Sie hören in der Pandemie auf ihre Stimme

Sängerin Larissa Angelini ermöglicht ihren Schülerinnen und Schülern in der Coronakrise Gesangsunterricht und hilft ihnen so, die Situation zu bewältigen.

Nadia Sbarra steht vor dem Klavier. Sie summt den Konsonanten n, während Larissa Angelini den Ton angibt. Jede Woche treffen sich die Frauen in Angelinis Studio in Würenlos. Angelini ist professionelle Sängerin und Gesangslehrerin. Die 31-Jährige kümmert sich seit Anfang 2020 um die stimmliche Ausbildung von jungen Menschen. Sbarra ist eine von Angelinis Schützlingen. Die Pandemie stellte das Leben der 24-Jährigen wie das so vieler auf den Kopf. Doch weil sie am Singen und am Gesangsunterricht festhielt, meisterte sie die Krise bisher ohne grössere Probleme.

Und dies, obwohl der Wettingerin aufgrund der reduzierten sozialen Kontakte ab und zu die Decke auf den Kopf fällt. Sbarra leidet überdies an einer Seebeeinträchtigung, die sie im Alltag einschränkt. Die junge Frau muss sich stärker auf ihre Stimme und ihr Gehör verlassen als andere. «Ich lebe alleine in Bern und merke, wie mir die Krise aufs Gemüt schlägt. Es ist schön, dass ich die Möglichkeit habe, mit dem Singen meine Emotionen zum Ausdruck zu bringen», sagt Sbarra. Sie sei sehr froh, dass sie auf den Gesangsunterricht zählen könne – auch in Zeiten der Pandemie.

Skype-Lektionen wurden von technischen Problemen begleitet

Nur zu Beginn der Krise musste Sbarra für kurze Zeit darauf verzichten. «Wir stoppten den Unterricht während des ersten Lockdowns. Alle meine Gesangsauftritte wurden abgesagt. Die Situation war neu und niemand wusste, wie es weitergeht», erzählt Angelini. Sie selbst konnte durch den Gesang ihre Sorgen und die vielen offenen Fragen für eine Weile ausblenden. «Meine Schülerinnen und Schüler sind aber nicht alle so selbstständig. Sie schrieben mir und sagten mir, dass sie das Singen vermissen.» Angelini startete Skype-Lektionen. «Die waren jedoch mit technischen Herausforderungen verbunden», erinnert sie sich und Sbarra ergänzt: «Zur unpassendsten Zeit wurden Updates auf dem Computer nötig.» Als die Schulen im Mai 2020 öffneten, nahm Angelini den Gesangsunterricht in ihrem Studio wieder auf. «Einzelunterricht ist erlaubt, auch wenn das von vielen nicht so wahrgenommen wird», sagt die Sängerin. Das Singverbot beziehe sich auf Laienchöre und auf gemeinsames Singen. «Doch vielen ist das nicht klar. Ich werde oft gefragt, ob ich meine Schüler überhaupt unterrichten darf.» Sich für den Gesangsunterricht rechtfertigen zu müssen, während die Läden und die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt sind, sei mühsam und nicht nachvollziehbar.

Angelini war und ist es ein Anliegen, dass sie ihren Schülern den Unterricht ermöglichen kann. «Es wird so oft berichtet, wie negativ sich die Coronasituation auf unsere Psyche auswirkt und wie sehr vor allem junge Menschen unter den Einschränkungen leiden. Jedoch wurden lange keine Lösungen angeboten», sagt Angelini.

Zumindest die Stimme bewegen, wenn sonst alles stillsteht

Im Unterricht wird deshalb nicht nur geübt und gesungen, sondern auch über Themen gesprochen, die den Schülern auf dem Herzen liegen. Nicht selten drehen sich die Gespräche um Zukunftsängste. «Ich habe zwar einen Beruf und kann arbeiten, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich in den nächsten 40 Jahren in meiner Einzimmerwohnung bleiben und dort versauern werde. Es fühlt sich so an, als würde ich feststecken», sagt Sbarra.

Angelini kann diese Ängste verstehen. «Es bewegt sich nichts. Das Leben wird gewollt zurückgehalten. Durch das Singen können meine Schüler wenigstens ihren Atem bewusst wahrnehmen und ihre Stimme in sich selbst bewegen.» Singen hat für Angelini etwas Identitätsstiftendes. «Die Stimme ist so eng mit dem Ich verbunden. Durch die Pandemie besinnen wir uns wieder mehr auf uns selbst, wir verbringen viel mehr Zeit mit uns und werden weniger durch Äusseres abgelenkt.» Durchs Singen könne man Dinge und Emotionen ausdrücken, die man sonst gar nicht in Worte fassen könne. «Das Singen ist ein Weg zu sich selbst. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gerade in Krisenzeiten auf unsere Stimme hören und sie erklingen lassen», findet Angelini.

Ein positiver Nebeneffekt der Coronapandemie ist für sie, dass sie und ihre Schüler sich regelmässiger treffen. «Es gibt keine anderen Anlässe, die den Unterricht konkurrieren können. Das führt auch zu schönen Schlüsselmomenten mit meinen Schülerinnen und Schülern, wenn sie stimmlich oder persönlich einen Punkt erreichen, der sie überrascht oder besonders berührt.»

Sbarra darf das in der Pandemie Gelernte bald mit anderen Menschen teilen. Am Ostersamstag wird sie an einem Kindergottesdienst in der katholischen Kirche Würenlos auftreten und vier Lieder zum Besten geben. «Ich bin fleissig am Üben und freue mich darauf», sagt Sbarra.

Sie und ihre Lehrerin wünschen sich, dass das Singverbot seine Wirkung entfaltet und nach dessen Aufhebung mehr gesungen wird als davor. «Singen tut gut und wir hoffen, dass viele Menschen das in der Pandemie merken.»

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