«Die Leute dort abholen, wo sie stehen»

Theo Pindl ist 64 Jahre alt und seit dem 4. Februar frischgebackener Priester der christkatholischen Kirchgemeinde Baden-Brugg-Wettingen. Mit vier Kindern ist es zu spät fürs Zölibat. Doch bei den Christkatholiken spielt das keine Rolle. Sie sind eine liberale Kirche.

Theo Pindl freut sich auf seine Aufgabe als Priester. Rinaldo Feusi
Theo Pindl freut sich auf seine Aufgabe als Priester. Rinaldo Feusi

Mit 60 Jahren in die Selbstständigkeit, mit 65 Jahren um die Welt gerudert, mit 16 Jahren schon den Master in Mathematik: Gegenüberstellungen von Leistung und Alter sind immer spannend. Eine solche funktioniert auch bei Theo Pindl. Mit 64 Jahren wurde dieser zum Priester der christkatholischen Landeskirche der Schweiz geweiht.

Klein, aber fein

Die christkatholische Kirche ist die kleinste Landeskirche der Schweiz. Gegenwärtig zählt sie rund 12000 Mitglieder und ihre Kirchgemeinden bestehen aus 300 bis 500 Personen. Gegründet wurde sie 1876 und sie stellt sich bis heute gegen die Unfehlbarkeit des Papstes. Ein wesentlicher Unterschied zur römisch-katholischen Kirche besteht in ihrer Struktur. Während die römisch-katholische Kirche stark hierarchisch aufgebaut ist, entscheiden Bischof und Synode der Christkatholiken demokratisch im Konsens. Mit starren katholischen Ansichten hat auch Theo Pindl nicht viel am Hut. So sei es nach seinen Angaben «der anhaltende Reformstau» gewesen, der ihn schliesslich von den Römisch-Katholischen zu den liberalen Christkatholiken brachte. «Gleichgeschlechtliche Ehe ist bei uns schon lange kein Gesprächsthema mehr und wir haben auch seit Jahrzehnten weibliche Geistliche», erklärt er weiter. Man dürfe erneut heiraten und die Nähe zur Kirche dürfe das Gemeindemitglied selbst bestimmen. Gewissensfreiheit ist ein Grundsatz ihres Glaubens.

Der Weg zur neuen Kirche

Theo Pindl arbeitete sein Leben lang für die katholische Kirche. Trotzdem wechselte er zu den Christkatholiken. Er habe den Reformstau direkt mitgekriegt. «Es gab natürlich auch Konflikte dabei», erzählt er. Bei der neuen Kirche sei das komplett anders. In der Verfassung steht geschrieben: «Das Bistum wird vom Bischof, von der Synode und der Exekutive der Synode gemeinsam geführt.» Theo Pindl selbst weiss, wie es um die Kirche steht und wie hinderlich alte Zöpfe sein können. Der Priester ist nämlich nicht nur ein Kind der Kirche, sondern auch des Unternehmertums. Er wirkte viele Jahre als Unternehmensberater und auch als Projektleiter für die Europäische Union. Er arbeitete bis 2022 noch in St. Gallen. Danach trat er schliesslich über.

Priester, Seelsorger oder

 

Gemeindeleiter?

Seine Glaubensheimat fand Pindl schliesslich kurz vor der Pension. Dass er aber gleich Priester werden würde, war nicht von Anfang an der Plan. Er wurde am 4. Februar trotzdem zum Priester geweiht. Ein Titel, der schwer zu erklären ist.

Ob Seelsorger, Priester oder Gemeindeleiter – nur Titel, die ausserhalb der engsten Kirchenkreise niemanden mehr interessieren würden. «Ich präsentiere mich in der Rolle, die sich mein Gegenüber wünscht», sagt er. «Was willst du, dass ich dir tue?», so sein Motto aus der Bibel. Grundsätzlich wollte er nämlich immer nur Laie sein, während er noch römisch-katholisch war. «Und für das Zölibat bin ich mit vier Kindern eh zu spät», erklärt er und lacht. Bei seiner Glaubensheimat ist das aber kein Problem. Für ihn sei wichtiger, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Sein Gottesdienst in Wettingen findet zweimal im Monat in der Klosterkirche statt.

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