«Wir hatten es stets konstruktiv-kritisch»

Roland Kuster sitzt an seinem Arbeitsplatz im Wettinger Rathaus. Irene Hung-König
Roland Kuster sitzt an seinem Arbeitsplatz im Wettinger Rathaus. Irene Hung-König

Roland Kuster (66) war während neun Jahren Gemeindeammann. Was ihn am meisten gefreut und geärgert hat, erzählt er im Interview.

Wie fühlen Sie sich kurz vor der Amtsabgabe? Sehr gut! Noch ist aber viel zu tun. Man merkt, die Leute möchten vieles geregelt haben. Sei es aus der Verwaltung heraus, die den Eindruck haben, es wäre gut, wenn dies die «Alten» noch machen, weil sie wissen, was der Sachstand ist. Wir hatten noch einige wichtige Themen zum Abschluss: Es ging um die Ansiedelung der Hitachi und um die Revision der Allgemeinen Nutzungsplanung (Anup), die durch den Einwohnerrat genehmigt wurde.

Kann denn alles abgeschlossen werden bis Ende Jahr? Die mögliche Ansiedelung von Hitachi Energy hat nicht auf das Legislaturende gewartet. Das Projekt läuft darüber hinaus und der Gemeinderat hat entschieden, dass ich dieses weiterhin begleite.

Sie waren während 9 Jahren Gemeindeammann. Was oder welche Tätigkeit hat Ihnen am besten gefallen? Da gibt es vor allem die vielen Begegnungen mit Menschen. Es ist nicht nur eine Floskel: Als Gemeindeammann kommt man mit Leuten in Kontakt, welche man ohne dieses Amt nicht treffen würde. Das können Personen in persönlicher Not sein oder solche, die unsere Arbeit kommentieren. Diese Rückmeldungen können unterstützend, aber auch kritisierend sein. Ich habe überall dort gerne gearbeitet, wo man ein Projekt aufgleisen, an die Hand nehmen konnte. Ein ganz wichtiger Punkt war, dass wir es im Gemeinderat hektisch, aber immer konstruktiv-kritisch hatten. Es wurde heftig diskutiert, man war logischerweise nie gleicher Meinung. Am Schluss gab es einen Entscheid und da war es wichtig, dass auch diejenigen, die unterlegen waren, diesen nicht öffentlich kritisierten. Das war unsere Stärke, man konnte diesen Gemeinderat öffentlich nicht auseinanderdividieren.

Welche Projekte haben Sie mit Freude begleitet? Immer eine Freude für mich war das Tägi. Ich konnte als Ressortchef die Sanierung in Auftrag geben. Ich war an vorderster Front beauftragt. Das hat Spass gemacht. Ich weiss auch, dass es Leute in der Bevölkerung gab, die es unnötig fanden, viel Geld ins Tägi zu investieren. Wenn ich aber sehe, welche Ausstrahlung wir mit dem Tägi haben und wir für die Region einen ganz wichtigen Stern gebaut und produziert haben, dann überwiegt dies. Über 400000 Leute pro Jahr, Kinder, die Freude am «Schlöfle» haben. Entgegen allen Unkenrufen haben wir es fertiggebracht: Wir sind sehr erfolgreich unterwegs. Was mich auch gefreut hat, war die Arbeit in Zusammenhang mit der Ausgliederung des Elektrizitätswerks, welches wir in eine Aktiengesellschaft überführten.

 

Haben Sie sich stets wohlgefühlt in Ihrer Rolle? Ja, auch wenn es mal Kritik gab, ich konnte immer gut schlafen. Was nicht so glücklich war, war die ganze Repol-Geschichte. Das beschäftigt einen schon. Nun kann man sagen: Wir lagen richtig. Ich war froh, hatte der Polizeikommandant (Oliver Bär, Anm. d. Red.) die Kraft und Resilienz, die schwierige Situation zu meistern. Auf seine Person hatte man massiv gezielt. Wir beide standen in der Öffentlichkeit. Doch ich denke, wenn man überzeugt ist, eine eigene Vision hat und diese mit den Kolleginnen und Kollegen, dem Gemeinderat oder anderen Gemeinden abgestimmt hat, ist man auf dem richtigen Weg. Das Resultat ist überzeugend.

