kasse arbeiten, sondern auch, weil sie ein Team sind, das es mehr als gut miteinander kann. Das merkt man schon nach zwei Minuten Gespräch. Problemlos spielen sie einander den Ball zu, niemand fällt dem anderen ins Wort, beide hören gern zu, aber beide sprechen auch gerne. Und zwar mehr als nur «Sechs Franken, bitte».

Es gibt sie überall, diese Berufe, in denen eigentlich mehrere Berufe zusammengefasst sind. Barkeeperinnen oder Coiffeure oder Taxifahrerinnen kennen das zur Genüge. Jemand setzt sich hin und beginnt, aus dem Leben zu erzählen, und man selber hört zu, streut vielleicht eine kleine Lebensweisheit ein. So ergeht es auch der Badikasse. «Es gibt Leute, die kommen nur zum Reden hierher, nicht wegen der Badi. Sie schauen, wie viele Leute es hat, wie warm das Wasser ist, und dann kommen sie zu uns nach vorne, um eine Weile zu plaudern, und gehen dann wieder», erzählt Gilliéron. Es gibt viele Sprechpausen, in denen sich die beiden einfach nur angrinsen, um dann nach einer Weile einen Spruch zu reissen. «Wir wissen von manchen wohl mehr als ihr eigenes Umfeld.»

Die Kunden vermissen sie

Ganz unterschiedliche Menschen seien das, die da jeweils zum Plaudern kommen, «die Älteren kommen eher zu mir», sagt Streit, «und die Jüngeren eher zu mir», sagt Gilliéron. Warum sich das so aufteilt, wissen beide nicht. Gilliéron sagt, man ziehe sowieso nur die Menschen an, mit denen man gut reden kann, Streit sagt: «Wenn der eine mit dem Herzen kommt, kommt der andere auch so», und hält beide Hände hohl vor sich hin. «Es gibt da auch keine Eifersucht», sagt Streit weiter und Gilliéron ergänzt: «Wenn du im Gespräch bist, ziehe ich mich zurück und umgekehrt.» Die Kunden würden sie manchmal sogar vermissen, wenn sie nicht hier seien, sagt Gilliéron. «Dann fragen sie zum Beispiel, wann kommt der Martin wieder? Ist er krank?» Und Streit, über seine Mehrfachrolle als Kassier, Therapeut und Pflästerliherausgeber: «Das isch das, wo fägt.» Hingegen sei die Zeit während der Coronakrise eher unangenehm gewesen. Der Kontakt habe gefehlt. Mit der Maskentragpflicht seien die Leute weniger redselig geworden, aber auch habe man gemerkt, dass die Gäste mehr Mühe mit dem Augenkontakt hatten. «Plötzlich wurde uns wieder bewusst, wie wichtig auch die Augen sind beim Gespräch.»

«Wir fragen uns immer wieder, wer wiederkommt», sagt Gilliéron, «gerade auch bei den älteren Leuten.» Immerhin liege ein halbes Jahr zwischen Saisonende und -anfang. «Es ist jedes Jahr so, dass im Frühling jemand nicht mehr kommt», sagt Streit nachdenklich. Man merke das den Leuten manchmal an, man sehe, ob es ihnen gut oder schlecht gehe. Aber dasselbe gilt für die Jungen und die Kleinen. «Ich habe schon oft gestaunt», sagt Streit, «den habe ich ja noch gesehen, als er so war», und hält die Hand etwas über Tischhöhe. Elisabeth Gilliéron pflichtet energisch bei und lacht. In der Badi sieht man ganz unmittelbar, wie die Generationen heranwachsen, sich ablösen, man spürt die Zeit. Im normalen Leben gibt einem die Zeit die Hand und nimmt einen mit, hier spürt man sie viel periodischer. «Es ist Sommer, dann ein halbes Jahr nichts. Dann fällt einem das mehr auf, als wenn man einander täglich begegnet», sagt Martin Streit bedächtig. Die Badi ist ein eigener Mikrokosmos, eine umzäunte heile Welt, in der manche Menschen von morgens bis abends leben. «Die Badi ist etwas, was sich nicht verändert. Sonst verändert sich in der heutigen Welt alles so schnell. Aber die Badi… Das Wasser ist dasselbe», sagt Gilliéron. «Für viele ist die Badi das Ein und Alles. Und am besten noch immer derselbe Parkplatz am Morgen», fügt Streit an. Seit 2009 arbeitet er hier im Wiemel, für Elisabeth Gilliéron ist es die fünfte Saison. Eine ganze Weile. Eine kurze Pause, dann Gilliéron: «Ja, wir sind auch ein gutes Team.» Die beiden sehen sich wieder an. «Ich habe schon oft gesagt, wir sind die Besten», sagt Streit und lächelt. «Bessere als uns gibts hier vorne nicht», lacht Gilliéron, «wir sind auch die Einzigen.»

Trotz allem: Harte Arbeit

So idyllisch das klingt, so hart ist die Arbeit trotzdem. «Irgendwann interessiert es einen nicht mehr, wie lange die Schlange ist.» Und wenn es heiss ist, kann besagte Schlange auch sehr lang sein. «Wir können das ja nicht beeinflussen», sagt Gilliéron schulterzuckend. Einmal habe sie eine Kundin gefragt, wie lange die Leute anstehen, worauf diese geantwortet habe: «Das wollen Sie gar nicht wissen.» Aber das sei ihre liebste Art zu arbeiten. Wenn etwas los ist, etwas passiert. Nicht, wenn man ständig Pausen hat, in denen man sich eine Zigarette anzünden möchte und in dem Moment jeweils wieder ein Gast kommt. Als eingespieltes Team können die beiden fliegend zwischen verschiedenen Aufgaben wechseln, etwa, wenn nach einer Stunde Einkassieren die Zählkonzentration langsam nachlässt. Kundentypen gibt es gemäss Gilliéron und Streit zweierlei: jene, die ihrer Arbeit Wertschätzung entgegenbringen, meist Stammkunden, und jene, die drängeln, es eilig haben, motzen, meist solche, die nur wenige Male kommen. Die einen kennen den Betrieb, die anderen nicht. Also alles fast wie überall, obwohl man meinen könnte, auf dem Weg in die Entspannung am Swimmingpool würde es auf fünf Sekunden mehr oder weniger Warten eigentlich nicht ankommen. Der Lärm und das Gewusel eines Freibads machen den beiden nicht viel aus, obwohl «wenn nichts läuft und dann eine Schulklasse kommt, gibt das ein Rambazamba, dass man meinen könnte, die ganze Badi sei bumsvoll», erzählt Martin Streit. Nach Feierabend auch noch ins Becken springen ist für die beiden kein Thema. «Dann will man auch einfach nur noch nach Hause.» Bald aber sind sie wieder hier, am nächsten Morgen, wenn die ersten Sonnenanbeter vor der Kasse stehen.

Ausser, es ist schlechtes Wetter. Wie heute.

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