Ist es lohnenswert, Politiker zu sein? Es gibt keinen Beruf, in welchem du mit deiner Person und deinem Wirken für so viele Leute für ihre Zukunft, ihr Wettingen, so viel bewirken kannst. Als Kommunalpolitiker hat man einen Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Wichtig ist, dass man diesen nutzt. Manchmal ein bisschen mehr, dann schlägt man sich den Kopf an und wird zurückbuchstabiert. Man macht es nicht für sich, sondern für andere. Politiker sind schon gesellschaftsfähig. Und finanziell: Wir wurden in Wettingen immer gut entlöhnt.

Sie waren bis Ende 2024 im Grossen Rat engagiert. Ihr Eindruck? Das ist ganz einfach: Im Grossen Rat ist man Parlamentarier und als Ammann in der Exekutive. Mir war die Exekutivpolitik immer näher, dies aufgrund meiner Managementerfahrung. Ich habe mich immer geärgert, wenn die Grossratsgspänli Vorstösse kreiert haben, die vor allem die Verwaltung beschäftigten, sag ich mal etwas plakativ. Ich überlegte immer, wenn wir das in der Gemeinde beantworten müssten. Da entsteht viel Aufwand, und am Schluss wird der Vorstoss abgeschrieben oder von der Traktandenliste gestrichen. Was aber sehr wertvoll war, war der Kontakt in die Verwaltungen, Kommissionen zu anderen Kolleginnen und Kollegen mit Exekutiverfahrung. Von den sechs Jahren möchte ich keinen Tag missen.

In den 9 Jahren hat sich einiges verändert, gesellschaftlich, politisch und sozial. Wie schwierig ist es heute, eine Gemeinde wie Wettingen zu führen? Es hat sich eindeutig verändert, es ist komplizierter geworden. Ich möchte dies nicht kritisieren, aber es wird viel detaillierter Auskunft gewünscht, man muss viel mehr argumentieren. Es ist heute einfach, schnell eine Frage zu stellen. Man muss keinen langen Brief an den Gemeinderat schreiben und dann wird es irgendwann behandelt. Wir sind in einer Unmittelbarkeit drin, jedes Wort wird in die Waagschale geworfen. Wir haben auch den Eindruck, dass beispielsweise bei Baugesuchen wesentlich mehr anwaltlich begleitet wird. Dann wird auf juristischer Ebene eine Einsprache gemacht. Das hatte man früher weniger, man gönnte sich gegenseitig mehr Freiheit.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger Markus Haas? Ich wünsche ihm, dass er sehr schnell Fuss fasst. Dass er die Sorgen und Nöte der Wettingerinnen und Wettinger ebenso ernst nimmt. Dass er aufs Gesamte schaut, nicht auf Partikularinteressen. Dass er ein Gemeindeoberhaupt wird, welches sich dafür einsetzt, dass Wettingen weiterhin lebenswert bleibt. Ich würde mir wünschen, dass die Errungenschaften, welche wir erreicht haben, weiterhin gepflegt werden. Das ist ja das Schöne an der ganzen Geschichte. Bevölkerungsbefragungen zeigen dies immer wieder: Man wohnt gerne in Wettingen. Wir haben eine gute Infrastruktur, wir haben alles hier, sind auch gut erreichbar. sehr schnell weit. Wir haben alle Schulen, gute Wohnlagen, haben sogar einen guten Steuerfuss (lacht).

Wird man Sie in nächster Zeit als Gast an Einwohnerratssitzungen antreffen? Da verwehrt man sich nicht dagegen. Aber man soll den Neugewählten die Chance geben, sich neu zu finden. Es ist ein neues Parlament. Dass ich zwischendurch mal wieder zuschauen und zuhören gehe, damit ist durchaus zu rechnen.

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